# taz.de -- Kambodschas Testwahl: Hun Sen ist nicht mehr unumstritten | |
> Bei der Kommunalwahl verliert die seit 30 Jahren regierende Volkspartei | |
> von Ministerpräsident Hun Sen erstmals relativ viele Sitze. | |
Bild: Kambodschas starker Mann Hun Sen am letzten Tag des Wahlkampfs | |
BANGKOK taz | Die Kommunalwahlen in Kambodscha am Sonntag galten als | |
Testlauf für die Parlamentswahl im Juli 2018. Die oppositionelle Nationale | |
Kambodschanische Rettungspartei (CNRP) wird künftig in vielen Kommunen | |
regieren. | |
Erstmals nach dem Bürgerkrieg und der Herrschaft der Roten Khmer ist nicht | |
garantiert, dass der seit über 30 Jahren amtierende Premierminister Hun Sen | |
und seine Kambodschanische Volkspartei (CPP) die Macht behalten – trotz | |
Hun Sens Wahlkampfslogan: „Ich oder Krieg.“ | |
Chamroeun Sok ist überglücklich. „In meiner Heimatprovinz Kampot und auch | |
in Phnom Penh hat die CNRP die Kommunalwahl gewonnen“, schreibt der | |
45-Jährige in einer Facebook-Nachricht. | |
Chamroeun hat, wie viele seiner Landsleute, genug von Korruption und | |
Vetternwirtschaft. Wirtschaftlich geht es zwar bergauf, aber der | |
bescheidene Wohlstand ist extrem ungleich verteilt. | |
„Ich bin arm“, sagt der Tuk-Tuk-Fahrer in Phnom Penh, der am Tag rund | |
sieben Dollar verdient. Den Löwenanteil gibt er für die Schulbildung seiner | |
Tochter aus. „Die soll es mal besser haben.“ | |
## Opposition siegt in mehr als einem Viertel der Kommunen | |
Laut dem inoffiziellen Wahlergebnis war die oppositionelle CNRP in 482 der | |
1.642 Kommunen siegreich. Das ist ein gewaltiger Erfolg. Bei der letzten | |
Kommunalwahl 2012 konnte die Opposition, die damals noch aus der | |
Sam-Rainsy-Partei und der Menschenrechtspartei bestand, gerade mal 40 | |
Kommunen für sich verbuchen. | |
Damit beherrschft die CPP künftig nicht mehr 97 Prozent der Kommunen, | |
sondern nur noch 70 Prozent. Die Kommunalwahl war mit einer hohen | |
Wahlbeteiligung von rund 85 Prozent nach Ansicht von unabhängigen | |
Wahlbeobachtern ziemlich reibungslos und einigermaßen fair verlaufen. | |
Größter Kritikpunkt sind die Horden von Soldaten in Zivil, die plötzlich in | |
Wahlkreisen abstimmten, in denen CPP und CNRP fast gleichstark waren. | |
Das amtliche Wahlergebnis, das erst Ende Juni feststehen wird, ist | |
ambivalent. „Keine der beiden Seiten kann behaupten, die Oberhand gewonnen | |
zu haben“, sagt der politische Analyst Ou Virak in Phnom Penh in einer | |
E-Mail an die taz. | |
Die CNRP habe zwar prozentual ungefähr ihr Ergebnis der Parlamentswahl von | |
2013 halten können, aber der „Schwung von damals ist anscheinend ins | |
Stocken geraten“. Die CPP, so Ou Virak, sei „sicher erleichtert, dass ihr | |
Ergebnis nicht peinlicher ausgefallen ist, obwohl sie über das stärkere | |
landesweite Netzwerk verfügt und fast alle Kommunen kontrolliert hat“. | |
2013 schrammte die CPP knapp an der Niederlage vorbei, nach Ansicht vieler | |
nur durch Wahlmanipulation. Mit Zuckerbrot, Milliarden aus China und | |
Peitsche versucht Hun Sen seitdem, seinem Regime und Netzwerk, das | |
Kambodschas Ressourcen ausplündert, die Macht zu sichern. | |
## Hun Sens Kriegsrhetorik verfängt nicht | |
Dazu gehören Drohungen wie diese: „Die Kambodschanische Volkspartei muss | |
Wahlen gewinnen, und zwar jede Wahl … Es wird Krieg geben, wenn die CPP | |
nicht mehr das Land kontrolliert.“ | |
Aber die Kriegsrhetorik hat nicht verfangen. „Die Zeiten sind vorbei, in | |
denen sich Hun Sen als Garant von Frieden und Stabilität präsentieren | |
konnte“, sagt Ali al-Nasani, Büroleiter der der Heinrich-Böll-Stiftung | |
telefonisch aus Phnom Penh. „Die junge Generation ist für dieses Argument | |
nicht mehr empfänglich.“ | |
Bis zur Parlamentswahl im Juli 2018 kann noch viel passieren. Wird Hun Sen | |
weiterhin Kritiker und Oppositionspolitiker mithilfe einer willfährigen | |
Justiz ins Gefängnis stecken? Oder wird er der Versuchung erliegen, mittels | |
des neuen Parteiengesetzes die CNRP aufzulösen? | |
Das würde aber wahrscheinlich das Volk auf den Plan rufen, wie 2013, als | |
nach der Parlamentswahl Hunderttausende gegen den Wahlbetrug auf die Straße | |
gingen. Al-Nasani sagt: „2018 ist noch völlig offen. Das Land ist aber auf | |
einem guten Weg. Die Wähler sind mündiger geworden und die CPP kann sich | |
nicht mehr darauf verlassen, dass sie automatisch gewählt wird.“ | |
6 Jun 2017 | |
## AUTOREN | |
Michael Lenz | |
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