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# taz.de -- Schuldenuhr des Steuerzahlerbundes: Merkwürdige Zeitansage
> Die sogenannte Schuldenuhr in Berlin erweckt den Eindruck, als stiegen
> die deutschen Staatsschulden permanent. Das Gegenteil ist der Fall.
Bild: Steigt und steigt und steigt – angeblich: Die Staatsschulden Deutschlan…
Berlin taz | Wer durchs Berliner Regierungsviertel spaziert, hat gute
Chancen, an der Schuldenuhr des Steuerzahlerbundes vorbeizukommen. Die
Digitalanzeige hängt über dem Eingang der Lobbyorganisation in der Nähe des
Hauptbahnhofs. Die großen, roten Digitalziffern wechseln in hektischem
Rhythmus, unablässig steigt die Summe der deutschen Staatsschulden.
68 Euro kommen pro Sekunde hinzu. Mit 2.032 Milliarden stehen wir alle
zusammen in der Kreide. Stattet man am nächsten Tag eine Besuch ab, sind es
schon wieder 6 Millionen Euro mehr. Die Botschaft, die das Zahlengeflimmer
aussendet, steht freilich in merkwürdigem Gegensatz zur aktuellen Lage.
Hat doch Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble gerade erst verkündet, auch
in diesem und den nächsten Jahren ohne neue Schulden auszukommen. Das Jahr
2016 beendeten Bund, Länder, Gemeinden und Sozialversicherungen mit einem
Überschuss von 24 Milliarden Euro – dem Gegenteil von zusätzlichen
Krediten.
Installiert hat der Steuerzahlerbund seine Schuldenuhr im Jahr 1995. Die
Organisation, die ihre Mitglieder beim Steuersparen berät, will damit vor
unsolider Finanzpolitik und der Verschwendung öffentlicher Gelder warnen.
Lange Zeit verfing diese Ansage, besonders als die Staatsverschuldung nach
der Finanzkrise explodierte. Nun aber ist man in Erklärungsnot.
Dass die Anzeige immer noch steigende Kredite ausweist, erklärt der Experte
beim Steuerzahlerbund so: Für das laufende Jahr würden einige Bundesländer,
darunter Nordrhein-Westfalen, zusätzliche Schulden einplanen. Unter dem
Strich nähmen damit die roten Zahlen der Länder zu. Umgerechnet ergibt das
einen Zuwachs von 68 Euro pro Sekunde.
## Einmalig sinken, ständig steigen
Ob sich diese Planung allerdings erfüllt, weiß niemand. Im vergangenen Jahr
war es nicht so. Da ging man lange Zeit von einem Defizit aus, hinterher
stand unter dem Strich jedoch ein Plus. Angesichts der guten
Wirtschaftslage erscheint es nicht unwahrscheinlich, dass 2017 ähnlich
verläuft. „Wenn Planung und Wirklichkeit so weit auseinander liegen,
vermittelt die Uhr ein falsches Bild“, sagt Kristina van Deuverden vom
Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW).
Die Überschüsse der Staatsfinanzen von 2016 hat der Steuerzahlerbund in
seine Schuldenuhr noch nicht eingespeist. Das passiere erst Ende des
Monats, wenn die entsprechenden Zahlen des statistischen Bundesamts
vorlägen, heißt es. Dann werde die Uhr um beispielsweise 10 Milliarden Euro
zurückgestellt, von 2.032 auf 2.022 Milliarden Euro.
Wer dann in jenem Augenblick die Uhr auf der Berliner Reinhardstraße
beobachtet, wird sehen, dass der Schuldenstand sinkt. Nach diesem
glücklichen Moment werden die Zahlen aber wieder munter klettern – und den
Eindruck vermitteln, dass die Verschuldung permanent wächst.
## „Nicht nachvollziehbar“
Doch genau das tut sie nicht. „Der Schuldenstand in Deutschland geht seit
2012 nicht nur im Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt, sondern auch in
absoluten Größen zurück“, heißt es im Bundesfinanzministerium. „Dass die
Schuldenuhr immer noch nicht rückwärts läuft, ist nicht nachvollziehbar.“
Die simple Darstellungsweise der Digitalanzeige verschleiert die Realität.
Ein Beispiel: 2013 erreichten die deutschen Staatsschulden 77,5 Prozent des
Bruttoinlandsprodukts. Jetzt sind es noch 66 Prozent. Für 2020 rechnet
Schäuble mit 60 Prozent. „Für den schnellen Betrachter im Alltag deutet die
Schuldenuhr jedoch in die entgegengesetzte Richtung“, stellt Ökonomin van
Deuverden fest.
Ihr Kollege Jens Boysen-Hogrefe vom Kieler Institut für Weltwirtschaft
sieht das ähnlich. „Die relevante Größe sind die Staatsschulden im
Verhältnis zur Wirtschaftsleistung“, fügt er hinzu. „Isoliert betrachtet
kann die Schuldenuhr deshalb keinen ausreichenden Eindruck vermitteln. Der
aktuelle Schuldenstand in Deutschland ist nicht besorgniserregend.“
17 Mar 2017
## AUTOREN
Hannes Koch
## TAGS
Bundesregierung
Staatsschulden
Schuldenbremse
Studiengebühren
Performance
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