# taz.de -- Sorbisch an der Uni Leipzig: Sorbischlehrer gesucht | |
> Das Leipziger Institut für Sorabistik ist bundesweit die einzige | |
> Ausbildungsstelle für Sorbischlehrer. Jetzt soll das Studium attraktiver | |
> gemacht werden. | |
Bild: Die sorbische Sprache soll bewahrt werden. Doch wer soll sie unterrichten? | |
LEIPZIG taz | Gleich zwei Ministerinnen waren Ende März am Institut für | |
Sorabistik der Uni Leipzig zu Besuch. Sachsens Wissenschaftsministerin | |
Eva-Maria Stange und ihre brandenburgische Kollegin Martina Münch (beide | |
SPD) wollten sich über die Ausbildung von Lehramtsstudierenden für Ober- | |
und Niedersorbisch informieren. | |
Der Grund: Beiden Bundesländern gehen die Sorbischlehrer aus. Bis 2025 | |
werden in Sachsen knapp 100 Lehrkräfte in den Ruhestand gehen. Schon jetzt | |
sind die Abgänge spürbar. Die Schülerzahlen hingegen steigen: Im Schuljahr | |
2015/16 nahmen in Sachsen 878 Kinder am Sorbischunterricht teil, im Jahr | |
davor waren es 811. 29 sächsische Schulen bieten Sorbisch an – vor allem | |
Grundschulen. | |
Sachsen hat sich – wie Brandenburg – in seiner Landesverfassung zur Pflege | |
der sorbischen Kultur und Sprache verpflichtet. „Wir benötigen dringend | |
Lehrernachwuchs, um den Sorbischunterricht an sächsischen Schulen | |
gewährleisten zu können“, sagt Stange, „das Institut für Sorabistik ist | |
dabei für uns der wichtigste Partner.“ Denn nur an der Uni Leipzig werden | |
bundesweit Lehrerinnen und Lehrer für Ober- und Niedersorbisch ausgebildet. | |
19 Studierende sind dort derzeit eingeschrieben. Professor Eduard Werner, | |
geschäftsführender Direktor des Instituts für Sorabistik, bewertet die Zahl | |
positiv: „Bislang kommen unsere Studierenden von zwei Gymnasien, dem | |
Sorbischen Gymnasium in Bautzen und dem Niedersorbischen Gymnasium in | |
Cottbus. Da gibt es im Schnitt pro Jahr 30 Absolventen. Wenn Sie sich jetzt | |
die Statistiken anschauen, wie viele Absolventen eines Jahrgangs studieren | |
und wie viele davon ein Sprachenstudium wählen, dann liegt unser | |
Erwartungswert irgendwo bei einem dreiviertel Studenten pro Jahr.“ Das | |
Leipziger Sorabistik-Institut kommt jährlich im Schnitt auf fünf bis acht | |
Studienanfänger. | |
## Das kleinste Institut an der Uni Leipzig | |
Julia Serbin ist sorbische Muttersprachlerin und begann 2011 das | |
Lehramtsstudium in Leipzig. „Ich wollte gern Lehrerin werden und auch | |
später in der Lausitz bleiben“, sagt die 24-Jährige. Für die Arbeit an | |
Schulen auf dem Land – wie es für das Fach Sorbisch überwiegend der Fall | |
ist – will das sächsische Wissenschaftsministerium nun Anreize schaffen. | |
Das | |
Sachsenstipendium für Lehramtsstudierende, die nach dem Studium in eine | |
ländliche Region gehen, soll gezielt Sorabistik-Studierenden angeboten | |
werden. Den Bonus für sorbisch sprechende Bewerber beim Sachsenstipendium | |
wird es weiterhin geben. Dazu vergibt die Stiftung des sorbischen Volkes | |
mit Sitz in Bautzen Stipendien – auch für Studierende aus Osteuropa, die an | |
die Uni Leipzig kommen. Das Sorabistik-Studium auf Lehramt bietet zudem | |
eine Anstellungsgarantie in Sachsen und Brandenburg. | |
Der Bedarf ist da, doch um die Studierendenzahlen zu erhöhen, reichen | |
finanzielle Anreize allein nicht aus. „Es braucht Studierende, die bisher | |
nichts mit der sorbischen Sprache zu tun haben und diese erst im Studium | |
erlernen“, sagt Professor Werner. Sorbisch-Vorkenntnisse sind bis jetzt | |
eine der Zugangsvoraussetzungen zum Lehramtsstudium. Kultus- und | |
Wissenschaftsministerium wollen prüfen, ob auf die sprachlichen Hürden | |
