| # taz.de -- Bauprojekt Carré Sama-Riga in Berlin: Von Träumen zum Trümmertan… | |
| > Erst sah alles nach einem netten Investor aus. Nun fühlen sich Aktivisten | |
| > überrumpelt, der Baustadtrat ist empört, Samstag wird demonstriert. | |
| Bild: In der Nachbarschaft wenig beliebt: das Carré Sama-Riga | |
| Nur ein Mäuerchen steht da noch. Von der Bebauung des ältesten | |
| Gewerbegebiets im Friedrichshainer Nordkiez ist nicht viel übrig. Hinter | |
| dem frisch gestrichenen Bauzaun raffen Bagger den Schutt von historischen | |
| Häusern und gewagten Ideen zusammen. Ein Investor will hier „another luxury | |
| project“ bauen. Ein kleiner Kulturverein, der dachte, er könne dem | |
| Immobilienunternehmen etwas abtrotzen, ist inzwischen tief enttäuscht. Der | |
| zuständige Baustadtrat will die Baugenehmigung nicht erteilen. Und radikale | |
| Gegner des Projekts rufen für Samstag zur Demonstration und zum | |
| „Trümmertango“ gegen das Immobilienunternehmen auf. | |
| 2012 hat die CG Gruppe das bis dahin gewerblich genutzte, zum Teil | |
| baufällige Gelände in der Rigaer Straße 71 bis 73 gekauft. Nach | |
| Verhandlungen mit dem Bezirk und einer Interessensgemeinschaft aus dem Kiez | |
| sollen neben geplanten Mietwohnungen die ursprünglichen Gewerbemieter | |
| integriert werden. Einer davon ist der Verein für alternative | |
| Stadtraumnutzung, der auf dem Gelände einst Veranstaltungen organisierte | |
| und schräg gegenüber sein Büro hat. | |
| Darin stapelt sich nun Vergangenheit: Erinnerungsstücke an das „Antje | |
| Øklesund“, jenen für seine Partys und Konzerte bekannten alternativen | |
| Kunst- und Kulturraum, den man durch ein Loch in der maroden Mauer betrat | |
| und aus dessen Wand eine krumme Birke wuchs, als wolle sie sich den | |
| Widrigkeiten des betonierten Stadtraums widersetzen. Alte Türen stehen nun | |
| im Büro, eine Rutsche, über die man einst in den Freiraum fluschte. | |
| „Irgendwann vor zwei Wochen haben sie das Haus abgerissen und die Birke | |
| gefällt“, sagt Hajo Toppius vom Verein. „Da haben sie uns nicht mal mehr | |
| Bescheid gesagt.“ | |
| Einen Pflock wollten sie treiben in das Projekt „Carré Sama-Riga“, sagt | |
| Toppius. Und meint damit das Konzept eines öffentlichen Bürgerhofs, der | |
| sich abhebt von der Hochglanzästhetik des Neubauvorhabens. Aber eine echte | |
| Beteiligung habe es nicht gegeben. | |
| „Paternalistisch“ seien die Gespräche mit der CG Gruppe verlaufen. Zu groß | |
| sei das Ungleichgewicht zwischen den finanzstarken Immobilienunternehmern, | |
| die mit Chauffeur vorführen, und den oftmals prekär lebenden Leuten von der | |
| alternativen Stadtraumnutzung, die etwas schaffen und erhalten wollten, das | |
| herausfällt aus der Hochglanzästhetik. So wie die gefällte Birke, die | |
| Spielgerät für die Kinder bleiben sollte. „Die Bedenkenträger, die uns | |
| Naivität vorgeworfen haben – sie haben wohl recht behalten“, so Toppius. | |
| „Wir glauben immer noch an das Projekt“, sagt dagegen Jürgen Kutz von der | |
| CG Gruppe. Er sitzt im Berliner Büro des Immobilienunternehmens, zwei | |
