| # taz.de -- Kommentar Freiheitsentzug & Jugendhilfe: Fesseln auf Antrag | |
| > In der Jugendhilfe soll Freiheitsentzug in einigen Fällen verrechtlicht | |
| > werden. Heimskandale werde es dann nicht mehr geben. Aber so einfach ist | |
| > es nicht. | |
| Bild: Bald legale pädagogische Praxis? | |
| Die Koalition will etwas für den Kinderschutz tun. [1][Dafür soll das | |
| Gesetz geändert werden]. Aber diese Änderung führt geradewegs in ein | |
| Dilemma. Im medizinischen Bereich und in der Behindertenhilfe mag es die | |
| Notwendigkeit von freiheitsentziehenden Maßnahmen geben. Hier kann es ein | |
| Fortschritt sein, wenn streng geguckt wird, wie, warum und wie lange | |
| Menschen an Betten gefesselt oder in Schutzanzüge gesteckt werden. Die | |
| regelmäßige Anrufung der Gerichte kann für Transparenz sorgen und zur | |
| Vermeidung überflüssiger Maßnahmen beitragen. | |
| In der Jugendhilfe dagegen droht durch Verrechtlichung eine | |
| Verschlechterung. Es gibt nur etwa 390 Plätze in geschlossenen Heimen. Nun | |
| sollen freiheitsentziehende Maßnahmen theoretisch auch in den rund 60.000 | |
| Plätzen in offenen Heimen möglich sein, wenn es die Familiengerichte auf | |
| Antrag der Eltern erlauben. | |
| Bisher geschah dies in einem Graubereich. Der wird nun geregelt. Wenn | |
| jugendliche Bewohner sich beschweren über solche Behandlung, wird es keine | |
| „Heimskandale“ mehr geben: Die Träger haben ja die Genehmigungen. Da kann | |
| die schärfste Heimaufsicht nichts monieren. | |
| Zugegeben, hier wird vielleicht der Teufel an die Wand gemalt. Aber alle | |
| Konsequenzen durchzuspielen ist bei einer solchen Gesetzesänderung nötig. | |
| Problematisch ist, dass der gleiche Paragraf 1631 des Bürgerlichen | |
| Gesetzbuchs, der Kindern das Recht auf gewaltfreie Erziehung sichert, zwei | |
| Absätze später Freiheitsentzug durch „mechanische Vorrichtungen“ und ande… | |
| Weise aufführen soll. | |
| Was hat das in der Pädagogik zu suchen? Das macht dieser Gesetzentwurf | |
| nicht klar genug, spricht gar von verschiedenen „Haltungen“ und | |
| „Erziehungskonzepten“. Die Richter sollen nun klären, was dem „Kindeswoh… | |
| entspricht. Sie sind jedoch kein objektives Korrektiv, sondern auch auf die | |
| Informationen von Heimträger, Arzt und Jugendamt angewiesen. Auch ist | |
| „Kindeswohl“ ein dehnbarer Begriff. Über all das muss man reden. Nicht gut, | |
| dass dieses Gesetz so leise verabschiedet werden soll. | |
| 9 Mar 2017 | |
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| ## AUTOREN | |
| Kaija Kutter | |
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