# taz.de -- Fairtrade-Town Berlin: Ein fairer Deal | |
> Gerecht gehandelte Produkte auf dem Senatstisch oder in der Schule: Nach | |
> dem Willen von Rot-Rot-Grün soll Berlin zur „Fairtrade-Hauptstadt“ | |
> werden. | |
Bild: Ob aromatisch oder fade – fair soll der Kaffee sein | |
Nicht jeder kommt in den Genuss, eine gute Tasse Kaffee mit dem Regierenden | |
zu trinken. Aber alle, die es zum Kränzchen ins Rote Rathaus schaffen, | |
sollen das Büro von Michael Müller künftig mit einem guten Gewissen | |
verlassen – weil die frisch gemahlenen Bohnen in der bürgermeisterlichen | |
Kaffeemaschine von einer Kleinbauerngenossenschaft stammen, die ihren | |
Mitgliedern angemessene Preise zahlt. | |
Ein Szenario, das seit dieser Woche deutlich realistischer geworden ist: | |
Ein gemeinsamer Antrag der Koalitionsfraktionen passierte am Montag | |
erfolgreich den Wirtschaftsausschuss des Abgeordnetenhauses. Titel: „Berlin | |
wird Fairtrade-Town“. Die politische Initiative belohnt das jahrelange | |
Engagement von zivilgesellschaftlichen Gruppen. | |
Worum geht es konkret? Die rot-rot-grüne Beschlussempfehlung fordert den | |
Senat auf, die Zertifizierung Berlins als „Fairtrade-Town“ zu beantragen – | |
eine Auszeichnung, die der Verein TransFair e. V. vergibt, die deutsche | |
Mitgliedsorganisation des Netzwerks Fairtrade International. TransFair, das | |
inzwischen auch als „Fairtrade Deutschland“ firmiert, zertifiziert mit | |
seinem Siegel Produkte wie Kaffee Bananen und Blumen, aber auch Textilien, | |
Kosmetik oder Fußbälle. Voraussetzung sind neben gerechteren Preisen für | |
die ErzeugerInnen die Einhaltung von sozialen und ökologischen | |
Mindeststandards bei der Produktion. | |
Die Kriterien der Fairtrade-Town-Kampagne, die weltweit schon rund 2.000 | |
Städten – über 450 in Deutschland – ihr Label verliehen hat, sind dabei | |
nicht einmal besonders streng: Im Zentrum steht das Angebot fair | |
gehandelter Produkte in Einzelhandel und Gastronomie, aber auch in | |
Landesregierung und -parlament, Schulen, Vereinen und religiösen | |
Organisationen. Dabei hängt die Anzahl der jeweiligen Einrichtungen von der | |
EinwohnerInnenzahl der Kommune ab: 360 Lebensmittelläden oder 18 Schulen | |
sind eine Größenordnung, die in Berlin locker zu schaffen ist. | |
## „Die ganze Stadt macht's“ | |
Etliche Bezirke, die ja rein zahlenmäßig Großstädte sind, haben es auch | |
längst geschafft: Charlottenburg-Wilmersdorf darf sich seit 2011 | |
Fairtrade-Town nennen, seitdem kamen Mitte, Pankow und Tempelhof-Schöneberg | |
dazu. In vier weiteren Bezirken, Friedrichshain-Kreuzberg, | |
Steglitz-Zehlendorf, Treptow-Köpenick und Neukölln, laufen die | |
Vorbereitungen. Laut Volkmar Lübke, der den Prozess seit Jahren | |
koordiniert, würden acht ausgezeichnete Bezirke bereits reichen, damit | |
Gesamt-Berlin in den Genuss des Fairtrade-Etiketts kommt. Er und die | |
anderen AktivistInnen aus der Umwelt- und Entwicklungsszene wollen aber | |
keine halbe Sachen machen: „Unsere Variante A lautet: Die ganze Stadt | |
macht's.“ | |
Im November 2016 gründete sich deshalb eine landesweite „Steuerungsgruppe“ | |
aus Zivilgesellschaft, Politik und Wirtschaft – ein weiteres Kriterium für | |
die Zertifizierung. Die politische Entwicklung war günstig für die | |
Bewegung: Genau ein Jahr später stand ihre Forderung schwarz auf weiß in | |
der rot-rot-grünen Koalitionsvereinbarung. Bis die Stadt sich das Label | |
anheften kann, werden noch anderthalb Jahre vergehen, schätzt Lübke. | |
Die Beteiligten sind sich im Klaren darüber, dass es sich um eine Kampagne | |
mit bescheidenen materiellen Auswirkungen handelt. „Natürlich rettet es | |
nicht die Welt, wenn der Regierende Bürgermeister fairen Kaffee trinkt“, | |
sagt Georg Kössler, Sprecher der Grünenfraktion für Eine-Welt-Politik, | |
„aber als Symbol hätte es eine große Strahlkraft.“ Außerdem verweist | |
Kössler darauf, dass der Beschluss des Abgeordnetenhauses deutlich mehr als | |
die Kampagnen-Kriterien vom Senat verlangt: So soll dieser auch die | |
landeseigenen Betriebe in die Pflicht nehmen, fair gehandelte Produkte | |
bereitzustellen. | |
9 Mar 2017 | |
## AUTOREN | |
Claudius Prößer | |
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