# taz.de -- Medienethik im Internetzeitalter: „Wer soll es sonst machen?“ | |
> Robert Hodonyi wurde zum neuen Vorsitzenden des Bremer Medienrats | |
> gewählt. Im Interview erzählt er, wo er die Aufgaben des Gremiums sieht | |
Bild: Medienkompetenz ist auch Kindersache, sagt der Medienratsvorsitzende. | |
Taz: Herr Hodonyi, warum haben Sie sich zum Vorsitzenden eines Gremiums | |
wählen lassen, das niemand kennt? | |
Robert Hodonyi: Es stimmt, dass von 100 Bremern und Bremerinnen 95 | |
wahrscheinlich nicht wissen, was der Medienrat ist. Aber gerade das möchte | |
ich gemeinsam mit den Mitgliedern ändern. Ich möchte, dass er sichtbarer | |
wird und Debatten über Entwicklungen in der Medienlandschaft anstößt. | |
Welche meinen Sie? | |
Zum Beispiel über die Weiterentwicklung des Bürgerrundfunks. Dem sollte | |
gerade in diesen Zeiten, die geprägt sind von einem Vertrauensverlust in | |
Demokratie und Medien – Stichwort „Lügenpresse“ – eine größere Bedeu… | |
als partizipatives Medium zukommen. Und das ist wichtig, gerade jüngeren | |
Leuten zu vermitteln, denen als „Generation Youtube“ ganz andere Kanäle | |
offen stehen. | |
Und die einen Bürgerrundfunk deshalb nicht mehr brauchen. | |
Das sehe ich anders. Es gibt in Nordrhein-Westfalen den crossmedialen | |
Sender Nrwision, eine gelungene Zusammenarbeit mit dem Institut für | |
Journalistik an der Universität Dortmund. Etwas ähnliches könnte ich mir | |
für Bremen auch vorstellen. | |
Der Studiengang Journalismus an der Hochschule Bremen wurde abgewickelt… | |
Aber es gibt in Bremerhaven den Studiengang Mediendesign und an der Bremer | |
Universität Digitale Medien und Medienkultur. Ich möchte Denkanstöße für | |
neue Kooperationen in diesem Feld geben. | |
Welche noch? | |
Wir haben in Bremen immer noch keine Gesamtstrategie zum Thema | |
Medienkompetenz. Gewünscht ist diese, das steht so auch im | |
Koalitionsvertrag. | |
Warum braucht es die? | |
Wir sind von einer unüberschaubaren Vielzahl von Medien umgeben, der größte | |
Teil der 14- bis 49-Jährigen sind über ihr Smartphone ständig verbunden mit | |
sozialen und anderen Medien. Da ist es zum Teil existenziell wichtig, | |
souverän mit persönlichen Daten in einem öffentlichen Raum umgehen zu | |
können oder sich vor Cyber-Mobbing schützen zu können. Es gibt Schulen und | |
Kindertagesstätten, die zu dem Thema arbeiten, aber auch immer noch viele | |
Lehrkräfte und Erzieherinnen, die sehr verunsichert sind. Und | |
Medienkompetenz brauchen alle, altersunabhängig. | |
Als Landesmedienanstalten und Medienräte gegründet wurden, ging es um | |
private Sender. Überfordern Sie sich nicht, wenn Sie sich jetzt auch noch | |
ums Internet kümmern? | |
Wer soll es denn sonst machen? Natürlich ist es total schwierig, auf die | |
fundamentalen Umbrüche, die die Digitalisierung mit sich bringt, zu | |
reagieren – und das Netz wird immer einen Schritt voraus sein. Aber die | |
medienethischen Ansprüche, die wir haben, können wir deshalb doch nicht | |
aufgeben, zumal auch Rundfunk- und Fernsehsender immer stärker die digitale | |
Schiene nutzen. | |
Wenn ein Privatsender etwa Werbung nicht kennzeichnet, dann haben Sie eine | |
Adresse und können einschreiten. Für wen wollen Sie im weltweiten Netz als | |
Bremer Einrichtung zuständig sein? | |
Wenn wir einen Youtuber hätten, der aus Bremen sendet mit Hunderttausenden | |
Abonnenten und gegen Gesetze verstößt, dann wäre es Aufgabe der Bremischen | |
Landesmedienanstalt (Brema), auf ihre Einhaltung zu pochen. Der Medienrat | |
ist aber ohnehin kein reines Wächterorgan, sondern hat ebenso wie die Brema | |
auch den Auftrag, Medienkompetenz zu fördern. Und da gibt es einiges zu | |
tun, ich denke dabei auch an den Umgang mit Hasspropaganda, Islamismus und | |
Rechtsextremismus im Netz. Interessant wäre in diesem Zusammenhang eine | |
verstärkte Zusammenarbeit mit Akteuren der politischen Bildung. | |
Ich würde gerne über die Zusammensetzung des Medienrats sprechen. Nur ein | |
Viertel der Mitglieder sind Frauen. | |
Das ist nicht gut, das stimmt. Da müsste man an die Organisationen | |
appellieren, mehr Frauen zu entsenden. | |
Die müssten sich untereinander abstimmen: Ich schicke eine Frau, du einen | |
Mann. Vor der Novelle des Landesmediengesetzes 2012 wurde die Hälfte der | |
Mitglieder von der Bürgerschaft gewählt. | |
Die Novelle sieht ja auch einen Wechsel zwischen Männern und Frauen bei | |
Neuentsendung vor. Zum zweiten Punkt: Generell finde ich es richtig, dass | |
die Parteien nicht mehr so einen großen Einfluss haben wie früher. | |
Der Medienrat von Berlin und Brandenburg hat nur sieben Mitglieder, alles | |
Medienexperten. In Bremen sind 33 Organisationen vertreten. Wäre es nicht | |
sinnvoll, das Gremium zu verkleinern und mit Profis zu besetzen? | |
Nein, ich finde es richtig, nicht nur Personen dort drin zu haben, die | |
beruflich mit Medien zu tun haben, sondern darin die gesellschaftliche | |
Vielfalt abzubilden. | |
Aber die findet sich ja nie wieder. Irgendwer fehlt immer und sei es der | |
Landesbauernverband. | |
Was „gesellschaftliche Vielfalt“ bedeutet, muss immer wieder geprüft und | |
debattiert werden. Wer aus meiner Sicht wirklich fehlt, sind jüngere | |
Menschen. Es wäre schön, wenn die verfassten Studierendenschaften ihren | |
Sitz noch besetzen würden. Und eigentlich müsste man auch der | |
Gesamtschülervertretung einen Platz einräumen. Wir haben ein Wahlalter ab | |
16, aber im Medienrat sind die Schüler und Schülerinnen nicht vertreten. | |
3 Oct 2016 | |
## AUTOREN | |
Eiken Bruhn | |
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