# taz.de -- Flüchtlinge und Retter auf dem Mittelmeer: Schrecklicheres verhind… | |
> Am Osterwochenende häuften sich Notrettungen von Flüchtlingen, mehr als | |
> 5.000 wurden lebend geborgen. Vermutlich gab es trotzdem mehrere Tote. | |
Bild: Die Iuventa von „Jugend rettet“ – nun selbst in Seenot, weil zu vie… | |
Eine bislang beispiellose Serie von Seenotfällen hat am Osterwochenende im | |
Mittelmeer Flüchtlinge und Retter in dramatische Situationen gebracht. | |
Insgesamt wurden mehr als 5.000 Menschen gerettet, vermutlich starben | |
mehrere Dutzend. | |
[1][Das Schiff Iuventa der deutschen Organisation Jugend Rettet] nahm am | |
Samstag 400 Schiffbrüchige an Bord. Es war daraufhin selbst | |
manövrierunfähig und musste einen Notruf absetzen. Weitere 400 Menschen | |
trieben derweil ohne Rettungswesten in kleinen Booten in der Nähe der | |
Iuventa. „Wenn nicht schnellstmöglich Hilfe kommt, werden wir hier bald | |
hunderte Tote haben“, sagte der Kapitän der Iuventa am Sonntag. | |
Zwar schickte die italienische Marine von der Insel Lampedusa Schiffe. | |
Diese mussten aber schon unterwegs so viele andere Flüchtlinge an Bord | |
nehmen, dass sie wieder umkehrten. Erst am Montagvormittag gab die Iuventa | |
Entwarnung. | |
Auch das Schiff Sea-Eye der gleichnamigen deutschen Rettungsorganisation | |
nahm am Samstag vor der libyschen Küste 210 Flüchtlinge an Bord. Dabei | |
ertranken nach Angaben von Sea-Eye „vermutlich acht bis zehn Menschen“. | |
Weil die Sea-Eye selbst nur für acht Personen ausgelegt ist, trieb sie bis | |
Montagmittag auf halbem Weg zwischen Libyen und Italien. Am Montag kam ein | |
italienischer Seenotrettungskreuzer hinzu. Die Flüchtlinge konnten jedoch | |
wegen hohen Wellengangs nicht von der Sea-Eye auf den italienischen Kreuzer | |
wechseln. | |
## 1.500 Menschen in neun Schlauchbooten gerettet | |
Die maltesische NGO MOAS war über 24 Stunden unentwegt im Einsatz. Dabei | |
rettete sie nach eigenen Angaben mehr als 1.500 Menschen von neun | |
Schlauchbooten. Im Laufe des Samstags hatte das MOAS-Schiff Phoenix vor der | |
Küste Libyens 437 Menschen an Bord genommen, seine Aufnahmekapazität war | |
damit erschöpft. Weil keine weiteren Schiffe zur Hilfe kamen, musste die | |
Phoenix jedoch die Nacht zum Sonntag über Wache neben rund 1.000 weiteren | |
Menschen auf manövrierunfähigen Schlauchbooten halten. Erst am Sonntag | |
wurden diese schließlich von anderen Schiffen aufgenommen. | |
Die Initiative Watch the Med Alarmphone erhielt am Samstagmorgen den Notruf | |
eines Schlauchbootes mit 150 Menschen, das am Vorabend nördlich des | |
libyschen Al-Chums in See gestochen war. „Wir haben sie über 24 Stunden am | |
Telefon begleiten müssen, bevor endlich Rettung kam“, sagt Hagen Kopp vom | |
Alarmphone. Die vom Alarmphone informierte Rettungsleitstelle in Rom wies | |
den Tiertransporter Lady Rasha und den Frachter AS Elenia vergeblich an, | |
die Flüchtlinge an Bord zu nehmen. | |
Nur der vom Alarmphone veranlasste Einsatz eines privaten Suchflugzeugs | |
machte das Schlauchboot ausfindig. Schließlich kehrte die AS Elenia wieder | |
um und hielt die Nacht über Wache bei den Schiffbrüchigen. Die Crew wollte | |
aber nicht eingreifen, solange das Schlauchboot nicht kenterte. 24 Stunden | |
nach Absetzen des ersten Notrufs kam schließlich ein norwegisches | |
Frontex-Schiff und nahm die Menschen auf. | |
„Alle reden davon, dass in Libyen Tausende warten, um bei gutem Wetter die | |
Überfahrt zu wagen“, sagte Kopp. „Dann passiert das und es gibt keine | |
Rettungskapazitäten.“ Es sei ein Wunder, dass das Osterwochenende „nicht | |
das tödlichste seit Jahren wurde“. Kopp macht der | |
EU-Anti-Schlepper-Militärmission EUNAVFOR MED Vorwürfe. Diese sei mit | |
vielen Schiffen vor Ort. „Sie haben die Kapazitäten, aber sie retten längst | |
nicht so, wie es ihre Möglichkeiten hergeben würden“. Dies sei | |
„offensichtlich politisch so gewollt“, sagte Kopp. | |
17 Apr 2017 | |
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## AUTOREN | |
Christian Jakob | |
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