Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Wasserumleitungen in Spanien: Der Tajo wird ausgeplündert
> Der Fluss dümpelt vor sich hin und veralgt zusehends. Denn für die Bauern
> lassen die Behörden Wasser aus den Stauseen am Oberlauf abzapfen.
Bild: Das Wasser aus dem Entrepeñas-Stausee wird umgeleitet in die Region Mur…
Madrid taz | Mahnwachen auf einer Brücke in Toledo, ein Autokorso in den
Bergen nordöstlich von Madrid, ein Protestschreiben mehrerer Dutzend
Bürgermeister an die spanische Regierung – die Anrainer des Tajos machen
mobil. Der längste Fluss der Iberischen Halbinsel ist von Wassermangel
bedroht. Nicht etwa, weil es zu wenig geregnet hätte, sondern weil die
Behörden Misswirtschaft mit dem Fluss betreiben.
Mittels Pipelines und Kanälen wird das Wasser aus den beiden Stauseen
Entrepeñas und Buendía am Oberlauf des Tajos, 100 Kilometer nordöstlich von
Madrid, in den Fluss Segura gepumpt. Dieser fließt in die Mittelmeerregion
Murcia, wo riesige Felder mit Zitrusfrüchten und Gewächshäuser mit Gemüse
für ganz Europa bewässert werden.
Der Mittellauf des Tajos dagegen führt immer weniger Wasser, die Algen
nehmen überhand. Im madrilenischen Aranjuez oder in Toledo und Talavera de
la Reina in der Region Castilla-La Mancha gehören tote Fische am Ufer
längst zum gewohnten Bild.
„Der Tajo wird ausgeplündert. Das gefährdet die Zukunft der Gemeinde
entlang des Flusses“, beschwert sich die Bürgermeisterin Toledos, Milagros
Tolón. Toledo ist Weltkulturerbe und lebt vom Tourismus, ein veralgter Tajo
ist keine gute Werbung.
Zweiundzwanzigmal wurde in den vergangenen zwei Jahren Wasser aus
Zentralspanien nach Murcia überführt. Am 8. Mai genehmigte die spanische
Regierung die letzte Charge. 7,5 Kubikhektometer waren es. Zurück bleiben
zwei fast leere Stauseen. Entrepeñas hat noch 16 Prozent der Gesamtmenge,
Buendía 14 Prozent. Mit dem Sommertourismus in der Region ist es vorbei:
Die Gemeinden rund um die beiden Wasserreservoirs müssen diesen Sommer wohl
mit Trinkwasser aus Tanklastern versorgt werden. Denn in den Stauseen
bleibt großteils Schlamm zurück.
## Die Landwirtschaft in Murcia expandiert
„Das Problem geht einzig und alleine auf die Bewässerungslandwirtschaft
zurück“, erklärt Rosa Prieto, Sprecherin der Bürgerinitiative Lebendiger
Fluss Tajo. Ein Blick auf die Statistik zeigt: Mit nur 15 Prozent dessen,
was die Region Murcia an eigenem Wasser hat, ließe sich die Bevölkerung mit
Trinkwasser versorgen. Der restliche Verbrauch sei der Landwirtschaft
zuzuschreiben, sagt Prieto.
Der insgesamt 286 Kilometer lange Kanal zur Überführung des Wassers vom
Tajo in den Segura stammt aus den 1970er Jahren. Die Landwirte in Murcia
haben seither stets expandiert. Denn die Preise ihrer Produkte sind immer
weiter gesunken. Dadurch benötigen die Bauern mehr Fläche, um vom Obst und
Gemüse leben zu können. Gleichzeitig sind die Niederschläge zurückgegangen.
Die Zentralregierung in Madrid, das ebenso wie die Murcias in Händen der
konservativen Partido Popular (PP) ist, hat 2014 neue Richtlinien zu dem
Gewässer festgelegt. Statt wie bis dahin vorgesehene 15 Kubikmeter pro
Sekunde in Talavera de la Reina fließen jetzt nur noch 10 Kubikmeter den
Tajo hinab. Das ist für einen gesunden, lebendigen Fluss nicht genug.
## Abwasser fließt in den Tajo
Je weniger sauberes Wasser vom Oberlauf kommt, um so stärker verschmutzt
der Tajo. Die Region Madrid mit ihren sechs Millionen Einwohnern liegt an
mehreren Nebenflüssen. Trotz Kläranlagen belasten die Abwasser der Region
den Tajo stark. Außerdem bekommt Madrid immer weniger Trinkwasser vom
Oberlauf des Tajos. Stattdessen greifen die Wasserwerke auf den Alberche
zurück, der dadurch beim südwestlich von Madrid gelegenen Talavera fast
leer in den Tajo mündet.
„Es gibt keine objektiven Gründe für dieses Vorgehen“, beschwert sich der
Sprecher des Landwirtschaftsverbands von Castilla-La Mancha, José María
Fresneda. Die Landwirte rund um den Mittellauf des Tajos fordern seit
Jahren vergebens, dass das Wasser in der Region bleibt und dort die
Landwirtschaft ausgebaut wird – statt in Murcia.
Landwirte und Umweltschützer entlang des Tajos propagieren eine „neue
Wasserkultur“. „Die Entwicklung einer Region muss mit dem gemacht werden,
was die Region an Ressourcen hat“, erklärt Prieto.
29 May 2017
## AUTOREN
Reiner Wandler
## TAGS
Spanien
Landwirtschaft
Madrid
Toilette
Wassermangel
Tourismus
Reiseland Spanien
## ARTIKEL ZUM THEMA
„Toilettenvertrag“ sorgt für Wirbel: Berlin kackt daneben
Dem bisherigen Betreiber der öffentlichen Toiletten hat der Senat den
Vertrag nicht verlängert und sich viel Kritik eingehandelt. Jetzt stellt er
sein neues Konzept vor.
Trockenheit in Schweden: Wassermangel im Wasserland
Schweden erlebt eine schwere Wasserkrise. Im Süden soll die Bevölkerung nur
noch 30 Sekunden lang duschen. Im Norden herrscht Überfluss.
Touristische Nutzung von Nationalparks: Spaniens neue Spaßoasen
Ein neues Gesetz gibt Reiseunternehmen mehr Freiheiten in spanischen
Naturparks. Gesperrte Wasserbereiche dürfen nun mit Booten befahren werden.
Fernglas nicht vergessen: Unter Ornithologen
Ein Ausflug mit Vogelbeobachtern in die fast menschenleere spanische
Extremadura. Die Vogelwelt dort ist intakt. Hier gibt es Lebensraum für
Arten, die in anderen Regionen Europas schon fast oder ganz ausgestorben
sind
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.