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# taz.de -- Die Wahrheit: Die Schlange vor dem Loch
> Manchmal kann Geldabheben am Automaten ein kniffliger Akt sein – und das
> genau 50 Jahre nach Einführung des ersten Bankautomaten.
Eigentlich müsste es schnell gehen, dachte ich: Am Geldautomaten der Bank
of Ireland in Dublin standen nur drei Menschen an. Doch manchmal kommt es
anders. Der ältere Herr starrte verzweifelt auf den scheinbar leeren
Bildschirm, bis ihm die nette Frau, die an dritter Stelle in der Schlange
stand, ihre Brille lieh. Aus lauter Dankbarkeit wollte der Mann sie
vorlassen, aber die Nummer zwei in der Schlange, eine französische
Touristin, erhob Einspruch.
So entwickelte sich ein nettes Gespräch zwischen den drei potenziellen
Geldziehern. Ich versuchte, das auszunutzen und schlich mich von hinten an
den Automaten an. Leider wurde ich bemerkt. Nun fiel den anderen wieder der
eigentliche Grund für ihr Schlangestehen ein. Es gelang dem älteren Herrn
mit Hilfe der netten Dame, dem Gerät 50 Euro zu entlocken.
Nun war die Französin dran. „Mon dieu“, seufzte sie und drehte sich
hilfesuchend um. Auf dem Bildschirm stand: „Uimhir aitheantais phéarsanta.“
Sie müsse ihre Geheimzahl eingeben, erklärte ihr die nette Frau und fragte,
warum sie denn auf die Taste „Irisch“ gedrückt habe, obwohl sie kein Wort
verstand? „Ich dachte, man müsse den Standort auswählen“, antwortete die
Französin. „Wir sind doch hier in Irland?“
Nachdem sie ihre Geheimzahl eingegeben hatte, erschien auf dem Bildschirm
die Aufforderung, die Art der Dienstleistung zu wählen: „Roghnaigh le do
thoil.“ Die Französin brach den Vorgang entnervt ab und versuchte es
erneut, diesmal in Englisch. Das funktionierte, und sie pries die
segensreiche Einrichtung, die einem auch nach Schalterschluss das
Abendvergnügen rettete.
Diese Einrichtung hatte vorigen Dienstag ihren 50. Geburtstag. Der erste
Geldautomat wurde am 27. Juni 1967 in Enfield im Norden Londons
aufgestellt. Ein John Shepherd-Barron hatte das Gerät erfunden, der
Schauspieler Reg Varney war der erste, der es vor einer jubelnden
Zuschauermenge benutzte.
Um an das Geld zu kommen, musste man allerdings einige Hürden überwinden,
denn damals gab es noch keine kleinen Plastikkärtchen. Stattdessen musste
man sich von seiner Bank rechtzeitig eine Art Gutschein besorgen, den man
unterschrieb und in den Geldautomaten schob. Danach fragte die Maschine
nach dem sechsstelligen Code des Kunden und rückte im Idealfall zehn Pfund
heraus. Das war damals eine Menge Geld, das Pfund war vor 50 Jahren 11,11
Mark wert. Heute sind es noch 2,22 Euro, und mit jedem Schritt Richtung
Brexit werden es weniger.
In Irland tauchte der erste Geldautomat erst im Jahr 1980 auf. Man nennt
die Dinger „Hole in the Wall“, doch dieses Loch wünschte ich jetzt der
netten Frau in den Kopf. Sie war nämlich gar nicht nett. Sie wollte nicht
nur sich für den Abend finanziell wappnen, sondern offenbar auch sämtliche
Kolleginnen und Kollegen. Zu diesem Zweck hatte sie mindestens sechs Karten
dabei. Als ich endlich dran kam, waren der Maschine die großen Scheine
ausgegangen. Meine 500 Euro bekam ich in Fünf-Euro-Scheinen.
3 Jul 2017
## AUTOREN
Ralf Sotscheck
## TAGS
Irland
Banken
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Verlagswesen
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Musikmarkt
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