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# taz.de -- Die Wahrheit: Premierminister mit Luftgitarre
> Fast jedes Kaff auf der Insel veranstaltet irgendein Großereignis: Die
> schreckliche Zeit der Musikfestivals hat in Irland begonnen.
Es ist wieder soweit: Die schreckliche Zeit der Musikfestivals hat in
Irland begonnen. Fast jedes Kaff auf der Insel veranstaltet irgendein
Großereignis, damit die lokalen Geschäfte mit den Einnahmen über den Winter
kommen. Das geht jetzt bis September, wenn der Höhepunkt mit dem „Electric
Picnic“ auf einer Wiese in der langweiligen Grafschaft Laois erreicht wird.
Meistens regnet es am Picnic-Wochenende, aber seit dem Festival in
Woodstock, von dem die heutigen Kids lediglich den Film kennen, gilt es als
lustig, sich im Schlamm zu wälzen. Der Unterschied ist, dass man sich
damals damit begnügte. Heutzutage wird die Sache mit dem Handy aufgenommen
und flugs in den sozialen Medien verbreitet, weil man schließlich belegen
muss, dass man dort war.
„Ein Festival zelebriert die vorübergehende Befreiung von der etablierten
Ordnung“, schreibt der Autor George McKay. „Hierarchie, Rang, Privilegien,
Normen und Beschränkungen sind außer Kraft gesetzt.“ Früher vielleicht. Bei
den Festivals in Irland in den Achtzigerjahren tranken alle warmes
Lagerbier und aßen Gammelfleischburger. Heute gibt es organische
Straußenburger mit wildem Knoblauch und Balsamico.
Umweltbewusst ist man natürlich auch. Während früher die Festivalwiese in
eine Mülldeponie umgewidmet wurde, nachdem der letzte Akkord verklungen
war, gibt es nun Stände mit dem Transparent „Rettet die Umwelt“. Die Retter
tragen Blumenkränze aus Plastik auf dem Kopf und verkaufen Knicklichter.
Man übernachtet auch nicht mehr in zerschlissenen Zelten, sondern die
Veranstalter offerieren Jurten, Tipis, Glockenzelte, Podpads mit
Luftmatratzen, frisch gebügelten Laken, Daunenbettdecken und
Solarbeleuchtung – und das schon für einen Monatslohn. Für angeblich
Prominente, die niemand kennt, weil sich wirklich Prominente nicht auf
solchen Festivals sehen lassen, es sei denn auf der Bühne, gibt es
jämmerliche „VIP lounges“.
Wenn man dann doch einen VIP erspäht, hat er nichts zu Lachen. Der
designierte Expremier Enda Kenny zog in den sozialen Medien den Spott auf
sich, weil er als 65-jähriges Landei bei einem Bruce-Springsteen-Konzert
Luftgitarre gespielt hatte. In diesem Fall muss Kenny ausnahmsweise
verteidigt werden: Er hat nur das getan, was die halbe Nation ebenfalls
tut. Außerdem ist er jünger als Springsteen.
Brian Boyd schrieb in der Irish Times, dass er einmal das Glück hatte, beim
berühmten Coachella-Festival in der kalifornischen Wüste dabei gewesen zu
sein: „Man sagt über Coachella, es hole einen Reigen exzellenter Musiker in
die Wüste, die von den anwesenden privilegierten Gören völlig ignoriert
werden, weil die stattdessen über sich selbst twittern.“
Boyd rät denjenigen, die hinter altmodischem „Sex and Drugs and Rock ’n’
Roll“ her sind, die Musikfestivals auszulassen und stattdessen auf das
wichtigste Ereignis im bäuerlichen Kalender mit einer Viertelmillion
Zuschauern zu warten: die nationalen Pflugmeisterschaften im Herbst.
12 Jun 2017
## AUTOREN
Ralf Sotscheck
## TAGS
Musikmarkt
Popfestival
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Tod
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