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# taz.de -- Zufriedenheit mit dem US-Präsidenten: Dreimal Thomas für Trump
> 100 Tage ist Donald Trump nun US-Präsident. Sind seine Wähler zufrieden
> mit dem, was er abliefert? Ein Besuch in West Virginia.
Bild: Thomas „Thomas II.“ Reynolds, Werkstattchef und Trump-Fan
BAKER taz | Bei „Triple T“ laufen die Geschäfte so gut wie nie. In der
kleinen Werkstatt an einer Biegung der alten State Road 55 am Ortsausgang
von Baker bekommt an diesem Vormittag ein schwarz-rot glänzender 1957er
Hudson-Straßenkreuzer einen Ersatzmotor und ein rostiger Pick-up eine neue
Anhängerkupplung. Auf dem Gelände bis zur nächsten Kuhweide stehen dutzende
Fahrzeuge herum, die bereits repariert, aber noch nicht abgeholt wurden.
Und im Büro klingelt alle paar Minuten das Telefon.
Früher hatte Thomas Reynolds, der Chef, jeden Tag zwischendurch Leerlauf.
Jetzt ist seine Werkstatt ständig ausgelastet. „Die Leute haben Vertrauen
in Trump“, sagt der 41-Jährige, „sie geben mehr Geld aus.“
Drei Generationen von Reynolds, von der jede einen neuen Thomas
hervorbringt, arbeiten in „Triple T“ zusammen. Wie viele andere Familien im
County haben auch sie ein zweites Standbein in der Landwirtschaft,
Schweine, Kühe, Bienen. Und sie wollen in die Hühnerzucht einsteigen. Die
Schweinswürste, die Marmeladen und die eingemachten Bohnen sind für den
Eigenbedarf. Der Honig ist für den Markt, genau wie die Brathühnchen und
das Kalbfleisch, die zu West Virginias wichtigsten landwirtschaftlichen
Produkten geworden sind.
Im vergangenen November haben die Reynolds für Donald Trump gestimmt wie
fast alle hier im Hardy County, 75,5 Prozent. Der Kontrast zwischen ihrem
Landkreis, wo das durchschnittliche Bruttojahreseinkommen eines Haushalts
bei 31.000 Dollar liegt, und dem Milliardär aus dem vergoldeten Hochhaus in
New York könnte kaum größer sein. Aber nachdem sie acht Jahre lang intensiv
Barack Obama gehasst hatten, übertrugen sie dieses Gefühl auf Hillary
Clinton und setzten alle Hoffnung in Trump. Von ihm erwarten sie neue Jobs,
Einfuhrzölle, eine Mauer an der Grenze zu Mexiko und massenhafte
Abschiebungen.
## Schuld sind die anderen
100 Tage nach Trumps Amtsantritt ist nichts davon gekommen. Zwar
unterschreibt der Präsident ein Dekret nach dem anderen, doch seine großen
Wahlversprechen konnte er bislang nicht umsetzen.
Doch dafür machen die Wähler in Hardy County nicht den Präsidenten
verantwortlich. „Der Kongress, die Demokraten und die Republikaner
blockieren ihn“, sagt Thomas Reynolds. Das Einzige, das er Trump wirklich
übel nimmt, sind dessen „kindische persönliche Vendettas“, die
Rachefeldzüge auf Twitter. Bei seinen eigenen drei Kindern und vier
Stiefkindern versucht der Automechaniker, so etwas abzuerziehen. Aber er
glaubt nicht, dass das bei einem 70-Jährigen möglich ist: „Ein alter Hund
lernt keine neuen Tricks.“
Sein 14-jähriger Sohn, der sich als „Thomas III.“ vorstellt, hört mit
ernstem Gesicht zu. Wie auch sein Vater und seine Großmutter wirkt er
älter, als er ist. Die Hände vergräbt er tief in den Hosentaschen. In der
Schule mag er das Fach Geschichte – „Kriege und so“ –, seinen ersten B�…
hat er lange vor dem Stimmbruch erlegt, und sein Lieblingsauto ist dasselbe
wie das seines Opas, Thomas I.: ein 67er Chevrolet Chevelle.
Hardy County in West Virginia liegt gerade mal 280 Kilometer westlich der
US-Hauptstadt Washington. Aber es ist eine andere Welt. Wenn hier Autos zur
TÜV-Kontrolle kommen, werden ihre Schadstoffabgaben nicht getestet. In
Bars ist weiterhin das Rauchen gestattet. Und Thomas Reynolds schwärmt
davon, dass niemand ihn daran hindert, mit einem Gewehr über die Straße zu
gehen. „Ich kann hier jagen und fischen, so viel ich will“, sagt er.
Connie, die Matriarchin der Reynolds, ergänzt: „Wir haben wunderbare
Weiden, Berge, Tiere, ein kleines Stück Himmel.“
Die 60-Jährige mit der Raucherstimme leitet bei „Triple T“ das Büro. Auf
ihrem Schreibtisch liegt eine blaue Decke, die sie für Enkel Nummer zehn
häkelt, der im Mai auf die Welt kommt. In der einzigen sorgfältig
dekorierten Ecke ihres Büros hängen einige Familienfotos und – ordentlich
auf einem schwarzen Stoff befestigt – metallene Abzeichen von Sheriffs,
Gefängniswärtern und Plantagenpolizisten, Sticker des Ku-Klux-Klans und
einer, auf dem zu lesen ist: „Nur für Negerfrau oder -kind“. Für Connie
sind das ganz normale Sammlerstücke. Dass sie jemandes Gefühle verletzen
könnten, hält sie für ausgeschlossen. „Die Sklaverei war brutal“, sagt s…
„aber wir können sie nicht einfach unter die Decke kehren.“
## Faule und andere Feindbilder
In dem Büro von „Triple T“ klingt es stellenweise, als wäre die Zeit steh…
geblieben. Die Bevölkerung in West Virginia ist zu mehr als 93 Prozent
weiß. Anders als in den Nachbarstaaten mit ihren großen Plantagen, die von
Sklavenarbeit lebten, gab es hier vor allem kleinere landwirtschaftliche
Betriebe und Holzfällerei.
