# taz.de -- Zu wenig Vollzugsbeamte: Resozialisierung fällt aus | |
> Die Personalsituation bei den Strafvollzugsbediensteten ist angespannt. | |
> Der G20-Gipfel sorgt wegen des Untersuchungsgefängnisses Hahnöfersand für | |
> Engpässe | |
Bild: Viel Zäune, wenig Mitarbeiter: In Hamburgs Gefängnissen herrscht Person… | |
HAMBURG taz | Die Personalsituation im Hamburger Strafvollzug ist prekär: | |
Das ergeben nicht nur die permanenten Senatsanfragen von FDP und CDU. | |
Darüber beklagt sich auch die Strafverteidigervereinigung, da | |
Begehrlichkeiten der Gefangenen nicht erfüllt werden können. Sogar | |
Justizsenator Till Steffen (Grüne) räumt unumwunden ein, dass mindestens | |
100 VollzugsbeamtInnen fehlen, Stellen nicht besetzt oder krankheitsbedingt | |
vakant sind. | |
Erst am Wochenende hatte der Vorsitzende des Bundesverbandes der | |
Strafvollzugsbediensteten (BSBD), Rene Müller, ein Treffen der | |
Landesverbände in Hamburg dazu genutzt, kräftig auf die Lobbyistentrommel | |
für mehr Personal zu schlagen. Unter dem Personalmangel leide die Betreuung | |
der Gefangenen, sagte Müller. „Unsere eigentliche Aufgabe ist ja | |
Resozialisierung – Betreuung von Gefangenen.“ | |
Doch die Strafvollzugsbediensteten seien „schon froh, wenn wir die | |
Sicherungsaufgaben gewährleisten können“, so Müller. Für vertrauliche | |
Gespräche bliebe keine Zeit, oft müsse der Sport oder die Ausbildung in den | |
Betrieben ausfallen und Arztbesuche und betreute Ausgänge könnten nicht | |
stattfinden. Das wiederum würde das Konfliktpotenzial der Gefangenen | |
ansteigen lassen, sodass die Zahl der Übergriffe auf Bedienstete zugenommen | |
habe. | |
## Zu wenig ausgebildet | |
„Die Verfehlungen der Vergangenheit rächen sich jetzt bitterlich“, | |
konstatiert der CDU-Justizpolitiker Richard Seelmaecker und macht | |
Justizsenator Till Steffen „persönlich“ dafür verantwortlich – womit er… | |
gewisser Weise recht hat, obwohl die CDU die politische Verantwortung | |
trägt. Denn es war der damalige Justizsenator Steffen, der sich 2009 nach | |
der Förderalismusreform im schwarz-grünen Senat dem Spardiktat fügen musste | |
und die zweijährige Ausbildung des Strafvollzugs-Nachwuches aussetzte – was | |
er wohl heute bereut. | |
Erst im Jahr 2013 ließ die SPD-Justizsenatorin Jana Schiedek die Ausbildung | |
für Strafvollzugsbedienstete wieder aufnehmen. Seit 2015 ist Steffen wieder | |
Senator und hat eine „Ausbildungsoffensive“ gestartet. Statt drei | |
Lehrgängen mit 60 Anwärtern werden fünf Lehrgänge mit 100 Auszubildenden | |
pro Jahr angestrebt. Doch es mangelt an qualifizierten BewerberInnen. | |
## Nicht genug Bewerber | |
„Die Zahl der Bewerber hat 2016 nur für vier Ausbildungsgänge gereicht“, | |
berichtet die Sprecherin der Justizbehörde Marion Klabunde. Es sei nicht | |
einfach, geeignete BewerberInnen zu finden – und ausgebildetes Personal für | |
den Strafvollzug ist auf dem freien Arbeitsmarkt nicht verfügbar. „Würde | |
irgendwo eine Justizvollzugsanstalt geschlossen, übernehmen wir das | |
Personal sofort“, scherzt Klabunde. | |
Weil nun auch noch der G20-Gipfel ansteht und eine Gefangenensammelstelle | |
(Gesa) der Polizei in Harburg für bis zu 400 in Gewahrsam genommene | |
Demonstranten eingerichtet werden soll, warnte BSBD-Chef Müller vor einem | |
möglichen Kollaps. Er befürchtete, „dass die Innenbehörde mit Sicherheit | |
die Begehrlichkeit haben wird, dass wir Personal abstellen“. Doch das wird | |
die Justiz laut Behördensprecherin Klabunde nicht machen. Die Gesa sei | |
allein Sache der Polizei. „Wir kümmern uns nur um die Untersuchungshaft“, | |
sagt Klabunde. | |
Allein das wird jedoch ein Kraftakt. Denn die Justizbehörde hat für den | |
G20-Gipfel eigens das ehemalige Frauengefängnis Hahnöfersand zum | |
Untersuchungsgefängnis mit 100 Haftplätzen umbauen lassen. Das Gefängnis | |
muss mit nun zusätzlichem Personal bespickt werden. Für den Juli, rund um | |
den G20-Gipfel herrscht deshalb eine Urlaubssperre. | |
16 Mar 2017 | |
## AUTOREN | |
Kai von Appen | |
## TAGS | |
Strafvollzug | |
G20 | |
Till Steffen | |
Resozialisierung | |
Protest | |
G20 | |
G20 | |
Sicherheitsmaßnahmen | |
Terrorismusbekämpfung | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
G20-Gipfel: 1,8 qm Verweilraum | |
In der Gefangenensammelstelle in Harburg sollen Festgenommene untergebracht | |
werden. Die Linke kritisiert den minimalen Platz und fehlende Toiletten. | |
Anschlag auf Polizeiwagen: G20-Gipfel: Die heiße Phase beginnt | |
Vor einer Hamburger Polizeiwache brennen acht Einsatzfahrzeuge aus – der | |
zweite Anschlag in zwei Wochen. Die Polizei rechnet mit weiteren Attacken | |
G-20-Finanzminister in Baden-Baden: Ironischer Protest vor dem Casino | |
Vorträge und kritische Performance: Der Auftakt der Anti-G20-Proteste ist | |
zivil. Am Samstag ist eine größere Demonstration geplant. | |
G-20 Vorbereitungen in Hamburg: Polizei baut Mega-Knast | |
In Harburg hat der Aufbau einer großen Sammelstelle für Gefangene begonnen. | |
Die Gipfelgegner sehen darin eine echte „Kampfansage“. | |
Streit um Facebook-Fahndung: Justizsenator muss sich stellen | |
FDP und CDU werfen Senator Steffen vor, die Polizei bei der Fahndung nach | |
dem mutmaßlichen Berlin-Attentäter behindert zu haben. Der Justizausschuss | |
soll es klären |