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# taz.de -- Kolumne Durch die Nacht: Trompeter für Obama
> Echt schräge Töne: Kaum eine Stadt in Europa ist so jazzig wie Berlin.
> Doch der Senat unterstützt die Initiative für ein „House of Jazz“ nicht.
Bild: Müht sich redlich um sein „House of Jazz“: Till Brönner
Kommt nach der Sache Chris Dercon nun der Fall Till Brönner? Es sieht fast
danach aus.
Gut, Chris Dercon wird trotz aller Widerstände doch noch neuer Intendant
der Volksbühne, aber Till Brönner scheint von Kultursenator Klaus Lederer
erfolgreich ausgebremst worden zu sein. Brönner sah sich unter dem
einstigen Kulturstaatssekretär Tim Renner noch auf dem besten Wege, in der
Alten Münze, ganz in der Nähe zum Roten Rathaus, sein „House of Jazz“
errichten zu dürfen, ein Multifunktionshaus, gewidmet allein dem Jazz. Und
nun sagt der Lederer: Nein, das wollen wir nicht. Obwohl der
Haushaltsausschuss des Bundestags für das Projekt bereits 12,5 Millionen
Euro bewilligt hat.
Lederer will weniger die kulturellen Leuchttürme fördern, dafür mehr die
Freie Szene, sagt er immer wieder.
Ich frage mich im Falle des Jazzhauses jedoch, ob dessen Darstellung als
weiterer Leuchtturm für Berlin der Sache gerecht wird. Denn der Jazz hätte
in Berlin genauso einen Leuchtturm verdient. Das sieht ein Großteil der
Jazzer, die in der Stadt leben, genauso.
Egal wen man fragt, arrivierte Größen wie Alexander von Schlippenbach oder
avantgardistische Improvisationsmusiker wie Olaf Rupp, sie alle sagen, auch
Berlin brauche einen zentralen Ort für den Jazz, so wie es Städte wie
Amsterdam und Kopenhagen längst haben.
Berlin ist ja längst Europas Jazzhauptstadt, nur kriegt das kaum jemand
mit. Und die Musiker klagen, dass die Fördertöpfe zu wenig für sie bereit
halten und die Gagen schlecht seien. So ein Engagement im großen Stil für
den Jazz, wie Till Brönners Projekt eines wäre, würde der Szene immerhin
signalisieren: Wir denken auch an euch.
In den Berliner Jazzzirkeln ist natürlich auch längst ein heftiger Streit
über das geplante Jazzhaus entbrannt. Ausgerechnet Till Brönner, dieser
gelackte Softtrompeter mit seinem Hitparadenjazz, der mal Jurymitglied bei
der Musik-Castingshow „X Factor“ war und in seinem Wikipedia-Eintrag als
Zweitwohnsitz neben Berlin-Charlottenburg Los Angeles stehen hat, soll
Berlins neuer Jazzpapst werden?
Und plötzlich hat jeder bessere Ideen als Brönner, wie man ein Jazzhaus
sinnvoll bespielen könnte. Ich denke, man tut dem Brönner da wirklich
unrecht. Den Wunsch nach einem Berliner Jazzzentrum mögen viele gehabt
haben, die Sache ernsthaft angegangen ist aber erst der Jazzstar.
Sein Leuchtturm-Name hat letztendlich gezogen beim Leuchtturmpolitiker Tim
Renner, und ohne Brönner würde heute niemand darüber reden, dass in Berlin
mal wieder so richtig etwas für den Jazz getan werden sollte.
Ehrlich gesagt glaube ich aber auch, dass Brönners Vorstellungen eines
Jazzhauses nicht ganz denen entsprechen würden, die für Berlin angemessen
wären. Die glamouröse Welt, in der sich der Trompeter bewegt, der sogar mal
von Obama ins Weiße Haus eingeladen wurde, hat dann doch zu wenig gemein
mit dem Alltag prekär lebender Berliner Musiker. Aber über Konzepte für das
Jazzhaus ließe sich sicherlich nochmals reden.
Inzwischen interessiert sich auch Weimar heftig für Brönners Projekt, das
Berlin nicht haben will. Dafür wird aus der Alten Münze dann nach der
Vorstellung Lederers etwas, das er als „Haus für die Basiskultur“
verstanden wissen will. Zumindest davon, wie man Dinge verkauft, könnte
Lederer von Brönner noch einiges lernen.
7 May 2017
## AUTOREN
Andreas Hartmann
## TAGS
Kolumne Durch die Nacht
Jazz
Berliner Nachtleben
Festival "Pop-Kultur"
Jazz
Clubszene
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