# taz.de -- Protestaktionen für Deniz Yücel: Hupen für die Pressefreiheit | |
> Aus Protest gegen die Inhaftierung des Journalisten Deniz Yücel gab es am | |
> Dienstag in vielen deutschen Städten Autokorsos und Protestaktionen. | |
Bild: DemonstrantInnen bei der Protestaktion vor der türkischen Botschaft in B… | |
Berlin/hamburg taz | In vielen deutschen Städten gab es am Dienstag | |
Protestaktionen, nachdem ein Richter in Istanbul am Montagabend | |
[1][Untersuchungshaft gegen den deutsch-türkischen Journalisten Deniz | |
Yücel] verhängt hatte. Ihm werden nach Angaben der Tageszeitung Die Welt | |
Aufwiegelung der Bevölkerung und Terrorpropaganda vorgeworfen – beanstandet | |
würden Artikel zum Kurdenkonflikt sowie zum Putschversuch in der Türkei vom | |
vergangenen Juli. Vor seiner Inhaftierung war er bereits zwei Wochen in | |
Polizeigewahrsam. | |
In Berlin hatten die Grünen eine Kundgebung vor der türkischen Botschaft | |
organisiert, zu der rund 400 DemonstrantInnen und MedienvertreterInnen | |
kamen. Dort nannte Grünen-Chef Cem Özdemir den Staat, den Erdogan in der | |
Türkei aufbaue, ein „Operetten-Sultanat“. Die Zeit für ein klares | |
Stopsignal sei reif. Zudem rief Özdemir alle Deutschtürken auf, „für Nein | |
zu stimmen beim Referendum“ am 16. April und sagte: „Das Spitzelnetzwerk in | |
Deutschland muss zerschlagen werden. Oppositionelle müssen sich in | |
Deutschland sicher fühlen können“. | |
Renate Künast sagte der taz während der Protestaktion, dass Deniz Yücel | |
zwar ein Symbol für den Zugriff Erdogans auf die Presse sei – dennoch müsse | |
man auch auf alle anderen inhaftierten Journalisten in der Türkei blicken | |
und deren Freilassung fordern. „Eigentlich kommen zu wenig Zeichen der | |
Bundesregierung,“ beklagte Künast. | |
Der Fraktionsvorsitzende der Linken, Dietmar Bartsch, mahnte an, man müsse | |
die Stationierung deutscher Soldaten in Incirlik überprüfen. Außerdem müsse | |
man fragen, ob Erdogan hier in Deutschland ein Podium für seinen Wahlkampf | |
bekomme. | |
Parallel zu der Kundgebung [2][fand in Berlin ein Autokorso statt]. Auch in | |
München, Zürich, Wien, Köln, Bremen, Hannover, Frankfurt, Leipzig und | |
Bielefeld waren Protestaktionen geplant. [3][Beim Hamburger Korso] kamen | |
knapp 200 Demonstrantinnen zusammen, um für die Freilassung zu | |
protestieren. Mit dabei war auch die Hamburger FDP-Chefin Katja Suding. | |
„Ich mache mit beim Autokorso und fordere die Freilassung des inhaftierten | |
@welt-Journalisten“, [4][twitterte sie]. Die Polizei sprach von etwa 160 | |
TeilnehmerInnen in etwa 60 Autos und noch einigen Radfahrenden. | |
Auch die Türkische Gemeinde in Hamburg und Umgebung (TGH) forderte die | |
sofortige Freilassung des Journalisten. Die Gemeinde verurteile die | |
Entscheidung des Gerichts aufs Schärfste, den 43 Jahre alten | |
Korrespondenten in Untersuchungshaft zu nehmen, sagte TGH-Geschäftsführer | |
Dirk Tröndle. „Auch wenn in der Türkei weiter der Ausnahmezustand gilt, ist | |
die Justiz dazu angehalten, mit Augenmaß und Bedacht zu handeln.“ Dies | |
betreffe auch die vielen anderen türkischen Journalisten, die seit Monaten | |
in Haft sind. | |
