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# taz.de -- Deutsch-iranische Künstlerin Forouhar: Wie sie das Unaushaltbare a…
> Im Widerstand gegen Repression ist Parastou Forouhar eindeutig, die
> Stärke ihrer Kunst liegt in der Ambivalenz. Das zeigt eine Ausstellung in
> Chemnitz.
Bild: Schmetterlinge aus verletzbaren Körpern: Parastou Forouhar
Das Zarte und der Schmerz wohnen eng beieinander in der Kunst von Parastou
Forouhar. Gezeichnete Schmetterlinge begannen 2009 in ihr Werk zu ziehen,
sie folgten der [1][Grünen Bewegung im Iran], einer kurzen Phase des
Aufbruchs und der Hoffnung. Die Formen der Schmetterlinge sind filigran,
die symmetrischen Flügel fein gemustert.
Erst in der Annäherung entdeckt man allmählich, dass sich die Muster
vielfach aus Körpern zusammensetzen: gefallenen Körpern, Trauernden,
Abstürzenden. Sie sind „wie ein Archiv“, sagt Parastou Forouhar vor einer
Reihe der Schmetterlinge, die sie in Chemnitz im Museum Gunzenhauser
aufbaut. „Jedes Motiv geht zurück auf ein Ereignis von Aufstand, Widerstand
und Repression.“ Der Schmetterling, er ist so leicht verletzbar.
In diesem Frühjahr wurde die deutsch-iranische Künstlerin Parastou
Forouhar mit dem Gabriele Münter Preis ausgezeichnet, der an Künstlerinnen,
die älter als vierzig Jahre alt sind, verliehen wird von einer
Arbeitsgemeinschaft aus mehreren Kunstverbänden. Zum Preis gehört die
Ausstellung in Chemnitz, besitzen die dortigen Kunstsammlungen doch viele
Bilder aus dem Werk von Gabriele Münter.
[2][Mit Parastou Forouhar stellen fünf weitere Künstlerinnen der Shortlist
aus, Esra Ersen, Else Gabriel, Ana Prvački, Annegret Soltau und Hoda
Tawakol.] Eine Woche vor der Ausstellungseröffnung am 26. September kann
ich die Künstlerin während des Ausstellungsaufbaus treffen.
## Die Besucher anpusten
In einem Raum wird sie sich direkt auf [3][Gabriele Münter] beziehen,
inspiriert von kleinen Stillleben mit Spielzeugen. Forouhar hat dafür
Windrädchen vorbereitet, die Besucher anpusten können. Der Atem treibt sie
dann an. Aber die Figuren, die innen in die Flügel gezeichnet sind, sind
eingefroren in Bewegungslosigkeit. Da ist es das Starre, das auf das
Lebendige trifft.
In vielen ihrer Zeichnungen, Fotografien und Installationen werden
ornamentale Formen und repetitive Muster zitiert. Das stellt einerseits
eine Verbindung zu traditionellen Kunstformen im Iran her, ist andererseits
aber auch beklemmend, einengend, furchterweckend.
„Da ist der Wille, auszubrechen, aber durch das Raster, das im System
verankert ist, wird man wieder hereingeholt. Jeder Ausbruchsversuch wird zu
einer Störung, die die Möglichkeit, die Erinnerung an einen Ausbruch in
sich trägt, aber auch immer wieder scheitert. „Das Scheitern zu erleben, an
das Scheitern zu denken, und trotzdem nicht aufzugeben, auch das ist
Wiederholung“, erläutert die Künstlerin.
## Ein politisches Mahnmal
1991 hat Parastou Forouhar, 1962 in Teheran geboren, den Iran verlassen und
kam mit ihren beiden damals noch kleinen Söhnen nach Deutschland. In
Teheran hatte sie ihr Kunststudium begonnen, in Offenbach setzte sie es
fort. Ihre Eltern, Dariush und Parvaneh Forouhar, gehörten der politischen
Opposition an. Sie wurden 1998 ermordet in politischem Auftrag. [4][Das hat
Parastou Forouhar zu einer Aktivistin gemacht,] die seit vielen Jahren um
Aufklärung und Gerechtigkeit kämpft.
In einem Katalog, [5][„wie? wieder widerstand“, den sie gerade mit ihren
Arbeiten herausgebracht hat], sind auch mehrere der Reiseberichte zu lesen,
die sie jedes Jahr geschrieben hat. Denn jedes Jahr fährt Forouhar im
November in den Iran zurück, um in ihrem Elternhaus einen Gedenktag für die
Ermordeten abzuhalten. Das ist immer mit Verhören bei der Ein- und Ausreise
verbunden. Das Elternhaus ist ein persönlicher Ort der Erinnerung, aber
auch ein politisches Mahnmal.
„Das Haus ist nicht nur ein Erbe“, schreibt sie in ihrem Bericht zur Reise
2024. „Es verkörpert ein Vermächtnis, das mich an sich bindet – egal, ob
ich dort bin oder weg davon. Es spiegelt meine Liebe zu meiner Heimat
wieder und meinen Schmerz um sie.“ Lange war es den von ihr zum gemeinsamen
Gedenken Eingeladenen verboten zu kommen. Dass sich das geändert hat, sieht
sie als einen Erfolg ihrer Beharrlichkeit.
