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# taz.de -- Die Wahrheit: Ersatzklageweiber
> Öffentliche Flennerei, wenn ein Promi stirbt, ist der reinste Narzissmus.
> Die tote Person ist den Jammerlappen dabei unwichtig.​
Clyde Stubblefield ist tot. Diese Nachricht taugt freilich nicht als
Auslöser für eine Massentrauer. Er war der Drummer von James Brown und ist
im Frühjahr im Alter von 73 Jahren gestorben. Berühmt geworden ist er durch
sein Solo auf Browns Stück „Funky Drummer“, das später in mehr als tausend
Songs eingebaut wurde, unter anderem von Prince und George Michael. Die
sind voriges Jahr gestorben. Im Gegensatz zu Stubblefield wurden beide
jedoch millionenfach im Internet beweint. Donald Trump twitterte damals:
„Ich habe Prince oft getroffen. Er hatte erstaunliches Talent und war ein
wunderbarer Typ. Er wird schmerzlich vermisst!“
Natürlich kann man traurig sein über den Tod seines Lieblingsmusikers, der
sich mit Pillen vollgestopft hatte und mit 57 verstarb, aber ein
„entsetzliches Gefühl der Leere“, wie viele Fans bekundeten? Diese
öffentliche Flennerei ist der reinste Narzissmus, der tote Musiker ist
dabei unwichtig.
Im Januar hatte sich der Todestag von David Bowie gejährt, und wieder
setzte das virtuelle Gejammer ein. Man kann Bowies Musik mögen oder (wie
ich) nicht. Aber Bowie war ein Wirrkopf, der eine Weile dem Okkultismus
anhing, Pentagramme an Wände schmierte, die Partnerinnen seiner
Bandmitglieder aus dem Studio verbannte, weil er sie für Hexen hielt, und
seine Fans beschuldigte, dass sie ihm sein Sperma klauen wollten, um damit
den Antichristen zu zeugen. Später war er vorübergehend Nazi, der
faschistische Memorabilia sammelte und rückblickend erklärte, dass ihm die
Sache „mit den Juden in Konzentrationslagern und die Unterdrückung
verschiedener Rassen“ damals entgangen sei.
Der Komiker Heydon Prowse und die Journalistin Camilla Long reagierten
angemessen auf die Kollektivtrauer. Prowse stellte ein Bild von Sting auf
Facebook und schrieb darunter: „Am Boden zerstört, weil mein guter Freund
David Bowie gestorben ist.“
Und Long schrieb in der Sunday Times an heulende Bowie-Fans: „FUCK YOU! Du
bist nicht zehn, du bist ein Erwachsener. Reiß dich zusammen und sag
irgendetwas Interessantes.“ Dafür wurde sie als Trauerpolizistin
beschimpft.
In Irland und Schottland gab es früher „Keeners“, die analog trauerten.
Meist waren es Frauen, die über den Särgen einen Klagegesang anstimmten.
Manchmal heuerten die Angehörigen Keeners an, wenn die eigene Familie durch
Auswanderung dezimiert war. Aber diese Keeners wurden dafür bezahlt,
während die Facebook-Heulsusen es aus freien Stücken tun. Viele sind
Wiederholungstrauerer, die bei jedem toten Promi die Fassung verlieren.
Was machen sie, wenn ihnen ein wirklich nahestehender Mensch wegstirbt? Sie
setzen einen Tweet ab, glaubt der Londoner Galerist Alex Proud: „Am Boden
zerstört wegen Mutti, im Himmel mit #prince.“ Proud warnt, dass es
furchtbar viele Prominente im Pensionsalter gebe, und sie alle werden
irgendwann sterben. Deshalb rät er: „Als Nation benötigen wir dringend
emotionale Inkontinenzhosen.“
15 May 2017
## AUTOREN
Ralf Sotscheck
## TAGS
Tod
Trauer
David Bowie
Musikmarkt
U2
Irland
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Schokolade
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