| Etagen in einem schmucklosen Charlottenburger Gebäude, im Erdgeschoss ein | |
| Brillendiscounter, nebenan ein Nagelstudio, und versteht die Welt nicht | |
| mehr. Man habe Zugeständnisse gemacht, die man nicht machen musste. Der | |
| öffentliche Gewerbe- und Kulturhof werde doch kommen. „Jetzt will das | |
| keiner mehr sehen und wir sind die Zielscheibe“, sagt Kutz. | |
| Tatsächlich ist der Gegenwind rau. Seit dem Winter ruft die Aktionsgruppe | |
| „Nordkiez lebt“ immer wieder zum Scheppern mit allem, was Krach macht, | |
| gegen die CG Gruppe direkt vor dem Gelände auf. AnwohnerInnen beteiligten | |
| sich aus Fenstern und Balkonen der umliegenden Häuser. | |
| Auch die Aktionsgruppe kritisiert die mangelnde Beteiligung des Bezirks und | |
| der Anwohner bei dem Bauvorhaben. Man sei deshalb auch „allen anderen | |
| Aktionsformen gegenüber offen“, die sich „gegen dieses Bauprojekt dieses | |
| globalen Aufwertungs- und Verdrängungs-Hais richten“, heißt es auf Flyern | |
| und im Blog der Gruppe. | |
| Man habe keine andere Wahl mehr als „verjagen, plattmachen, verhindern“, | |
| heißt es noch deutlich radikaler in einem Aufruf zur Demonstration am | |
| Samstag bei der linken Internetplattform Indymedia. Und: „Wer in der | |
| Illusion lebt, wir könnten irgendeinen Mittelweg für Berlin finden, hat | |
| noch viel weniger alle Tassen im Schrank.“ | |
| Ein Seitenhieb auf Toppius und Co, die genau an diesen Mittelweg geglaubt | |
| hatten. Vor ziemlich genau einem Jahr wurden dem Verein die Scheiben | |
| eingeschlagen. „Schiebt Euch das Carré in den Arsch“ stand an der Hauswand. | |
| „Die bei der CG Gruppe feiern doch ein Fest, dass wir uns hier bekriegen | |
| und gegenseitig aushöhlen“, sagt Toppius. Auf der Demonstration am Samstag | |
| wird sein Verein nicht vertreten sein. | |
| Auch Florian Schmidt ist nicht gut auf das Bauprojekt in der Rigaer Straße | |
| zu sprechen. Der Grüne ist seit Dezember Baustadtrat in | |
| Friedrichshain-Kreuzberg und vergleicht seinen Bezirk gern mit einem | |
| „gallischen Dorf in Sachen Stadtentwicklung“. Vor seiner Politikerkarriere | |
| war er selbst Aktivist. | |
| Seine Vorgänger hätten mit dem Investor vor Jahren ein gemeinsames | |
| Bebauungsplanverfahren begonnen, das durch seine Öffentlichkeitsbeteiligung | |
| die Möglichkeit gibt, verschiedene Interessen zu berücksichtigen. Nun hat | |
| die CG Gruppe noch vor Abschluss des Verfahrens die Baugenehmigung | |
| beantragt. Damit werde eine Abstimmung in der Bezirksverordnetenversammlung | |
| über das Bauvorhaben unmöglich gemacht. Der Bezirk hat den Bauantrag | |
| abgelehnt und „wird die Genehmigung auch auf Weisung von oben nicht | |
| erteilen“, kündigt Schmidt an. Nun muss der Senat entscheiden. | |
| Ist die Idee von einem gemeinsamen Vorgehen von Investoren und | |
| KiezakteurInnen also gescheitert? Hajo Toppius von Verein für alternative | |
| Stadtraumnutzung will die Hoffnung noch nicht aufgeben. Aber wirklich daran | |
| zu glauben scheint nur noch einer: der Investor. | |
| 21 Apr 2017 | |
| ## AUTOREN | |
| Manuela Heim | |
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