# taz.de -- Mord an Regimekritiker in Kambodscha: Keine Zukunft à la Birma | |
> Tausende Kambodschaner trauern um Kem Ley – Idol der Meinungsfreiheit. | |
> Premier Hun Sen verwandelt das Land mehr und mehr in eine Diktatur. | |
Bild: Kem-Ley-Trauerzug in Kambodschas Hauptstadt Phnom Penh | |
PHNOM PENH taz | Tausende Kambodschaner haben am Montag in Phnom Penh dem | |
ermordeten [1][Regimekritiker Kem Ley das letzte Geleit gegeben]. Der mit | |
Blumen bestreute Leichnam des Journalisten und Bloggers war in die | |
kambodschanische und eine buddhistische Fahne gehüllt. Kem Ley war | |
Sonntagmorgen zum Frühstück in das Café einer Tankstelle im Bezirk Chamkar | |
Mon gegangen, wo ein Mann den 46-jährigen vor den Augen seiner schwangeren | |
Ehefrau niederschoss. | |
Die Nachricht von dem Mord verbreitete sich wie ein Lauffeuer in Phnom | |
Penh. Die Tankstelle wurde zum Pilgerort für all jene Kambodschaner, die | |
wie ihr Idol Kem Ley „eine neue Ära der sauberen Politik“ herbeisehnen. | |
„Der Mord an dem unabhängigen Analysten Dr. Kem Ley spiegelt eindeutig die | |
riesige Bedrohung der Meinungsfreiheit in Kambodscha wider“, heißt es in | |
einer gemeinsamen Stellungnahme neun kambodschanischer | |
Bürgerrechtsorganisationen. | |
Während des über 30-jährigen Regimes von Ministerpräsident Hun Sen sind | |
schon viele Bürgerrechtler, Gewerkschafter und Umweltaktivisten Opfer | |
politischer Attentate geworden. Meist wurden die Täter nie gefasst. Jetzt | |
wurde kurz nach der Tat ein Verdächtiger verhaftet. | |
Indes das nahe Birma (Myanmar) den Übergang von der Diktatur zur Demokratie | |
wagt, marschiert Kambodscha in entgegengesetzte Richtung. Nach allen Regeln | |
der Diktatorenkunst unterdrückt Hun Sen jegliche Opposition. So wertet er | |
die „Schwarzer Montag“ genannten wöchentlichen Proteste gegen sein Regime | |
als „Akte der Rebellion“. Ihm wird dabei nicht die Ironie entgangen sein, | |
dass Kem Ley ausgerechnet am 10. „Schwarzen Montag“ beigesetzt wurde. | |
Künftige Montagsdemos werden jetzt auch Gedenkveranstaltungen für den | |
Märtyrer Kem Ley. | |
## Verfolgte Oppositionelle, inhaftierte Aktivisten | |
Oppositionsführer Sam Rainsy, Chef der Nationalen kambodschanischen | |
Rettungspartei (CNRP), flüchtete letzten Herbst ins Pariser Exil. In Phnom | |
Penh droht ihm wegen einer Verleumdungsklage Haft. Jetzt ist die Polizei | |
auch hinter Khem Sokha her. Dem amtierenden CRNP-Vorsitzenden soll der | |
Prozess wegen einer sexuellen Beziehung zu einer Friseurin gemacht werden. | |
Am 15. Juni weigerte er sich erneut vor Gericht zu erscheinen. Zum Schutz | |
vor seiner Festnahme versammelten sich hunderte CNRP-Anhänger vor der | |
Parteizentrale in Phnom Penh, wo sich Sokha seit Wochen verschanzt hat. | |
Einen Tag zuvor verweigerte ein Gericht fünf inhaftierten Mitarbeitern der | |
Bürgerrechtsorganisation Adhoc die Freilassung auf Kaution. Sie waren im | |
Mai vor Ankunft einer EU-Delegation zu einem routinemäßigen Dialog mit der | |
Regierung von Hun Sen über Politik, Wirtschaft und Menschenrechte verhaftet | |
worden, weil sie der Friseurin Geld für ihr Schweigen über die Affäre mit | |
Khem Sokha geboten haben sollen. | |
Bei der Parlamentswahl 2013 waren Hun Sen und seine Volkspartei (CPP) | |
haarscharf am Machtverlust vorbeigeschrammt. Die CRNP boykottierte das | |
Parlament, bis sich Hun Sen und Sam Rainsy 2014 auf Reformen einigten. Der | |
Burgfrieden währte nicht lange. Seit Juli 2015 wurden mindestens 17 | |
Mitglieder und Abgeordnete der CNRP vor Gericht gestellt. | |
Nächstes Jahr stehen Kommunal- und 2018 Parlamentswahlen an. Eine erneute | |
Wahlpleite will Hun Sen mit allen Mitteln verhindern. „Wir hören das Wort | |
Protest. Bitte droht mir nicht auf diese Weise . . . Ich werde das nicht | |
tolerieren“, warnte er seine Kritiker. Der Mann meint das ernst, wie neue | |
Gesetze zur Einschränkung der Rechte von Gewerkschaften und | |
Nichtregierungsorganisationen zeigen. Die Warnung „Ich kann auch anders“ | |
richtete Hun Sen mit einem Loblied auf seinen neuen Geldgeber China auch an | |
die Kritiker seines Regimes in der EU, den USA und der UNO. „China hat uns | |
niemals in einer solchen Weise gedroht“, sagt Hun Sen. „China sagt uns auch | |
nicht, tut dies oder jenes.“ | |
Unter den Kambodschanern schwindet die Hoffnung auf eine Zukunft à la | |
Birma. Der Manager Heng Hor hat seine 14 Monate alten Zwillinge Tony und | |
Alexander getauft. „Sie sollen später in den USA leben. Mit solchen Namen | |
haben sie es dort einfacher.“ | |
11 Jul 2016 | |
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## AUTOREN | |
Michael Lenz | |
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