# taz.de -- Bremer Medienanstalt hypt Influencer: Völlig außer Kontrolle | |
> In einem Podcast hofiert die Bremer Medienanstaltsdirektorin einen | |
> zweifelhaften Insta-Star. Die Kritik daran reduziert sie auf | |
> Geschmacksfragen. | |
Bild: Auch Marketing-Stars brauchen Groupies: Die Direktorin der Medienanstalt … | |
BREMEN taz| Bremens Medienaufsicht hat sich ein neues Betätigungsfeld | |
ausgesucht: Die Landesmedienanstalt Brema, zuständig für die Aufsicht im | |
privaten Hörfunk und Fernsehen einschließlich Internet, sendet jetzt | |
selbst. Einen Podcast. „Frau Holsten fragt nach“ heißt der. Am Mikro: | |
Brema-Direktorin Cornelia Holsten persönlich, oder, um ihr selbst das Wort | |
zu geben: „Ich bin die Medienaufsicht.“ Und die versagt. Völlig. | |
Das lässt sich beim Anhören der [1][ersten Podcastfolge] mehr als nur | |
erahnen – und dank der umfangreichen Recherche der Medienjournalisten Boris | |
Rosenkranz und Marcel Nährig fürs bundesweit anerkannte [2][Portal | |
uebermedien.de mit Bestimmtheit feststellen]. | |
## Sorgfaltspflicht? Besser nicht! | |
Denn Holsten, die qua Amt über die Einhaltung anerkannter journalistischer | |
Grundsätze wie Sorgfaltspflicht und Trennung von Werbung und redaktionellem | |
Inhalt zu wachen hat, nimmt ihre Radioshow von den [3][Bestimmungen des | |
Landesmediengesetzes] offenbar aus. | |
Statt nachzufragen, gibt sie Studiogast Maximilian Georg Arnold eine Bühne, | |
auf der er plaudern kann über sein Leben als Instagram-Influencer. Seine | |
Web-Präsenz wird von Holsten durchgängig mit Hochwertworten gerühmt. Sie | |
nennt ihn „sehr, sehr erfolgreich“, fragt ihn, ob er in Schlabberklamotten | |
Brötchen kauft, lobt, dass er so toll guten Morgen sage und findet sogar | |
seinen Namen „wirklich schön“: Sie macht also, was ein [4][Werbe-Podcast] | |
für den Fashion-Blogger aus Bremen auch machen würde. | |
Arnold ist ein Unternehmen: Er verdient „unmenschlich viel Geld“ durch | |
Product-Placements und Werbevideos. Dafür täuscht er eine glamouröse | |
Identität vor, die aber, das ist der Witz bei Instagram, authentisch wirken | |
soll. | |
Mittlerweile fragt der junge Mann sich selbst, ob diese Identität fake sei | |
und bekennt, dass sich vieles ändern müsse, damit er selbst noch hinter | |
seinen Auftritten stehen könne. Wie echt die Zweifel sind, lässt sich | |
angesichts von drei in den letzten zehn Tagen publizierten Plagiaten, die | |
uebermedien nachweist, schwer sagen. Der Plattform gegenüber bezeichnet | |
Arnold seine Copyrightverstöße immerhin als „absolutes Fehlverhalten“. | |
Nicht so bei Frau Holsten, deren GEZ-finanzierte Anstalt die | |
Medienkompetenz im Lande zu mehren hat, Copyright-Sensibilisierung | |
inklusive. Holsten unterbindet nämlich jede kritische Selbstreflexion | |
sofort: Als Arnold einräumt, es könne „der eine oder andere etwas | |
Unseriöses“ in seiner wirtschaftlichen Existenz sehen, erschrickt die | |
Brema-Direktorin: „O Gott!“, sagt sie, „ich wollte gar nicht so den Finger | |
in die Wunde legen“. | |
## Eine Zote als Ausweg | |
Stattdessen versucht sie sich mit einer Zote. Bloß hat sie nicht | |
mitbekommen, dass ihr Studiogast seinen zweiten Vornamen mittlerweile nicht | |
mehr durch Binneninitial abkürzt, weil er anzügliche Nachrichten bekommen | |
habe, „haha G-Punkt“, macht er deutlich, wie primitiv die Pointe ist, auf | |
die Holsten zusteuert. „Ja, dass ich das noch nicht wusste …“, versucht s… | |
nun fortzusetzen, „so viel zur Frage, wie aufmerksam immer die Aufsicht | |
ist“ (2:54). | |
Wahrgenommen worden ist der Podcast bislang nur von wenigen. Auch Bremens | |
FachpolitikerInnen sind am Mittwoch noch nicht mit dem Content vertraut, | |
den Holsten „im Rahmen ihrer beruflichen Tätigkeit“ erzeugt hat. | |
Zusätzliche Kosten seien dafür keine angefallen, heißt es von ihrer | |
Sprecherin und sie bewertet das alles auch als „rechtlich gesehen völlig in | |
Ordnung“. | |
Ein „Dilemma“ erkennt Magnus Buhlert, medienpolitischer Sprecher der | |
FDP-Fraktion. Zwar sei es richtig, wenn eine Brema-Direktorin „auf das, was | |
sie im Amt tut, öffentlich hinweist“. Aber „wenn sie das versucht, muss sie | |
die Kriterien im Kopf haben und die Qualität muss stimmen“. | |
## Alles nur Geschmackssache | |
Qualität bemisst sich daran, wie gesteckte Ziele erreicht werden. Als „das | |
Ziel“ des Podcasts benennt die Brema, „Hintergründe, Beweggründe und Tren… | |
von Medien einem interessierten Publikum zu vermitteln“. Dafür habe Holsten | |
ihre Expertise eingesetzt. Gutes Beispiel: „Das habe ich auch nie | |
verstanden, diese ganzen Fashion-Regeln, woher Sie die kennen.“ | |
Auf ungeschriebene Fashion-Regeln zieht sich auch die Brema zur Bewertung | |
des eigenen Podcast zurück. Wenn das jemand als Werbe-Block für einen | |
zweifelhaften Social-Media-Star bewerte, sei das nur „eine Frage des | |
persönlichen Geschmacks“. Der, das ist bekannt, ist einer Kontrolle nicht | |
zugänglich. | |
30 Jan 2020 | |
## LINKS | |
[1] https://www.podcast.de/episode/428365792/Folge+1+-+Maximilian+Arnold+(1)/ | |
[2] https://uebermedien.de/45569/medienaufseherin-geht-influencer-auf-den-leim/ | |
[3] https://www.transparenz.bremen.de/sixcms/detail.php?gsid=bremen2014_tp.c.74… | |
[4] https://de.wikipedia.org/wiki/Werbung | |
## AUTOREN | |
Benno Schirrmeister | |
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