## Politik fordert Konsequenzen für Ankara | |
In der Welt vom Mittwoch forderte die EU-Kommission die Türkei zur | |
Einhaltung rechtsstaatlicher Prinzipien auf. „Die Europäische Kommission | |
ist sehr besorgt über die große Zahl an Verhaftungen von Journalisten in | |
der Türkei und der selektiven Anwendung der Anti-Terror-Gesetzgebung“, | |
sagte EU-Erweiterungskommissar Johannes Hahn. Die Inhaftierung Yücels | |
belastet die Beziehungen zwischen Berlin und Ankara schwer. | |
„Der Fall von Deniz Yücel zeigt leider, wie berechtigt diese Sorgen sind“, | |
sagte Hahn, der auch für die seit 2005 laufenden Beitrittsverhandlungen mit | |
der Türkei verantwortlich ist. „Die EU hat wiederholt betont, dass die | |
Türkei als Kandidatenland die höchsten demokratischen und rechtsstaatlichen | |
Standards einhalten muss, insbesondere was die Meinungs- und Medienfreiheit | |
betrifft“, sagte Hahn. | |
In Deutschland forderten PolitikerInnen parteiübergreifend scharfe | |
Konsequenzen für Ankara bis hin zu Einreiseverboten für türkische | |
Politiker. Laut Bundesaußenminister Sigmar Gabriel (SPD) steht das | |
deutsch-türkische Verhältnis „vor einer seiner größten Belastungsproben in | |
der Gegenwart“. Den Haftbefehl gegen Yücel kritisierte Gabriel am Dienstag | |
als „unnötig“ und „unangemessen“. Sein Ministerium habe den türkischen | |
Botschafter zum Gespräch geladen, um ihm die deutsche Haltung deutlich zu | |
machen. | |
„Die Bundesregierung muss ein Einreiseverbot für Erdogan und die türkische | |
Regierung in Deutschland verhängen“, sagte die Linken-Politikerin Sevim | |
Dagdelen der Bild-Zeitung. Sie forderte die Prüfung von „Sanktionen“ gegen | |
Präsident Recep Tayyip „Erdogan und seinen Clan“. Überdies müssten die | |
Verhandlungen über einen EU-Beitritt und die Ausweitung der Zollunion mit | |
Ankara „sofort auf Eis gelegt werden“ und die Bundeswehr müsse „aus der | |
Türkei abgezogen werden“. | |
Der CSU-Außenexperte Hans-Peter Uhl sagte mit Blick auf einen möglichen | |
Wahlkampfauftritt Erdogans vor dem umstrittenen Referendum über die | |
Einführung eines Präsidialsystems im April in der Türkei: „Ein | |
Wahlkampfauftritt Erdogans in Deutschland kommt überhaupt nicht in Frage – | |
erst recht nicht nach dem Fall Yücel.“ Mit seiner „autokratischen und | |
antidemokratischen Politik“ und seinen Plänen für eine „Präsidialdiktatu… | |
treibe Erdogan die „Türkei in den Ruin“. | |
Der innenpolitische Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag, Stephan Mayer | |
(CSU), sagte, die Inhaftierung Yücels sei ein „klarer Fall von | |
Willkürjustiz“. Für ein Einreiseverbot für türkische Regierungsmitglieder | |
sprach sich auch der FDP-Vorsitzende Christian Lindner aus. | |
## Yücel: „Mir geht es ganz gut“ | |
Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) und SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz | |
hatten bereits am Dienstag die Türkei zu Yücels Freilassung aufgefordert. | |
Eine Annäherung der Türkei an die EU werde durch den Fall Yücel „nahezu | |
unmöglich“, sagte Maas der Welt. | |
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte die Inhaftierung am Montagabend | |
als „bitter und enttäuschend“ bezeichnet und die Hoffnung geäußert, „d… | |
er bald seine Freiheit zurückerlangt“. | |