Auch Thomas Reynolds geniert sich nicht, das anderswo verpönte N-Wort in
den Mund zu nehmen. Er benutzt es als Synonym für Faulenzer. „Ich kenne
auch weiße Nigger“, sagt er. Seine Mutter meint, dass die sogar in ihrer
eigenen Familie vorkämen. Seine Tochter, die 18-jährige Dakota, die die
US-Fahne auf ihren Cowgirl-Stiefeln trägt, steuert eine Geschichte von
ihrer Arbeit bei, sie sitzt im Supermarkt einer Nachbarstadt an der Kasse.
Sie habe dort Kunden, sagt Dakota, „die arbeitsfähig sind, aber mit
Lebensmittelmarken bezahlen und größere Autos fahren als die Leute aus der
Arbeiterklasse“.
Für Thomas Reynolds sind auch Gewerkschaften ein Feindbild. Den
gesetzlichen Mindestlohn von 8,75 Dollar pro Stunde hält er für zu niedrig,
gewerkschaftlich ausgehandelte Löhne von über 20 Dollar aber auch für
übertrieben. „Das treibt die Lebensmittelpreise in die Höhe.“
Damit solche Dinge aufhören, haben die Reynolds also Trump gewählt. Die
Mutter will, dass jeder arbeitet, der dazu in der Lage ist. Und der Sohn
möchte „alle Illegalen abschieben“. Er hat die Hühnerfabrik im Moorfield …
Verdacht, die in drei Schichten rund um die Uhr arbeitet und
Fast-Food-Restaurants in den Großstädten beliefert, der wichtigste
Steuerzahler im County. Beweise hat er keine. Wohl aber seine eigene
Erfahrung vom Straßenbau: „Wenn die Kontrolleure von der
Einwanderungsbehörde kommen, tauchen die Illegalen ab.“
In Baker, mit seinen nicht einmal 1.300 Einwohnern, kennt jeder jeden. Und
jeder weiß, wie der andere gewählt hat. Die wenigen Trump-Gegner in der
Gemeinde halten vorsichtshalber mit ihren Ansichten hinter dem Berg. Aber
die 30-jährige Heather Thompson ist neu im County. Sie ist erst vor ein
paar Monaten mit Mann und Kind aus Virginia zugezogen, um näher bei ihrem
Vater zu leben. Sie sitzt am Tresen der „Broken Spoke“-Bar, von „Triple T…
zwei Biegungen auf der State Road entfernt. Die Wand hinter ihr ist mit
Planwagen, Pferden und Siedlern auf dem Weg nach Westen bemalt.
## Es gibt schon erste Risse
Wenn sie von der Angst vor einem Terroranschlag hört und von Trumps Politik
gegen Menschen aus islamischen Ländern, hält sie dagegen, dass der
„Muslim-Bann ein perfektes Werbemittel für den IS ist“. Und auf die
Hoffnung, dass Trump Jobs zurück in die USA bringen werde, kontert sie,
dass er sogar seine Werbemützen mit der Aufschrift „Make America Great
Again“ in China produzieren lässt. Die Leute hier nennen sie ein
„verrücktes Mädchen“.
Doch in die Harmonie zwischen den Wählern in Hardy County und Trump sind
bereits erste Risse gekommen. In dem County, das noch in den 90er Jahren
demokratisch wählte, gelten in sozialer Hinsicht andere Werte als bei
Trump. Die Wähler meinen es ernst mit neuen Arbeitsplätzen, sie finden
mehrheitlich, dass eine Krankenversicherung für alle Bürger richtig ist,
und die von Trump vorgeschlagene Steuerreform löst Kritik aus. „Das sind
viel zu viele Steuereinsparungen für große Konzerne“, moniert Thomas
Reynolds.
Auch was die Außenpolitik angeht, ist er unzufrieden. Russland und Trumps
mögliche Verbandelung mit Putin interessieren ihn und die anderen hier
nicht so sehr. Aber die militärischen Abenteuer. Für die 59
Marschflugkörper auf einen syrischen Militärflughafen macht Thomas Reynolds
Expräsident Obama verantwortlich: Wenn der rechtzeitig reagiert hätte, wäre
es gar nicht erst so weit gekommen. Zum Abwurf der „Mutter aller Bomben“
über Afghanistan hat er noch keine Meinung. Aber in Nordkorea haben die USA
seiner Ansicht nichts zu suchen. „Die haben uns nicht angegriffen, da
sollten wir zum Teufel draußen bleiben.“
Thomas II., der Werkstattchef, und seine Familie werden weiter genau
verfolgen, was der Präsident macht. Die Jüngeren im Internet, die Älteren
bei Fox News. „Ich gebe Trump vier Jahre“, sagt er. „Falls er bis dahin
seine Versprechen nicht einlöst, wählen wir ihn ab.“
29 Apr 2017
## AUTOREN
Dorothea Hahn
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USA
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