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# taz.de -- Die Wahrheit: Eimerweise verschwendete Pisse
> Das Leben irischer Abgeordneter ist kein Zuckerschlecken, Politiker aller
> Fraktionen kämpfen mit gravierenden Luxusproblemen.
Bild: McDonald (Mitte) gibt sich Mühe: Bei der Beerdigung des IRA-Chefs Joe Ca…
Das hatte sie sich anders vorgestellt. Elisha McCallion, die Kandidatin der
nordirischen Sinn Féin, ist vorvergangene Woche zum ersten Mal ins
britische Unterhaus gewählt worden. Doch aus dem erhofften Leben im Luxus
ist nichts geworden. Man hat sie in London im Craven Hotel untergebracht,
einem einfachen viktorianischen Stadthaus am Hyde Park. Das Zimmer kostet
rund 100 Pfund pro Nacht, aber das geht ja auf Spesen.
„Lasst euch nicht weismachen, dass das Leben einer Sinn-Féin-Abgeordneten
verschwenderisch sei“, schrieb die 36-Jährige auf Facebook. „Ich habe in
meinem ganzen Leben in keinem kleineren Hotelzimmer übernachtet, sogar mein
Badezimmer zu Hause ist größer.“ Die Loyalisten von der Democratic Unionist
Party (DUP), die gerade einen Deal mit den Tories aushecken, waren
entzückt.
„Wie peinlich“, schnaubte Gary Middleton, der bei der Unterhauswahl gegen
McCallion verloren hatte. „Während wir versuchen, das Beste für das
Vereinigte Königreich herauszuholen, regen die sich über die Größe ihrer
Unterkunft auf.“ Das Beste fürs Königreich? Vermutlich ein Versprecher. Er
meinte „das Beste für die DUP“. Die lässt sich von May gerade alles
Mögliche garantieren.
McCallion und Sinn Féin können nicht mitreden, weil die Abgeordneten ihre
Unterhaussitze noch nie eingenommen haben, um keinen Eid auf die Queen
ablegen zu müssen. Für May ist das ein kleiner Trost, denn sonst wäre ihre
Lage noch prekärer. Was hat McCallion dann in London zu suchen? Die
Sinn-Féin-Abgeordneten reisen jeden Woche in die britische Hauptstadt, um
„unser Programm für die irische Einheit zu propagieren“, sagte ein
Sprecher.
Für die DUP war McCallions Beschwerde über ihr Winzzimmer ein „Pee Flynn
Moment“. Der Urheber dieses Begriffs, der in den irischen Sprachgebrauch
eingegangen ist, war Padraig Flynn, genannt Pee (zu deutsch: Pisse), damals
EU-Kommissar für Arbeit und Soziales. In einem Gespräch in einer Talkshow
erklärte, dass er für den Job 140.000 Pfund im Jahr bekomme. Dann zerfloss
er in Selbstmitleid: Die Zuschauer könnten sich gar nicht vorstellen, was
der Unterhalt seiner Häuser in Brüssel, Dublin und in seinem Heimatort
Castlebar koste. Und das ganze Personal! Weil dann noch herauskam, dass er
eine Spende in Höhe von 50.000 Pfund, die eigentlich für seine Partei
gedacht war, selbst eingesteckt hatte, war Pisse im Eimer.
Übrigens, liebe Leserinnen und Leser: Lassen Sie sich nicht weismachen,
dass das Leben eines taz-Korrespondenten verschwenderisch sei. Ich habe in
London in einer Pension übernachtet, die aus fünf Reihenhäusern mit
Mauerdurchbrüchen bestand. Der Eingang war rechts, mein Zimmer, das noch
kleiner als McCallions war, lag im linken Haus. Ich musste Stufen hinauf-
und hinabsteigen und mich durch verwinkelte Gänge zwängen. Hätte ich keine
Brotkrumen gestreut, würde ich heute noch durch die Pension irren. Die
Brotkrumen wurden mir bei der Spesenabrechnung nicht genehmigt.
19 Jun 2017
## AUTOREN
Ralf Sotscheck
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Irland
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