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# taz.de -- Ausstellung im Berliner Kindl-Zentrum: Reisen als Gefühl
> Die deutsch-iranische Künstlerin Shirana Shahbazi erweitert den Begriff
> künstlerischer Fotografie. Ihre Berliner Werkschau beeindruckt.
Bild: Shirana Shahbazi, Komposition-68-2013, 2013, Detail
International bekannt wurde die 1974 in Teheran geborene Künstlerin Shirana
Shahbazi mit „Goftare Nik/Good Words“ – einer fotografischen Serie, in der
sie Alltagsszenen, Porträts und Landschaften aus dem Iran kombiniert und
die verschiedenen Genres in Beziehung zueinander setzt.
In Deutschland aufgewachsen, lebt die Fotografin seit ihrem Studium 1997 in
Zürich. 2006 nahm sie an der IV. Berlin Biennale teil, doch ist „First
Things First“ ihre erste Werkschau in Berlin. In ihr werden 35 Arbeiten aus
verschiedenen Werkgruppen der vergangenen zehn Jahre präsentiert. Anders
als es der Titel vermuten lässt, überrascht die Ausstellung mit
unterschiedlichen Formaten, Sujets und Techniken, die bewusst ohne Rang
nebeneinander im Raum angeordnet sind.
Shabazis Fotografien, ihre Auswahl der Motive und deren Kombination sind
eine kontinuierliche Auseinandersetzung über die Wahrnehmung von Bildern
und die Grenzen des Mediums. „Fotografie ist präzise und unscharf
zugleich“, beschreibt sie das Spannungsfeld ihrer künstlerischen Arbeit, in
der sie Bildtypen und -genres miteinander kombiniert.
## Stillleben treffen auf Alltags- und Reiseansichten
Wie kann sich beispielsweise etwas ganz Alltägliches über Format und Größe
als Bild behaupten? In der Berliner Ausstellung treffen großformatige
Stillleben auf geometrische Abstraktion, fotografische Inszenierungen auf
flüchtige Alltags- und Reiseansichten. Verschiedene Bildmotive werden zu
mehrteiligen Gruppen arrangiert, in deren Nebeneinander sich ein
Gedankenraum auftut. Runde Mickey Mouse neben spitzer Palme. Farbflächen
neben Op-Art.
Reisen als Gefühl, betont die Künstlerin, sei für sie wichtig, um eine
Distanz herzustellen. Trotzdem wollte sie nach ihrer frühen Serie „Goftare
Nik/Good Words“ nicht auf den Iran festgelegt werden. „Die Abstraktion war
eine bewusste Entscheidung, um aus der thematischen Ecke herauszukommen“,
erinnert sie sich.
Nun zeigt die Ausstellung im M2 des Kindl–Zentrum für zeitgenössische Kunst
erstmalig auch privat entstandene Reisebilder als zweifarbige Lithografien.
Darunter sind Schnappschüsse, die mit der Digitalkamera oder dem Handy
während einer dreimonatigen Reise im Auto von Zürich nach Teheran
entstanden sind. Eine ambulante Autoraststätte, die Meeresbrandungen,
Wolken, ein Mädchen in einem Springbrunnen.
## Die Arbeiten sind analog
Durch die Farbreduktion fordern die Bilder eine längere und genauere
Auseinandersetzung ein. Die großen fotografischen Abzüge sind analoge
Fotografien, vom Negativ geprintet. „Aber auch das ist kein
Fundamentalismus“, kommentiert Shahbazi ihre Vorgehensweise. „Früher wurde
thematisiert, dass ich Iranerin bin – heute, dass meine Arbeiten analog
sind.“
Seit Oktober 2016 ist das privat finanzierte Berliner Kindl–Zentrum für
zeitgenössische Kunst in der ehemaligen Kindl-Brauerei im Maschinen- und
Kesselhaus mit jeweils drei unterschiedlichen Ausstellungsformaten
vollständig für das Publikum geöffnet.
2011 kauften die Kunstsammler Salome Girard und Burghard Varnolt den
denkmalgeschützten Klinkerbau im einst ungeliebten Neuköllner
Rollbergviertel. Das sakral aufragende Industriegebäude wurde von dem
Ehepaar, das in der Schweizer Finanz- und Immobilienbranche tätig ist,
hochwertig saniert und für den Ausstellungsbetrieb umgebaut.
Die künstlerische Leitung der privaten Institution hat der Schweizer
Kunstkritiker und Kurator Andreas Fiedler übernommen. Während hinter dem
Kunstzentrum schon neue Wohnkomplexe entstehen, blickt man auf der anderen
Seite aus dem zweiten Stock des ehemaligen Maschinenhaus noch auf „Berlins
größte Indoor-Kartbahn“.
## Mehrfach belichtete dreidimensionale farbige Körper
In einem weiteren Raum der Ausstellung im ehemaligen Brauereigebäude zeigt
Shirana Shabazi eine reduzierte Installation mit sechs geometrisch
abstrakten Kompositionen in einer für den Betrachter besonderen
Lichtsituation. Die flächig erscheinenden Studioaufnahmen entstanden durch
Mehrfachbelichtung der dreidimensionalen, farbiger Körper.
Nun werden die gelben, roten und blauen Scheinwerfer so ausgerichtet, dass
in ihrer Summe gebündelt weißes Licht entsteht. Und nur durch eine leichte
Verschiebung zerfällt das Weiß an den Rändern wieder in seine Bestandteile
und verweist mit minimaler Geste auf das Wesen der Fotografie.
„Es ist schwierig, nur mit Fotografie eine künstlerische Behauptung
aufzustellen. Und ich finde, viele geben zu früh auf. In der Hinsicht war
ich stur und dachte, man kann doch bei dem Medium Fotografie bleiben und
so, als ob ich Malerin wäre, diesen Space behaupten. Das ist das, was ich
handwerklich beherrsche.“ In ihrer Berliner Ausstellung ist es Shirana
Shahbazi gelungen.
5 Apr 2017
## AUTOREN
Eva-Christina Meier
## TAGS
Fotografie
Schwerpunkt Iran
Fotografie
Braunschweig
Kinderbuch
Pablo Neruda
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