verzichtet werden kann. Wer statt Sorbisch eine andere westslawische | |
Sprache oder Russisch beherrscht, soll sich zukünftig auch bewerben können. | |
„Das ist natürlich möglich, aber dafür sind wir derzeit nicht ausgestattet. | |
Es braucht neue Ablaufpläne und Lehrkräfte, die Stunden unterrichten“, sagt | |
Professor Werner. Mit nur einer Professur und viereinhalb Personalstellen | |
ist das Institut für Sorabistik das kleinste der Uni Leipzig. Zu DDR-Zeiten | |
gab es noch drei Professuren, die nach der Wende wegfielen, so Werner. Im | |
Dezember 2016 wurde eine neue halbe Stelle für einen wissenschaftlichen | |
Mitarbeiter im Bereich Fachdidaktik Niedersorbisch eingerichtet. Das | |
Institutspersonal sei damit ausreichend, heißt es aus dem sächsischen | |
Wissenschaftsministerium. | |
## Lehrkäfte aus Polen, Tschechien und der Slowakei | |
„Ministerien bewerten Universitäten anhand von Auslastungszahlen“, sagt | |
Werner. „Wenn man das auf Schulen überträgt, würde man sagen: Die besten | |
Schulen sind die, die mit den wenigsten Lehrern die meisten Schüler | |
ausbilden. Das ist eine völlige Perversion des Bildungssystems.“ Auch Julia | |
Serbin findet das Lehrpersonal zu knapp bemessen. Die intensive Betreuung | |
ist eine der Stärken des Instituts. „Wo man in anderen Studiengängen nur | |
eine Nummer ist, ist man hier wirklich ein Gesicht und ein Name“, so | |
Serbin. | |
Julia Serbin ist mittlerweile nicht mehr für Sorabistik auf Lehramt | |
eingeschrieben. Weil sie eine Prüfung in Bildungswissenschaften nicht | |
bestand, konnte sie das Studium nicht beenden. Sie ist jetzt die erste | |
Studentin im Master Sorabistik. „Ich mache weiter die Didaktikkurse, damit | |
ich später als Quereinsteigerin an die Schule kann.“ | |
Die Chancen dafür stehen nicht schlecht, denn Kultus- und | |
Wissenschaftsministerium wollen auch hier die Hürden senken: | |
Masterstudierende ohne Lehramtsbezug sollen demnach künftig genauso in | |
Frage kommen wie Absolventen von Fachhochschulen. Sachsen möchte außerdem | |
Lehrkräfte aus Polen, Tschechien und der Slowakei für Schulen im sorbischen | |
Siedlungsgebiet gewinnen. Das teilte Kultusministerin Brunhild Kurth (CDU) | |
Mitte April im Sächsischen Landtag mit und verwies auf Gespräche in Prag. | |
24 Apr 2017 | |
## AUTOREN | |
Nina Monecke | |
## TAGS | |
Schwerpunkt taz Leipzig | |
Universität Leipzig | |
Sorben | |
Brandenburg | |
Schule und Corona | |
Schwerpunkt taz.meinland | |
Lausitz | |
Sorben | |
Sorben | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Sorbische Minderheit in der Pandemie: Nichts zu feiern | |
Das Kontaktverbot trifft die Minderheit der Sorben in der Lausitz | |
besonders. Der Sprachunterricht leidet so wie der Tag der Muttersprache. | |
Kohlegegnerin in der Lausitz: Protest in Tracht | |
Für die Sorbin Edith Penk ist ihr traditionelles Outfit genauso wichtig wie | |
ihre Weltoffenheit. Regional und global gehören zusammen. | |
Braunkohleförderung in der Lausitz: Die Kohle im Dorf lassen? | |
Kohlebefürworter vs. Gegner: Die Fronten in der Lausitz sind verhärtet. | |
taz.meinland war in Schleife und brachte erstmals allen Seiten an einen | |
Tisch – und sie sprachen sogar miteinander. | |
Nach Angriffen auf Sorben in Bautzen: Zwei Jahre Angst | |
Im Herbst 2014 lauerten Rechtsextreme sorbischen Jugendlichen auf. Auch | |
heute haben die Betroffenen keine Ruhe. | |
Sorbische Kultur: Der Dichter im Pfützenland | |
Benedik Dyrlich ist Lyriker. Er gibt Bücher heraus und scheint manchmal zu | |
verzweifeln, weil die Deutschen keinen sorbischen Schriftsteller kennen. |