# taz.de -- Kleine Teilchen mit großer Wirkung: Nanopartikel töten Wasserflö… | |
> Wasserflöhe können sich schlechter häuten, wenn Nanopartikel im Wasser | |
> sind. Noch unerforscht ist, was mit größeren Tieren passiert. Und mit | |
> denen, die die Flöhe fressen. | |
Bild: Wasserfloh Daphnia Magna, hier allerdings ein erwachsenes (weibliches) Ex… | |
BERLIN taz | Wie gefährlich ist Sonnenmilch mit Nanopartikeln aus | |
Titandioxid für Wasserlebewesen? Wahrscheinlich gefährlicher als bisher | |
angenommen. Das legt [1][eine Studie] des Instituts für | |
Umweltwissenschaften der Uni Koblenz-Landau nahe. | |
In der Studie wurden Wasserflöhe deutlich länger Nanopartikeln ausgesetzt, | |
als dies Standardtests vorschreiben. "90 Prozent der Tiere starben", sagt | |
Studienleiter Ralf Schulz. Er hatte Wasserflöhe in Wasser mit verschiedenen | |
Konzentrationen von Nano-Titandioxid schwimmen lassen. Ab einem Wert von | |
0,24 Milligramm pro Liter zeigten sich die Partikel Wirkungen. | |
Wasserflöhe durchlaufen in ihrer Kindheit mehrere Häutungen, weil ihre | |
Chininhülle sie wie ein fester Panzer umgibt, der nicht mitwachsen kann. An | |
diesem Panzer nun setzen sich die winzigen Nanopartikel, gegen die ein Haar | |
wie ein Bleistift wirkt, fest. "Die erste Häutung nach 36 Stunden haben die | |
etwa ein Millimeter großen Tiere auch mit ihrem Ballast aus Titandioxid | |
geschafft", sagt Schulz. Doch bei der zweiten Häutung nach 72 Stunden seien | |
die meisten Flöhe gestorben. "Offenbar waren sie durch die Last der | |
Partikel geschwächt", so der Ökotoxikologe. | |
Alarmierend ist nun, dass gewöhnliche Standardtests die Tiere nur 48 | |
Stunden beobachten. "Dann wirken die Partikel noch gar nicht", so Schulz, | |
"es könnte also sein, dass wir uns in falscher Sicherheit wiegen." Denn die | |
toten Wasserflöhe werfen eine Reihe von Fragen auf. Größere Organismen, wie | |
Fische, stören sich offenbar nicht daran, wenn sich Titandioxid-Nanostaub | |
auf sie legt. Auch erwachsene Wasserflöhe können damit leben, nur der | |
Nachwuchs hat Probleme damit. Wie reagieren nun andere Organismen wie Algen | |
auf die Belastung? Und was passiert mit den Tieren, die mit Partikeln | |
belegte Insekten oder Pflanzen fressen? Schulz: "Hier besteht noch ein | |
enormer Forschungsbedarf." | |
## Die OECD wollte schon 2009 Ergebnisse vorlegen | |
Titandioxid kommt in der Erdkruste häufig vor und ist nicht giftig. Als | |
Nanopartikel macht es Sonnenmilch, Zahnpasta und Spezialfarben weiß – und | |
zeigt neue Eigenschaften. | |
Eine Arbeitsgruppe der in Bezug auf standardisierte Testverfahren | |
tonangebenden Organisation für wirtschaftliche Entwicklung und | |
Zusammenarbeit (OECD) werkelt seit Jahren an der Anpassung bestehender | |
Testmethoden an Nanomaterialien. Eigentlich wollte sie schon Ende 2009 | |
fertig sein, nun hat sie Ergebnisse für Mitte 2012 angekündigt. "Die | |
Forschung über Verhalten und Effekte von Nanomaterialien in der Umwelt ist | |
ein langwieriger Prozess", sagt Kathrin Schwirn vom Umweltbundesamt. Es sei | |
verständlich, dass die Untersuchungsmethoden und damit auch die Regulierung | |
noch nicht entsprechend weiterentwickelt seien. | |
"Wir müssen uns sputen", warnt hingegen Umweltwissenschaftler Schulz. | |
Nanopartikel würden im großen Maßstab produziert und in die Umwelt | |
entlassen. "Wir sollten nicht erst in zehn Jahren feststellen, dass das | |
nicht verantwortlich war." | |
6 Jun 2011 | |
## LINKS | |
[1] http://www.uni-koblenz-landau.de/landau/aktuelles/archiv-2011/nanomaterialt… | |
## AUTOREN | |
Heike Holdinghausen | |
Heike Holdinghausen | |
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Farbe | |
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