Teil der Ausstellung ist ein Raum mit einer Dokumentation zu der Geschichte
ihrer Eltern, deren Ermordung, ihrem Bemühen um Gerechtigkeit. Die
Materialien der Dokumentation wachsen ständig. Dazu gehört auch der
Briefwechsel mit dem Auswärtigen Amt Deutschlands und dessen ausweichenden
oder nichtssagenden Antworten.
Ob sie mit dieser Arbeit die eigenen Wunden nicht immer wieder aufreiße,
frage ich die Künstlerin. „Natürlich gibt es auch Momente, wo mich das
überfordert“, antwortet Parastou Forouhar. „Widerstand ist Arbeit, das ist
auch zermürbend. Aber ist gibt keinen anderen Weg. Das ist meine
Geschichte. Das beiseitezulegen, wäre ein Verneinen dessen, was ich bin.
Das wäre noch schlimmer als das Aushalten der Momente der Anstrengung und
der Angst.“
## Verhüllung triggert den Voyeurismus
In ihrer aktivistischen Arbeit ist Parastou Forouhar eindeutig und
zielgerichtet. In der Sprache ihrer Kunst dagegen liegt die Stärke oft in
den Ambivalenzen. Da gibt es eine vierteilige Fotoarbeit, „Freitag“ (2003),
vier Bahnen von dunklem Stoff. Nur in einer Bahn wird ein wenig vom Körper
darunter sichtbar, wahrscheinlich Teil einer Hand, die den Stoff hält.
Deren Form aber ist doppeldeutig, die Öffnung der Glieder erotisch
aufgeladen. Die Verhüllung triggert den Voyeurismus, je weniger man sieht,
desto mehr Fantasmen lassen sich hineinlegen.
Vieldeutig sind auch die Papierbahnen voller Augen, die Ketten und Gitter
bilden. Ein Moment von Verführung, der sprechenden und betonten Augen liegt
darin ebenso wie der bedrohliche Zustand des Angestarrt-Werdens und der
Überwachung. Die Einschränkung der Sichtbarkeit von Frauen und weiblichen
Körpern in religiös fundamentalistischen Diktaturen ist darin ebenso
eingespeist wie die Erfahrung, im Exil als Fremde markiert und
ausgeschlossen zu werden.
Im September 2022 war Parastou Forouhar, die in Hessen lebt, Schirmherrin
der Tage des Exils. Ihre eigene Identität als Geflüchtete und Exilantin
schärft ihren Blick auf die Entwicklung in Deutschland, dem Land, in dem
sie zu Hause ist. „Ich muss das jetzt viel mehr betonen als früher“, sagt
sie. „Wenn ich Gewalt und Unterdrückung thematisiere, dann geht es nicht
nur um den Iran.
Es geht auch um einen Teil von mir, der geflüchtet ist, der Exilantin ist
und immer mehr hier in diesem Land erlebt, wie die Rechte von Geflüchteten,
Exilanten beschnitten werden. Repression breitet sich auch in westlichen
Demokratien aus, die ihre Grundwerte komplett mit Doppelmoral behandeln.“
## Griffe der Unterdrückung
Die Themen von Parastou Forouhar wiegen schwer. Die Formen ihrer Kunst
dagegen betonen oft das Leichte und Spielerische, wie Schmetterlinge und
Windrädchen. Das erscheint manchmal als ein Weg, das Unaushaltbare
aushaltbar zu machen. Aber das ist oft nur ein vorübergehender Eindruck,
denn in der Annäherung, dem genauen Hinsehen, offenbaren die visuellen
Elemente dann ja doch die grausamen Griffe der Unterdrückung.
Der Bewegung [6][„Frau, Leben, Freiheit“] traut Parastou Forouhar noch viel
Kraft zu. „Das konnte nicht das gesamte politische System außer Kraft
setzen, aber vieles hat sich verändert. Die Frauen erobern sich ihre
Präsenz in der Öffentlichkeit zurück. Als ich im November 2024 dort war,
waren vielleicht 20 Prozent der Frauen im öffentlichen Raum unverschleiert,
das sind jetzt mehr geworden. Jede Frau, die unverschleiert auf die Straße
geht, ist wie eine Parole gegen das System.“
25 Sep 2025
## LINKS
[1] /Iranischer-Regisseur-ueber-Repressionen/!5126077
[2] https://www.kunstsammlungen-chemnitz.de/ausstellungen/gabriele-muenter-prei…
[3] /Ausstellung-ueber-Expressionistin/!5920790
[4] /Deutsch-iranische-Kuenstlerin-angeklagt/!5468558
[5] https://www.parastou-forouhar.de/blog/
[6] /Drei-Jahre-nach-dem-Tod-Mahsa-Aminis/!6109990
## AUTOREN
Katrin Bettina Müller
## TAGS
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