# taz.de -- Bremer Politikerinnen schließen auf: Frauen machen Staat | |
> In Bremen treten die Parteien mit fünf Frauen auf Listenplatz eins zur | |
> Bundestagswahl an. Das ist ein Zeichen dafür, dass sich die Zeiten ändern | |
Bild: Blumen für die Kandidatin: Bundeskanzlerin Angela Merkel überreicht der… | |
Lencke Steiner lächelt im Best-Western-Hotel Bremen East. Das Lächeln ist | |
gut, also: so gekonnt, dass es nicht aufgesetzt wirkt. Sie ist extra nach | |
hinten gekommen, beugt sich zum Händedruck übern Pressetisch, um zu sagen, | |
dass sie sich freut. „Schön, dass Sie gekommen sind!“, sagt sie. | |
Ja, uff, schön, ja, ja. Hhm! Danke auch zurück, ähm, sorry … Es ist gerade | |
der falsche Fuß. Jemand muss ihr verraten haben, dass der dicke | |
verschwitzte Mann hinten der Typ von der taz ist. Smalltalk stand nach der | |
eiligen Tour durch Nacht und Nieselregen im Anschluss an die | |
Tagesproduktion des 8. März gar nicht so auf dem Wunschzettel, eher still | |
hinten Rumdrücken. Die FDP-Delegiertenkonferenz beobachten. Schauen, wie | |
Steiner, die 2015 die FDP als Frontfrau zurück in die Bremische | |
Bürgerschaft geführt und seither deren Fraktionsvorsitz innehat, ihre junge | |
Machtposition festigt: 53 Ja-, zwei Nein-Stimmen, eine ungültig, 96 Prozent | |
und ein paar Zerquetschte, damit ist auch hier kein Zweifel mehr möglich: | |
Die fünf etablierten Parteien treten in Bremen alle zur Bundestagswahl am | |
24. September mit Frauen an der Spitze ihrer Listen an. SPD, CDU, Grüne, | |
Die Linke und eben auch die FDP. | |
Fünf Frauen, ist es das jetzt? Der endgültige Durchbruch? Der Sieg der | |
Gleichstellungspolitik? Natürlich nicht. In der Politik bleibt alles in | |
Bewegung, manchmal läuft’s, dann ergibt sich das nächste Problem, und so | |
weiter. Es gibt keine Erlösung. Aber historische Zäsuren. Und das dürfte | |
eine sein. | |
Dürfte, denn selbst der Bundeswahlleiter kann nicht beantworten, ob es eine | |
solche Konstellation, einen fast exklusiv weiblichen Wahlkreis, schon mal | |
gab in Deutschland. Die Frage passt nicht zur Erhebungsmethodik. Und auch, | |
ob es in einem anderen Wahlkreis zu einer ähnlichen Zusammensetzung kommt, | |
wird erst im Sommer abschließend geklärt. „Auf Bundessicht wird der | |
Bundeswahlleiter am 25. August 2017 Aussagen zu den Wahlbewerberinnen und | |
Wahlbewerbern machen“, teilt das Statistikamt mit. | |
Ganz amtlich wird die Konstellation auch in Bremen erst am Mittwoch. Dann | |
wird der CDU-Kreisparteitag den Listenvorschlag des Landesvorstands | |
absegnen, alles andere wäre ein krasser Bruch mit der Parteikultur. Für die | |
Christdemokraten ist Elisabeth Motschmann die Nummer eins, Staatsrätin a. | |
D., eine konservative evangelische Theologin und Publizistin mit 30 Jahren | |
Politik-Erfahrung. Bei Die Linke gab’s Mitte Februar eine Kampfkandidatur: | |
Doris Achelwilm, Pressesprecherin der Bürgerschafts-Linken und seit über | |
drei Jahren Teil der Doppelspitze der Landespartei, hat sich gegen die | |
Mandatsinhaberin Birgit Menz durchgesetzt. Bei den Grünen hatte die ewige | |
Abgeordnete Marieluise Beck im Sommer schließlich abgewinkt: Noch einmal | |
gegen die Ärztin und Psychotherapeutin Kirsten Kappert-Gonther antreten, | |
nein, das wollte sie sich nicht mehr zumuten. War ja schon vor vier Jahren | |
knapp genug gewesen. | |
Den Anfang allerdings hatte die SPD gemacht. Am 18. November wurde Sarah | |
Ryglewski aufs Schild gehoben, und auch das ist bemerkenswert: Zwar gehört | |
die vormalige Chefin des Jusos-Landesverbandes, Diplom-Politologin, in Köln | |
geboren, bereits seit 2015 dem Bundestag an, aber sie ist dort nachgerückt, | |
nachdem ihr Vorgänger Carsten Sieling Bremer Bürgermeister geworden war. | |
Auch Ryglewski musste sich gegen einen internen Mitbewerber behaupten. Der | |
wissenschaftspolitische Sprecher der Bürgerschaftsfaktion hatte sein | |
Interesse bekundet. Immerhin geht’s auch um ein Direktmandat, das seit | |
Bestehen der Bundesrepublik stets von den Sozialdemokraten erobert wurden. | |
Und stets von einem Mann. Noch nie haben die Genossen eine Frau in diesem | |
Wahlkreis rangelassen. | |
Aussichtsreiche Bundestagskandidaturen sind Positionen der Macht. Klar, | |
sehr bedingte, in sehr bescheidenem Umfang, keine Frage, aber | |
Machtpositionen sind es. Und dass Frauen sie anstreben, einnehmen und | |
verteidigen, ist bemerkenswert, weil es eben noch immer keineswegs die | |
Regel ist. So sind gerade mal 36,4 Prozent der Bundestagsabgeordneten | |
weiblich. Wobei man nicht vergessen sollte, dass das bereits ein großer | |
Erfolg von Politik ist: Nur eine Generation, 30 Jahre zurück, da | |
existierten in der Bundesrepublik noch Landeskabinette ganz ohne Frauen, | |
und nicht nur Uwe Barschel in Kiel, sondern auch SPD-Hoffnungsträger wie | |
Oskar Lafontaine im Saarland meinten, die Zukunft nur mit einer Ministerin | |
gestalten zu können. Heute würde so ein Vorgehen Proteste auslösen. Das | |
ist, empirisch gut belegt, ein Effekt der von den Grünen damals | |
eingeführten paritätischen Liste. Dass sie sich ohne Frauen nicht verkaufen | |
lässt, hat schließlich auch die FDP verstanden, nachdem sie vor vier Jahren | |
mit 82,9 Prozent männlichen Bewerbern den Einzug in den Bundestag verfehlt | |
hat. Die Quote verursacht einen Anpassungsdruck. Die Antwort auf diesen | |
Anpassungsdruck heißt in Hamburg Katja Suding. Die dortige | |
FDP-Spitzenkandidatin ist eine mittelbare Quotenfrau, auch wenn sie das | |
selbst nicht glaubt. | |
Mehr finden Sie im Schwerpunkt oder hier:[1][[Link auf | |
http://www.taz.de/!p4350/]] | |
11 Mar 2017 | |
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## AUTOREN | |
Benno Schirrmeister | |
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