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# taz.de -- Istanbul-Biennale nach dem Referendum: Jenseits des binären Codes
> Mission Impossible für Elmgreen & Dragset, die Kuratoren der 15.
> Istanbul-Biennale: Wie positioniert man sich zu Erdoğan?
Bild: Zu nett? Die Kuratoren der Istanbul-Biennale Elmgreen & Dragset
Ein weißer Quader, wie aus dem Bilderbuch des architektonischen
Minimalismus. Darinnen ein Labyrinth verschachtelter Räume, das Ganze
aufgestellt in einem öffentlichen Park. „Cruising Pavillon“ nannte das
Künstlerpaar Elmgreen & Dragset 1998 seine Installation im dänischen
Aarhus. Mit ihr visualisierte es das Paradox, dass die schwule Subkultur
ihre intimen Räume oft genug dadurch gewinnt, dass sie „straighte“ Kontexte
umfunktioniert.
Die Chance, dass die beiden Künstler im Herbst ein ähnliches Werk in
Istanbul aufstellen, ist denkbar gering. Für ein so doppelbödiges wie
anstößiges Werk ist das kulturelle Klima in der Türkei derzeit vermutlich
zu angespannt. Aber die frappierende Dialektik, mit der das Künstlerpaar
gern arbeitet, könnte ihnen bei ihrem aktuellen Job von Nutzen sein. Anfang
September eröffnen die beiden nämlich die 15. Istanbul-Biennale – diesmal
als Kuratoren.
„A good neighbour“ – das Thema, das die beiden zum Motto der Biennale
erkoren haben, hat ein gemischtes Echo hervorgerufen. Die einen tun es als
„Wohlfühlmotto“ (FAZ) ab. Die anderen loben es als Doppelstrategie. Im
Tarnanzug eines konsensfähigen Wunsches ließen sich durchaus kritische
Fragen in den türkischen Diskurs schmuggeln. Sind die Türken tatsächlich
„gute Nachbarn“? Nach innen wie nach außen?
Angesichts der aufgeheizten Stimmung am Bosporus klang es zwar wie eine
Mission Impossible, als sie am Wochenende in Berlin auf ihrer Strategie der
affirmativen Kritik beharrten und die Biennale als Ort anpriesen, auf der
sich Besucher jenseits des binären Codes „pro“ oder „contra Erdoğan“
positionieren können.
## Biennale als Resonanzboden für Unmut nutzen
Der Kunsthistoriker Gürsoy Doğtaş hat kürzlich in der Süddeutschen Zeitung
das Narrativ von der Istanbul-Biennale als Ort der „kritischen
Gegenöffentlichkeit“ infrage gestellt. Nach dem Pyrrhus-Sieg des
regierenden Autokraten könnte die Dialektik darin bestehen, die Biennale
als Resonanzboden für den Unmut zu nutzen, der nach dem knappen Votum auch
in konservativen Kreisen schwelt. Gegen die offene Diktatur, die in der
Türkei nun droht, hülfe das womöglich nachhaltiger als ein starkes
Statement dagegen.
„Wir wollten nie einen normalen Job machen“, erklärten Elmgreen & Dragset,
die es sie vor über zwanzig Jahren „eher zufällig“ in die Kunst verschlug,
einmal ihre Leidenschaft für spektakuläre Projekte.
In Istanbul dürften sie auf die ultimative Probe gestellt werden. Denn was
ist die türkische Szenerie derzeit anderes als ein Darkroom der politischen
Leidenschaften?
26 Apr 2017
## AUTOREN
Ingo Arend
## TAGS
zeitgenössische Kunst
Recep Tayyip Erdoğan
Biennale
Istanbul
Biennale Venedig
taz.gazete
Kunst
Schwerpunkt Türkei
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