# taz.de -- Bürgerrundfunk wird 25: Internet Killed the Video Star | |
> Vor 25 Jahren war der „Offene Kanal“ eine Sensation. Inzwischen ist die | |
> Idee institutionalisiert, mit 700.000 Euro ausgestattet – und hat das | |
> Internet verschlafen | |
Bild: Doch nicht überall ausgemustert: Hightech von damals | |
BREMEN taz | Im Jahr 2017 wäre eigentlich ein großes Jubiläum zu feiern: 25 | |
Jahre „Bürgerrundfunk“. Denn 1992 wurde der „Offene Kanal“ ins Leben | |
gerufen. „Jeder kann mitmachen, jeder wird gebraucht.“Es sollte nicht mehr | |
einen Sender und viele Empfänger geben – sondern jeder zum potentiellen | |
„Sender“ werden. Das war eine revolutionäre Idee im frühen 20. Jahrhunder… | |
die oft auf Brechts Gedanken über das neue Medium Radio zurückgeführt wird. | |
1992 schien sie technisch endlich möglich geworden zu sein. Doch aus der | |
Jubiläumsfeier wird nichts. | |
„Schon das Wort ‚Bürgerrundfunk‘ staubt“, bekannte der Bremerhavener | |
Medienwissenschaftler Andreas Teufel auf einer Tagung, in der es am | |
vergangenen Freitag um die Zukunft des Bürgerrundfunks ging. Und dass jeder | |
„senden“ kann, ist inzwischen mit dem Internet eine Selbstverständlichkeit. | |
Wofür braucht man noch einen Bürgerrundfunk? | |
Wer eigentlich den Bürgerfunk hört, oder ihm in Form von [1][Radio Weser | |
TV] zusieht, wollten die Teilnehmer des Treffens wissen. Doch dazu gebe es | |
keine Erhebungen, teilte Cornelia Holsten mit, die Direktorin der | |
Landesmedienanstalt (LMA). Klar, das sind sehr wenige und um sie | |
statistisch aufzufinden, müsste man großen Aufwand betreiben. | |
Die Größe gehört für Holsten zum Konzept: Beim Bürgerrundfunk gelten ihr | |
als Nutzer nicht die Konsumenten, sondern die Macher. Das Mitmach-Medium | |
sollte einen Einstieg in „Medienkompetenz“ bieten, nicht den vorhandenen | |
Medium Konkurrenz machen. „Quotendenken“ wolle man ausdrücklich nicht. | |
Uwe Parpart, der lange Jahre in Bremerhaven für „Radio Weser-TV“ | |
verantwortlich war, sah das ganz anders: Bei dem geringen Medienangebot | |
würden die Bremerhavener den „Offenen Kanal“ gern als Alternative zur | |
Nordsee-Zeitung nutzen. Deswegen plädierte er auch für eine | |
Professionalisierung, die von LMA-Leiterin Holsten aber abgelehnt wird. | |
## „Offen“ heißt nicht unbedingt „frei“ | |
Die LMA veranstaltet den „Offenen Kanal“ und das ist keine so freie | |
Veranstaltung, wie der Name suggeriert. Rundfunk galt in Deutschland seit | |
den 1920er-Jahren als etwas, das staatlich kontrolliert werden muss. So ist | |
auch der Bürgerrundfunk gesetzlich geregelt. Zum Beispiel soll und darf er | |
„Ereignisrundfunk“ und „Eventfernsehen“ bieten. Für die Leiterin der L… | |
heißt das an erster Stelle: Übertragung der Bürgerschaftssitzungen. | |
Auf der Webseite von „Radio Weser-TV“ erschienen am Tag der Konferenz zwei | |
„News“: Die Übertragung der Bürgerschaft und dass der Sender nach einer | |
Bewerberin für ein „freiwilliges kulturelles Jahr“ sucht. Auf der | |
Facebookseite, für die es, wie Holsten stolz mitteilte, 450 „Follower“ | |
gibt, geht es weniger um das Programmangebot als um internen | |
Informationsaustausch: Mitarbeiter der Landesmedienanstalt teilen hier mit, | |
sie würden sich darüber „freuen“, dass die Direktorin jetzt als | |
„Vorsitzende im Rat der Kommission für Jugendmedienschutz“ unterwegs ist. | |
Was der Bürgerrundfunk sendet, sieht man weder auf der Internetseite noch | |
auf Facebook. Es gibt keine Mediathek: Über den Hörfunk- und den | |
Fernsehkanal wird das Programm wie früher allgemein üblich linear | |
abgespielt. Wer es verpasst hat, hat es verpasst. Und da „Küstenschnack“, | |
Hip-Hop, rhythmische Sportgymnastik, Plattdeutsch und eben Bürgerschaft | |
jeden Tag anders gemischt werden, muss man schon ganz genau wissen, wann | |
einen etwas interessiert und gezielt anschalten. Von diesem Radio-Konzept | |
hat sich etwa Radio Bremen schon vor 20 Jahren verabschiedet. | |
## Arbeiten mit VHS-Kassetten | |
Genauso alt ist die Technik. „Im Studio des Offenen Kanals findet bei uns | |
nichts statt“, berichtete Jens Werner vom Kulturzentrum Schlachthof. Eben | |
weil die Technik veraltet ist. Manchmal nutzten junge Leute den Raum – aber | |
die brächten eigenes Equipment mit. Ihre Filme laden die auf Youtube. Ob | |
die Sendungen im Radio Weser-TV gesendet werden, interessiere sie nicht. | |
Aber es kommen auch ältere Nutzergruppen, für die das Internet nicht so | |
selbstverständlich ist. Ein Vertreter des Landessportbundes berichtete etwa | |
vom Studio Westend, das der Sportbund einmal im Monat nutzt, dass dort noch | |
mit VHS-Kassetten gearbeitet werde und kein Investitionsetat da sei. „Wenn | |
etwas kaputt geht, wird es ersetzt“, tröstete ihn die LMA-Chefin. | |
Neidisch gucken Bremer Nutzer nach Berlin, Linz oder schon nach | |
Niedersachsen, wo der Bürgerrundfunk ganz anders genutzt wird. Dafür müsste | |
der Bürgerrundfunk aus der Landesmedienanstalt herausgelöst werden, sagt | |
Uwe Parpart. Die will aber nicht loslassen. Die 700.000 Euro, die für den | |
Bürgerrundfunk jedes Jahr ausgegeben werden, stammen aus Rundfunkgebühren – | |
wenn die LMA das Angebot streichen würde, könnte sie das Geld anders im | |
Sinne der gesetzlichen Regelungen ausgeben. Und der letztlich | |
verantwortliche Medienrat hat ohnehin jüngst beschlossen, dass der | |
Bürgerrundfunk „auch in Zukunft“ ein bedeutender Teil der Bremer | |
Medienlandschaft bleiben solle. | |
9 Apr 2017 | |
## LINKS | |
[1] http://www.radioweser.tv | |
## AUTOREN | |
Klaus Wolschner | |
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