# taz.de -- Kolumne „Durch die Nacht“: Pop, Pop, Pop-Kultur | |
> Off-Kultur-Festival versus popkulturelles Großevent – und eine lernfähige | |
> Institution: das Musicboard Berlin. Wenn's in der Politik doch auch so | |
> wäre. | |
Bild: Poppt auch! | |
Als im letzten Jahr das mit Senatsgeldern finanzierte Festival Pop-Kultur | |
in angesagten Neuköllner Clubs stattfand, weil dort die Berliner Szene am | |
umtriebigsten sei, hat das nicht allen Neuköllnern gefallen. „Die hängen | |
sich einfach nur dran an unsere Subkultur“ und würden viel zu wenig | |
Berliner Musiker auftreten lassen, befanden ein paar Kritiker – und | |
erfanden kurzerhand ihr eigenes Festival, das das echte Szene-Neukölln | |
repräsentieren sollte und ließen dann natürlich auch jede Menge Berliner | |
Musiker auftreten. | |
Eine aufregende Sache war das. Mit viel Energie und Enthusiasmus und so gut | |
wie gar keinem Geld wurde da ein kleiner Kampf à la David gegen Goliath | |
ausgetragen. | |
Derartiges gab es in Berlin vielleicht zuletzt in den späten Sechzigern, | |
als aus Protest gegen die als zu piefig empfundenen Berliner Jazztage das | |
Total-Music-Meeting gegründet wurde, wo dann der Free Jazz zelebriert | |
wurde, der bei der Konkurrenz keinen Platz fand. | |
Das Total-Music-Meeting gibt es schon eine ganze Weile nicht mehr und wenn | |
nun vom 23. bis 25. August das Festival Pop-Kultur wieder stattfindet, wird | |
die Neuköllner Alternative zu dieser Stadtmarketing-Veranstaltung auch | |
nicht mehr stattfinden. Anton Teichmann, einer der Initiatoren des | |
Neuköllner Off-Kultur-Festivals, hatte bekannt gegeben, Kritik an dem | |
popkulturellen Großevent unter Schirmherrschaft des Berliner Musicboards | |
ließe sich immer noch genug finden. Aber man habe sich im letzten Jahr auch | |
ganz schön verausgabt und brauche jetzt erst mal eine Pause. | |
## Dieses Jahr in der Kulturbrauerei | |
Allerdings habe ich das Gefühl, die Macher von Pop-Kultur haben sich | |
einiges von der Kritik, die an sie herangetragen wurde, durchaus zu Herzen | |
genommen. Anstatt die coolen Läden in Neukölln mit großen Hurra aufmischen | |
zu wollen, geht es in dieses Jahr in die Kulturbrauerei in den | |
vergleichsweise beschaulichen Prenzlauer Berg. Also genau dorthin, wo es | |
zuletzt Anwohnerproteste wegen zu viel Remmidemmi auf dem Gelände gab. Da | |
sage noch jemand, die Pop-Kultur-Verantwortlichen würden es sich viel zu | |
einfach machen. | |
Angst, dass man dort im Kiez der Bioläden und Latte-Shops irgendwelches | |
subversives Underground-Potential absaugen könnte, muss auch niemand haben. | |
Und selbst ein nur oberflächlicher Blick auf das Programm lässt erkennen, | |
dass auch viel mehr Berliner Acts in diesem Jahr mit dabei sein werden. | |
Viel besser hätten es die Leute von Off-Kultur vielleicht selbst nicht | |
hinbekommen. | |
Eine Berliner Institution, das Musicboard, sagt also: Ja, auch wir sind | |
lernfähig. In der Politik im Allgemeinen und in der Kulturpolitik im | |
Besonderen ist das bekanntlich ein all zu seltener Vorgang. | |
Am besten aber finde ich, wie man bei Pop-Kultur den eigenen Kritikern nun | |
sogar kurzerhand ein eigenes Podium bietet. Es wirkt ein wenig wie ein | |
Veganer-Tag beim Treffen der fleischverarbeitenden Industrie, der ja | |
vielleicht sogar eine richtig gute Sache sein könnte, wenn auf einem Panel | |
im Rahmen des diesjährigen Pop-Kultur-Festivals nun tatsächlich diskutiert | |
wird: „Pop-Kultur – Brauchen wir das überhaupt?“ Und sich Katja Lucker, … | |
Chefin des Musicboards Berlin, persönlich den Kritikern ihres eigenen | |
Festivals stellen wird. | |
6 Aug 2017 | |
## AUTOREN | |
Andreas Hartmann | |
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