# taz.de -- Deutsch-iranische Künstlerin angeklagt: Trauer erlaubt, Politik ve… | |
> Parastou Forouhar gedenkt jedes Jahr in Teheran des Mordes an ihren | |
> Eltern. Nun wurde sie auf die Anklagebank gesetzt. | |
Bild: „Die Angehörigen der Ermordeten und unsere Anwälte, sind bis zum heut… | |
Seit 19 Jahren fährt die deutsch-iranische Künstlerin Parastou Forouhar | |
jedes Jahr nach Teheran, um den Mord an ihren Eltern zu beklagen und | |
gemeinsam mit Verwandten und Freunden zu trauern. Es ist eine Reise in eine | |
verkehrte Welt. Forouhar fordert unermüdlich, dass die Tat endlich | |
aufgeklärt und die Täter zur Rechenschaft gezogen werden. Doch nun wurde | |
sie selbst, anstelle der Auftraggeber und Schergen, die ihre Eltern brutal | |
ermordet haben, auf die Anklagebank gesetzt. Ihr werden „Propaganda gegen | |
den islamischen Staat“ und Blasphemie vorgeworfen. | |
Es waren die „Kettenmorde“ von 1989, eine Serie von Morden, denen | |
oppositionelle Schriftsteller, Journalisten und Intellektuelle zum Opfer | |
fielen. Zu ihnen gehörten Parastous Eltern, beide führende Oppositionelle. | |
Sie wurden am 22. November 1989 in ihrem Haus überfallen und bestialisch | |
ermordet. | |
Die Empörung im Land war so groß, dass der Geheimdienst gestehen musste, | |
die Morde in Auftrag gegeben zu haben. 2001 gab es einen umstrittenen | |
Schauprozess, bei dem 18 Beamte wegen des Mordes an dem Ehepaar Forouhar | |
und den Schriftstellern Mohammad Mokhtari und Mohammad Jafar Pouyandeh | |
angeklagt wurden. Doch die Täter und ihre Hintermänner kamen ungeschoren | |
davon. | |
„Im Hinblick auf solche Vertuschungen sind wir, die Angehörigen der | |
Ermordeten und unsere Anwälte, bis zum heutigen Tag um eine gerechte | |
Wahrheitsfindung bemüht. Das zu erreichen, sehe ich als mein Recht und | |
meine Aufgabe an“, sagt Parastou Forouhar. Die international bekannte | |
Künstlerin lebt seit 1991 in Deutschland, sie hat die deutsche und | |
iranische Staatsbürgerschaft. | |
## Vorwurf: Propaganda | |
Bei ihrem Besuch im vergangenen Jahr reichte das Informationsministerium | |
eine Klage gegen sie ein, die vor dem Revolutionsgericht landete. Zum einen | |
wurde ihr Propaganda gegen die Islamische Republik vorgeworfen. Damit sind | |
ihre kritischen Notizen über ihre jährlichen Besuche, Berichte über | |
Raubüberfälle im Haus ihrer ermordeten Eltern und ihre Interviews mit den | |
Medien gemeint. Im Klartext heißt das, sie ist angeklagt, weil sie über die | |
Verbrechen des Regimes nicht schweigt. | |
Zum anderen geht es um ihre Kunst, die das Informationsministerium als | |
„Beleidigung des Sakrosankten“ bezeichnet. Konkret geht es um Arbeiten von | |
vor zehn Jahren, um Sitzsäcke mit religiösen Motiven, die sie | |
Countdown-Serie nennt. | |
Als Parastou Forouhar kürzlich wieder in den Iran reiste, wurde ihr der | |
Pass abgenommen. Sie wandte sich an das Präsidialamt. Dort wurde ihr | |
mitgeteilt, dass die Trauerzeremonie für ihre Eltern erlaubt sei. Die Feier | |
dürfe aber nicht politisch instrumentalisiert werden. Für jede unerlaubte | |
Handlung sei sie verantwortlich. | |
Daraufhin veröffentlichte Forouhar einen Aufruf an die Teilnehmer der | |
Zeremonie, in dem es hieß: „Kommt, um zwei Stunden lang schweigend unserer | |
Geliebten zu gedenken, die der Unterdrückung und politischen Gewalt zum | |
Opfer fielen. Unser Schweigen ist voll mit Unausgesprochenem. Es ist eine | |
Hoffnung auf den Tag, an dem wir unser Recht auf die Freiheit des Wortes | |
zurückerlangen.“ | |
## Risiken vor Gericht | |
Tatsächlich konnte die Trauerfeier ohne Zwischenfälle abgehalten werden. | |
Die Zahl der Teilnehmer war weit größer als in vergangenen Jahren, darunter | |
waren auch viele Jugendliche. Die Gäste schwiegen, nur Parastou sprach ein | |
paar Worte. „Gedenken wir dessen, was geschehen ist und warum“, sagte sie. | |
Bereits vor ihrer Reise hatte Parastou lange überlegt, ob sie beim Gericht | |
erscheinen und damit die möglichen Folgen und Risiken auf sich nehmen | |
sollte. Doch sie entschloss sich, nicht vor der Justiz zu kapitulieren. | |
Denn sie wollte ihren Versuch, die Wahrheit ans Licht zu bringen, nicht | |
aufgeben. „Es wird mit allen Mitteln versucht, mir Hürden in den Weg zu | |
stellen, damit ich zu dem Ergebnis komme, es habe keinen Sinn, weiter auf | |
das Recht zu pochen“, sagte sie in einem Interview. | |
Der erste Tag der Gerichtsverhandlung verlief reibungslos, der Prozess wird | |
vermutlich mehrere Wochen oder gar Monate dauern. Zum Glück verordnete das | |
Gericht kein Ausreiseverbot, auch ihren Pass bekam Forouhar zurück. | |
Dass die Trauerfeier zum ersten Mal legal stattfinden konnte, war ein | |
Erfolg. Bemerkenswert war auch, dass ein Parlamentsabgeordneter gegen den | |
Prozess protestierte. Es sei „verwunderlich“, dass man, statt Frau Forouhar | |
zu trösten, ihr den Prozess macht, sagte der Konservative Ali Mottahari. | |
7 Dec 2017 | |
## AUTOREN | |
Bahman Nirumand | |
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