# taz.de -- Studentische Hilfskräfte im Tarifstreit: Schlappe 44 Cent! | |
> Studentische Mitarbeiter an den Berliner Unis kämpfen derzeit für eine | |
> bessere Bezahlung. Die Arbeitgeber stellen sich quer. | |
Bild: Studentische Mitarbeiter fordern eine ganze Reihe von Maßnahmen von ihre… | |
Für Rot-Rot-Grün ist „gute Arbeit“ ein wichtiges Thema: Der neue Senat | |
verspricht in seinem Koalitionsvertrag allerhand, damit Berlinerinnen und | |
Berliner von ihrer Hände und Köpfe Arbeit leben können. Die Bezahlung der | |
studentischen Mitarbeiter an Hochschulen etwa „soll mindestens der | |
Entwicklung der realen Lebenshaltungskosten entsprechen“, heißt es im | |
Koalitionsvertrag. Und: „Die Koalition wird den bundesweit einzigartigen | |
studentischen Tarifvertrag erhalten und ausbauen.“ | |
Klingt gut, ist aber nur die halbe Wahrheit: Ganze 44 Cent Lohnerhöhung | |
haben die Arbeitgeber den rund 8.000 studentischen Hilfskräften (SHK) in | |
der aktuellen Tarifverhandlung angeboten – und das nach 16 Jahren ohne | |
Lohnerhöhung. 10,98 Euro Stundenlohn bekommen die Hilfskräfte seit 2001, | |
erklärt Matthias Neis, der zuständige Verdi-Gewerkschaftssekretär. „Und | |
2004 wurde ihnen auch noch das Weihnachtsgeld gestrichen“, das seien rund | |
acht Prozent des Jahresgehalts gewesen. | |
Nun muss man wissen, dass nicht der Senat der Arbeitgeber der SHK ist, | |
sondern die Hochschulen. Aber natürlich passiert in diesem Bereich nichts | |
am Senat vorbei – schließlich bezahlt das Land die Löhne aller | |
Uniangestellten. | |
Seit April verhandeln die Studierenden nun mit den Beauftragten der | |
Hochschulen und dem kommunalen Arbeitgeberverband. Ihre Forderung: Ein | |
Stundenlohn von 14 Euro, das wären 27 Prozent mehr – laut Neis der | |
Inflationsausgleich seit 2001. „Wir wollen, dass unsere Arbeit heute | |
genauso viel wert ist wie vor 16 Jahren“, erklärt Franziska Hamann-Wachtel, | |
studentische Hilfskraft an der Humboldt-Universität. „Jeder weiß, wie die | |
Mieten in dieser Stadt steigen, auch das Semesterticket kostet inzwischen | |
mit 300 Euro dreimal so viel wie damals.“ | |
## „Wir bleiben abgehängt“ | |
Zweitens fordern die Studierenden die Wiedereinführung des Weihnachtsgeldes | |
und drittens eine Koppelung des studentischen Tarifvertrags (TVStud) an den | |
Tarifvertrag der Länder (TV-L), nach dem Berlin seine anderen Angestellten | |
im öffentlichen Dienst bezahlt. „Alles andere bedeutet bloß: Wir bleiben | |
abgehängt“, sagt Hamann-Wachtel, die als Personalratsmitglied der | |
studentischen Hilfskräfte in der Verhandlungskommission sitzt. | |
Tatsächlich werden für die Angestellten des TV-L regelmäßig | |
Lohnsteigerungen zwischen den Gewerkschaften auf der einen Seite und der | |
Tarifgemeinschaft der Länder ausgehandelt – Berlins Finanzsenator Matthias | |
Kollatz-Ahnen (SPD) hat dort übrigens gerade den turnusmäßigen Vorsitz | |
inne. Bei der letzten regulären Tarifrunde im März erreichten die | |
Gewerkschaften, dass die Entgelte um zwei Prozent angehoben werden, in den | |
unteren Lohngruppen aber mindestens 75 Euro draufgeschlagen werden. | |
An dieser Stelle kommt der Senat den Studierenden zumindest ein Stück weit | |
entgegen: In den neuen Hochschulverträgen, die den Finanzrahmen für die | |
Unis bis 2022 abstecken und demnächst unterschrieben werden sollen, ist in | |
der Tat festgehalten, dass sich die Universitäten bei der Bezahlung der | |
studentischen Beschäftigten „regelmäßig“ an der Entwicklung der realen | |
Lebenshaltungskosten orientieren sollen. „Weitere Vorgaben wären ein | |
Eingriff in die Tarifautonomie der Hochschulen“, erklärt der Staatssekretär | |
für Wissenschaft, Steffen Krach, auf taz-Anfrage. Und fügt hinzu: „Aus | |
meiner Sicht ist aber klar: Nach 16 Jahren können die jetzt angebotenen 44 | |
Cent noch nicht das letzte Wort sein.“ | |
Den Studierenden sollte diese Aussage Mut machen. Sie haben die | |
Auseinandersetzung mit den Unis von langer Hand vorbereitet. Fast ein Jahr | |
lang hätten sie für die „Kampagne TVStud“ MitstreiterInnen unter den | |
Hilfskräften geworben, erklärt Neis – mit Erfolg. Rund 1.000 Studierende | |
seien dafür den Gewerkschaften Verdi oder GEW beigetreten, die die | |
Studierenden bei der Tarifauseinandersetzung unterstützen. Damit habe man | |
die Lehren gezogen aus dem letzten Versuch, den TVStud zu verbessern; das | |
sei 2011 gescheitert, weil die Studierenden zu unorganisiert gewesen seien. | |
## Universitäten äußern sich nicht | |
Aktuell setzt man auf „mobile, flexible Aktionen“, erklärt der | |
Gewerkschaftssekretär. Vorigen Mittwoch besuchten etwa 60 Studierende die | |
Alice-Salomon-Hochschule, einen Tag später kaperten rund 100 studentische | |
Beschäftigte den Audimax der Technischen Universität (TU), deren Präsident | |
dort gerade den 5. Nationalen MINT-Gipfel eröffnen wollte. Die Studierenden | |
machten deutlich, dass ohne TutorInnen auch die Ausbildung im Bereich | |
Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik (MINT) | |
zusammenbrechen würde. Laut einer Pressemitteilung der studentischen | |
Initiative äußerte der TU-Direktor sogar Verständnis für ihr tarifliches | |
Anliegen und „wies auf die kompromissbereite Haltung seiner eigenen | |
Universität hin“. | |
Das sei interessant, sagt Neis, denn „in den Verhandlungen merken wir davon | |
bislang nichts“. Auf Anfrage der taz erklärten TU, Freie Universität und | |
Humboldt-Uni, man äußere sich nicht zu laufenden Tarifverhandlungen. | |
Die nächste, vierte Verhandlungsrunde ist am 20. Juni, eine weitere ist | |
bislang nicht angesetzt. „Wenn die Arbeitgeber dann kein besseres Angebot | |
vorlegen, werden wir den Ton verschärfen“, so Neis. Zum letzten Mittel | |
Streik wolle man aber erst greifen, wenn „alle Stricke reißen“. Das wäre | |
jedenfalls ein probates Mittel, findet Hamann-Wachtel, die selbst in der | |
Uni-Bibliothek bei der Buchrückgabe gearbeitet hat. „Wir halten den Betrieb | |
vielerorts massiv am Laufen.“ | |
6 Jun 2017 | |
## AUTOREN | |
Anna Klöpper | |
Susanne Memarnia | |
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