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# taz.de -- Gegen Zwangsräumungen: Wieder Demo im Grunewald
> Schon 1981 und 1989 zogen Kreuzbergerinnen und Kreuzberger ins
> Villenviertel, um Spekulanten vor Ort zu treffen. Nun wird diese
> Tradition wieder aufgegriffen.
Bild: Protest vor der Oranienstraße 35 gegen die Verdrängung zweier Geschäfte
Ein Ort der Spekulation war der Grunewald schon immer. Die Holzauktion, die
der berühmte Gassenhauer besingt, hat mit der großflächigen Rodung des
Waldes im Berliner Westen zu tun. Mit den Baumfällarbeiten war Ende des 19.
Jahrhunderts begonnen worden, um Platz zu schaffen für ausgedehnte
Villenkolonien. Die Armen durften dann das Holz kaufen. Erst das
Dauerwaldgesetz von 2015 hat diesem Treiben ein Ende gesetzt.
Die Villen stehen aber immer noch, und in manchen von ihnen lebt das
Spekulieren fort. Das behauptet zumindest die Initiative „Zwangsräumungen
verhindern“. Sie ruft für Donnerstag um 16 Uhr auf, im Grunewald
Gentrifizierung in Kreuzberg zu verhindern. Treffpunkt ist das Roseneck an
der Ecke Hohenzollerndamm und Teplitzer Straße. Zur Orientierung:
Innenstadtberliner kennen das Roseneck als Endhaltestelle des M 29.
Grunewalddemo also, und damit wären wir beim Thema Tradition. Schon 1981,
auf dem Höhepunkt der Westberliner Hausbesetzerbewegung, bewegte sich die
Szene mal vom heimatlichen Kreuzberg in die ferne Villenkolonie. Und siehe
da: Die feinen Herren Hausbesitzer waren ganz aus dem Häuschen. Sie, die
ihr Geld unter anderem damit verdienen, andere in Existenznot zu treiben,
gerieten schon in Panik, wenn mal ein Megafon vor dem Gartentor trötete
oder jemand „Buh“ rief.
Die zweite Auflage der Grunewalddemo kam 1989. Um zu zeigen, dass sie nicht
nur den eigenen Kiez rund um den Heinrichplatz zerlegen können, zogen
Kreuzberger Autonome erneut ins Villenviertel. Weil das aber schon voller
Polizei war, nahmen sie das Fahrrad mit, stoppten die S-Bahn eine Station
vor dem Ziel und hinterließen, ausgestattet mit Nothämmern, die ein oder
andere Glasscherbe.
Um wie viel pragmatischer ist die Zielsetzung heute. Vor der Kronberger
Straße 12 soll der Vermieter des Spätkaufs und der Änderungsschneiderei in
der Oranienstraße 35 davon überzeugt werden, auf eine Zwangsräumung zu
verzichten.
Ob besagter Vermieter, die Bauwerk Immobilien GmbH, das auch so sieht, wird
zu sehen sein. Aber auch er könnte eine Tradition fortsetzen. Denn schon
einmal war eine Demo der Initiative „Zwangsräumungen verhindern“ tief im
Westen der Stadt erfolgreich. Bei einem Spaziergang durch Nikolassee
forderten 2013 120 Teilnehmerinnen und Teilnehmer einen Vermieter auf, die
Kündigung eines Mieters in der Skalitzer Straße zurückzunehmen. Das
Vergehen des Mieters: Er war kurzzeitig mit der Bezahlung der Nebenkosten
in Verzug geraten, hatte diese aber wieder beglichen. Trotzdem war ihm
gekündigt worden, und ein Gericht hatte der Kündigung stattgegeben.
Was vor Gericht nicht gelang, gelang im Grunewald. Selbstjustiz? Oder nur
das Recht des kleinen Mannes und der kleinen Frau, sich nicht die Butter
vom Brot nehmen lassen. So wie damals bei der Holzauktion: „Beim
Mondenschein, da kamen alte Weiber. Die mausten Holz wie echte rechte
Räuber.“
21 Jun 2017
## AUTOREN
Uwe Rada
## TAGS
Zwangsräumung
Gentrifizierung
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