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# taz.de -- Überwachung beim Shoppen: Kuckuck! Hier oben!
> In einigen Real-Supermärkten analysieren Kameras die Gesichter der Kunden
> in der Warteschlange. Und jetzt regen wir uns auf – oder was?
Bild: Patrick Müller-Sarmiento, Geschäftsführer von „real“, kann sich ü…
Ein bisschen ärgerlich ist es schon. Man kann ja nirgendwohin mit seinem
Gesicht, wenn man an der Supermarktkasse steht und eben auf einen
Bildschirm guckt, der einen dann auch noch mit Werbung belatschert. In 40
Testsupermärkten der Kette „Real“ wird in dieser Zeit genau dieses Gesicht
analysiert: Geschlecht, geschätztes Alter, Dauer des Starrens auf den
Werbebildschirm – all das wird seit vergangenen Herbst erfasst. Um
zielgruppenorientiertere Werbung anzuzeigen.
Berichte darüber plus die reflexhafte Kritik von Datenschützern haben
offensichtlich ausreichend Gegenwind erzeugt, um die
Unternehmenskommunikation von Real ein wenig nervös zu machen. „Real lässt
Gesichter von Kunden analysieren“, [1][betitelte Spiegel Online] einen
entsprechenden Bericht am Montagabend – eine Überschrift, die ein
Real-Pressesprecher gegenüber der taz als „missverständlich“ bezeichnete:
Neinnein, nicht Real selbst tue dies, man stelle einer Firma aus Augsburg
lediglich die Möglichkeit zur Verfügung, eine Blickkontakterfassung von
Werbebildschirmen im Kassenbereich zu testen. Automatisiert. Anonym.
Verschlüsselte Übertragung. Kein Recht am eigenen Bild werde verletzt,
keine personenbezogenen Daten erhoben. Die Kunden seien via eine gut
sichtbare Hinweisbeschilderung „Dieser Markt wird videoüberwacht“
informiert.
Inwiefern es besser ist, wenn nicht der Real-Konzern selbst die Gesichter
seiner Kunden analysiert, sondern er dies in seinen eigenen Läden einem
dritten Konzern erlaubt, das weiß wohl nur die Unternehmenskommunikation
selbst.
Nun ist Real nicht der erste Konzern, der seine Kunden mit einem derartigen
Service beglückt: das [2][Onlineportal heise.de berichtete] bereits im
April, dass auch die Deutsche Post derartige Technologie testet – in
Partnershops, die nebenbei einen Postschalter betreiben.
Auch hier sollen Kunden auf Basis von Gesichtsanalysen zu Geschlecht und
Alter besser zugeschnittene Werbeclips vorgespielt bekommen. Was die Post
davon hat? Laut heise.de teilt sie sich die Werbeeinnahmen mit dem
Partnershop. Und der Kunde? Ja, äh … interessantere Werbung vielleicht?
## Fast wie Nutzertracking
Die Logik hinter dieser Gesichtserkennung ähnelt ein wenig dem
Nutzertracking, das bei der Onlinewerbung längst schon die entscheidende
Währung ist. Google und andere Werbenetzwerke spielen Besuchern von
Webseiten die Werbung aus, die ihnen als besonders zielgruppenrelevant
erscheint – auf Basis aller Infos, die sie zuvor über Kunden gehamstert
haben. Nur: Während Online-User fürs Stalking via Cookies und
Co/Getracktwerden meist zumindest eine kostenlose Gegenleistung erhalten,
wird Post- und Real-Kunden gar kein Vorteil mehr zuteil: sie werden einfach
in aller Ruhe abgescannt, während sie Schlange stehen. Wem das nicht passt,
der kann ja woanders Klopapier und Briefmarken kaufen.
Gesichtserkennung im öffentlichen Raum versuchen Innenpolitiker und
Sicherheitsbehörden den Bürgern ja wenigstens noch mit dem Versprechen
besserer Verbrechensbekämpfung und -aufklärung schmackhaft zu machen: Wenn
wir nur wissen, wer alles so auf einem Bahnhof oder Flughafen herumläuft,
können wir potenzelle Straftäter oder jene, die ein Algorithmus dafür hält,
besser dingfest machen. Dass sich in diesem Zuge alle anderen auch nicht
mehr unerkannt im öffentlichen Raum bewegen können – geschenkt.
Gesichtserkennungs-Pilotversuche laufen längst: ab Herbst etwa am Berliner
Bahnhof Südkreuz. Wie gut die entsprechende Technologie dafür bereits ist,
weiß jeder, der auf seinem Smartphone schon mal Faces geswoppt oder den
Bildschirm über biometrische Verfahren entsperrt hat.
Längst existieren Anwendungen, die am Gesichtsausdruck die Laune des
Bildschirmguckers erkennen können. Beobachter wie die Internetsoziologin
Zeynep Tufekci glauben, dadurch könnte es ökonomisch noch mal richtig
interessant werden – indem man mitschneidet, wer so gut drauf ist, dass er
noch ein paar Euro mehr für ein Produkt auf den Tisch legt. Was dann
wahrscheinlich endgültig hieße, dass man sich ohne Hoodie und
kameraverwirrendes Make-up nicht mal mehr in den Supermarkt trauen sollte.
31 May 2017
## LINKS
[1] http://www.spiegel.de/wirtschaft/unternehmen/gesichtsanalyse-haendler-teste…
[2] https://www.heise.de/newsticker/meldung/Fuer-gezielte-Werbung-Deutsche-Post…
## AUTOREN
Meike Laaff
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