Grüne und Linke warfen Merkel daraufhin vor, sich aus politischer | |
Rücksichtnahme gegenüber Ankara nicht entschieden genug für Yücel | |
einzusetzen. Die Linke beantragte eine Aktuelle Stunde des Bundestages in | |
dem Fall. | |
Der Ex-Chefredakteur der linksliberalen türkischen Zeitung Cumhuriyet, Can | |
Dündar, schloss eine Freilassung von inhaftierten Journalisten in der | |
Türkei vor dem Verfassungsreferendum aus. „Vor dem Referendum am 16. April | |
gibt es meines Erachtens keine Chance auf Freilassung. Die Kollegen wissen, | |
dass die türkische Regierung sie als Geiseln genommen hat“, sagte Dündar. | |
(Christoph Kürbel, Jean-Philipp Baeck und Lena Kaiser mit Material von dpa | |
und afp) | |
1 Mar 2017 | |
## LINKS | |
[1] /Pressefreiheit-in-der-Tuerkei/!5388021/ | |
[2] https://twitter.com/joha_roth/status/836615373076189186 | |
[3] https://twitter.com/lakaz/status/836619915893301250 | |
[4] https://twitter.com/KatjaSuding/status/836612412593868800 | |
## TAGS | |
Schwerpunkt Deniz Yücel | |
Pressefreiheit in der Türkei | |
Schwerpunkt Türkei | |
Cem Özdemir | |
Protest | |
Recep Tayyip Erdoğan | |
Schwerpunkt Deniz Yücel | |
Senat Bremen | |
Schwerpunkt Deniz Yücel | |
Schwerpunkt Deniz Yücel | |
Schwerpunkt Deniz Yücel | |
Schwerpunkt Deniz Yücel | |
Schwerpunkt Deniz Yücel | |
Pressefreiheit in der Türkei | |
Schwerpunkt Deniz Yücel | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Türkischer Wahlkampf im Norden: Erdoğan auf Stimmenfang | |
In Bremerhaven will eine AKP-Politikerin für Zustimmung zum türkischen | |
Referendum werben. Behörden prüfen ein Verbot. Weitere AKP-Auftritte im | |
Norden stehen an. | |
Deutsch-Türkische Community und Yücel: Schadenfreude nur im Netz | |
Vor allem Linke und Intellektuelle solidarisieren sich mit dem Journalisten | |
Deniz Yücel. Einige wissen von seiner U-Haft in der Türkei noch gar nichts. | |
Deniz Yücel in U-Haft in der Türkei: Regierung fordert Zugang | |
Bundeskanzlerin Merkel fordert die Freilassung des „Welt“-Korrespondenten. | |
Ihm drohen in der Türkei bis zu zehneinhalb Jahre Haft. | |
Solidaritätsbekundung für Deniz Yücel: Kein Aufruf ohne Unterschrift | |
Deutsche Zeitungen haben eine ganzseitige Forderung nach Freiheit für | |
gefangene Journalisten in der Türkei veröffentlicht – die FAZ nicht. | |
Rechte Reaktionen zu Deniz Yücel: AKP und AfD in Häme vereint | |
„Deutschlandhasser“ und „Spion“: Auf Deniz Yücels Untersuchungshaft | |
reagieren deutsche und türkische Nationalisten mit Schadenfreude. | |
Reaktionen zum Fall Deniz Yücel: Schwache Worte und starke Bedenken | |
Kanzlerin Merkel und Außenminister Gabriel belassen es bei Appellen für ein | |
rechtsstaatliches Verfahren für Yücel. Die Opposition verlangt mehr | |
Einsatz. | |
Inhaftierte JournalistInnen in der Türkei: Solidarität darf nicht abreißen | |
Zurzeit sind 152 Journalisten in der Türkei in U-Haft. Viele warten seit | |
Monaten auf ein Verfahren. Ihre Arbeit wird als Verbrechen betrachtet. | |
Vorgehen gegen Journalist Deniz Yücel: Merkel nennt das enttäuschend | |
Der „Welt“-Korrespondent Deniz Yücel ist in türkischer Untersuchungshaft. | |
Die kann Jahre andauern. Deutschlandweit sind Proteste angekündigt. |