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# taz.de -- Krebsverdacht bei Titandioxid: Farbe besser an der Wand lassen
> Das Pigment Titandioxid weißt Wände, Kaugummis und Kunststoffe. Einatmen
> sollte man kleine Partikel des Pigments aber nicht.
Bild: Produktion von Titandioxid in einer Düsseldorfer Fabrik
BERLIN taz | Das häufig verwendete Weißpigment Titandioxid sollte laut der
Europäischen Chemikalienagentur (Echa) als Stoff „mit Verdacht auf
krebserzeugende Wirkung beim Menschen durch Einatmen“ eingestuft werden.
Das entsprechende Echa-Komitee, das die Risiken von Chemikalien einschätzt,
hat in seiner Sitzung am 8. Juni empfohlen, den Stoff als „kanzerogen
Kategorie 2“ einzustufen; das hieße, Produkte, die ihn enthalten, müssten
mit einem Warnhinweis gekennzeichnet werden.
Auf die Tagesordnung gesetzt hatte die Chemikalie die französische Behörde
für Lebensmittelsicherheit, Umwelt- und Arbeitsschutz (ANSES), die sie als
„wahrscheinlich krebserregend beim Einatmen“ klassifizieren wollte, was in
bestimmten Anwendungen zu einem Verbot geführt hätte. Sie hatte sich auf
Studien mit Ratten berufen.
Der drohende schwarze Torso mit zerfaserter Lunge ist für Wandfarben oder
Lacke aber auch nicht gerade ein Werbehinweis, darum sind die Unternehmen
äußerst aufgebracht über die Entscheidung. Sie sei „nicht nachvollziehbar�…
teilt der Verband der chemischen Industrie mit, „Studien belegen keinen
Zusammenhang zwischen Exposition von Titandioxidstaub am Arbeitsplatz und
Krebsrisiko“.
TiO2 ist ökonomisch bedeutsam, das am häufigsten verwendete Pigment findet
sich in Farben, Lacken, Papieren, Zahnpasta, Kosmetika, Kunststoffen,
Textilien oder Lebensmitteln wie Fertigsuppen oder Kaugummis – eigentlich
in fast allem, was weiß, milchig und appetitlich sein soll. Rund 1,1
Millionen Tonnen der Chemikalie werden jährlich in der EU hergestellt,
480.000 Tonnen davon in Deutschland.
Für besorgniserregend halten die Wissenschaftler des Echa-Gremiums nun
Staubpartikel des Stoffes, die so klein sind, dass sie in die tiefen
Atemwege der Lunge geraten können. Trotz der empfohlenen Einstufung als
„verdächtig, Krebs zu erregen“ sehen die Wissenschaftler keine Gefahr für
titandioxid-haltige Kaugummis oder Zahnpasta, die gekaut oder verschluckt
werden, noch für Sonnenmilch, die auf die Haut geschmiert wird.
Auch Wandfarben werden nicht verdächtigt, denn in ihnen liegt das
Titandioxid gebunden vor. Wird die Wand aber später bei einer Renovierung
geschliffen, sieht die Sache schon wieder anders aus.
Dass nun in der Öffentlichkeit recht allgemein „Titandioxid“ am Pranger
stünde, dafür sei die Industrie selbst verantwortlich, heißt es von
Wissenschaftlern, die sich mit der Risikoeinschätzung von Chemikalien
befassen. Laut europäischer Chemikaliengesetzgebung liefern die Unternehmen
die Informationen, die den Einstufungen der Behörden zu Grunde liegen.
Im Fall von TiO2 hat die Industrie sich geweigert, die unterschiedlichen
Formen zu bewerten, in denen der Stoff verwendet wird, etwa als
Nanopartikel. Also konnte das Echa-Gremium auch nur Aussagen über den Stoff
als ganzes treffen.
15 Jun 2017
## AUTOREN
Heike Holdinghausen
## TAGS
Farbe
Kosmetik
Lebensmittel
chemieindustrie
Chemikalien
NOx
Lebensmittel
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