# taz.de -- Hans-Christian Friedrichs über Feinstaub: „Fahrverbot, ganz klar… | |
> Mobilität Hans-Christian Friedrichs, in Niedersachsen Vorsitzender des | |
> alternativen Verkehrsclubs VCD, über Fahrverbote, Verbrennungsmotoren und | |
> rot-grüne Politik | |
Bild: Hier in Stuttgart ist schlechte Luft | |
taz: Herr Friedrichs, wegen hoher Feinstaubbelastung etwa in Hannover und | |
Osnabrück wird auch in Niedersachsen über Fahrverbote gestritten, wie sie | |
ab 2018 für alte Diesel-Fahrzeuge in Stuttgart gelten werden. Wie steht der | |
ökologische Verkehrsclub VCD dazu? | |
Hans-Christian Friedrichs: Wenn die Gesundheit von Menschen gefährdet ist, | |
sollte an besonders belasteten Tagen ein Fahrverbot gelten, ganz klar. | |
So klar ist das nicht allen: Bei den Grünen fordert der umweltpolitische | |
Sprecher der Landtagsfraktion, Volker Bajus, Diesel bei Überschreitung der | |
Grenzwerte aus den Städten herauszuhalten. Der grüne Umweltminister Stefan | |
Wenzel will dagegen keine Fahrverbote. | |
Wenzels Vorschlag, stattdessen umweltfreundliche öffentliche Verkehrsmittel | |
zu fördern, finden wir natürlich ebenfalls gut. Aber: Grundsätzlich sollte | |
man bei der Verteufelung des Diesels vielleicht etwas zurückhaltender sein. | |
Warum das? | |
Weil das neue Negativ-Image des Diesels leider nicht hauptsächlich dazu | |
führen wird, dass alle plötzlich Bus und Bahn fahren oder Fahrräder nutzen. | |
Gekauft werden stattdessen mehr Autos mit Benzinmotor, fürchte ich. Die | |
aber sind ebenfalls ziemlich gesundheitsschädlich: Moderne Benziner | |
produzieren besonders viele ultrakleine Feinstaubpartikel, die noch tiefer | |
in die Lunge eindringen. Ziel muss deshalb der schnelle Umstieg auf den | |
umweltfreundlichen öffentlichen Verkehr sein – auch wenn der gerade in | |
Großstädten wie Hannover schon sehr gut ausgebaut ist. | |
Und warum setzen dann noch immer so viele Leute aufs Auto? | |
Das frage ich mich manchmal auch. Viele halten das Auto noch immer für die | |
bequemste Wahl, ignorieren Staus und Stress. Oft kennen sie die sehr guten | |
Alternativen gar nicht. In der Bahn kann ich arbeiten, lesen, schlafen oder | |
interessante Menschen kennen lernen – im Auto geht das alles nicht. | |
In den Großstädten funktioniert das. Aber auf dem Land? | |
Auch da müssen wir besonders den Bahnverkehr ausbauen. Leider spielt das | |
Image Niedersachsens als Autoland mit seinen vielen VW-Standorten selbst | |
unter Rot-Grün noch immer eine viel zu große Rolle. Nicht umsonst setzt | |
gerade SPD-Verkehrsminister Olaf Lies weiter massiv auf einen Neubau der | |
A39 zwischen Lüneburg und Wolfsburg und auf die Küstenautobahn A20 | |
inklusive milliardenteurem Elbtunnel. Dass Niedersachsen Bahnland ist, | |
hören wir im Landtag dagegen leider viel zu selten. | |
SPD und Grüne planen doch die Wiederinbetriebnahme einiger Bahnstrecken? | |
Das Bahn-Reaktivierungsprogramm der Landesregierung ist bescheiden. Wieder | |
in Betrieb geht die Strecke von Bad Bentheim und Neuenhaus nach Nordhorn an | |
der Grenze zu den Niederlanden – Deutschlands einziger Stadt mit mehr als | |
50.000 Einwohnern ohne Anschluss an den Schienenpersonenverkehr. Ansonsten | |
wird in Salzgitter eine Regionalbahnlinie um zwei Kilometer verlängert und | |
die Strecke von Einbeck-Mitte nach Einbeck-Salzderhelden reaktiviert – die | |
ist aber auch nur gut vier Kilometer lang. Das ist alles viel zu wenig. | |
Und was ist mit dem neuen Schnellbus-Netz, das Minister Lies einführen | |
will? | |
Das halten nicht nur viele Landräte für politisch motivierten Aktionismus: | |
Es besteht die Gefahr, dass das Angebot auf bestehenden Buslinien zwar | |
theoretisch verbessert werden könnte. Für den Großteil der Kosten müssten | |
aber die Landkreise aufkommen – und die können sich das oft gar nicht | |
leisten. Dort wird es also bei einem wenig attraktiven Angebot bleiben. | |
Busse sind im Vergleich zur Schiene nicht umsonst unbeliebt. | |
Warum? | |
Weil sie fast immer langsamer sind als die Bahn. Besonders bei noch | |
vorhandenen Schienenstrecken fordern wir deshalb deren Reaktivierung. | |
Trotzdem bleibt der Eindruck, dass auch ökologisch engagierte Leute die | |
Bahn ausbremsen, etwa beim Ausbau der Verbindung Hamburg – Hannover. | |
Ja, das ist ein Riesenproblem. Beim Dialogforum Schiene Nord, das nach dem | |
Ende der gescheiterten Y-Trasse zwischen Hamburg, Bremen und Hannover | |
alternative Strecken erarbeiten sollte, schossen immer neue | |
Bürgerinitiativen wie Pilze aus der Erde – besonders solche gegen die | |
Reaktivierung alter Bahnlinien für den Güterverkehr. Dabei müssen wir | |
dringend mehr Verkehr von der Straße auf die Schiene bringen. Sonst drohen | |
noch mehr LKW-Staus. | |
Was schlägt der VCD vor? | |
Die von der Bahn und den Verkehrsministerien in Bund und Land | |
vorgeschlagenen sogenannten Ortsumfahrungen um Lüneburg, Deutsch Evern, Bad | |
Bevensen und Uelzen sind wegen der dort geplanten | |
ICE-Spitzengeschwindigkeiten von bis zu 250 Stundenkilometern und den dazu | |
nötigen Kurvenradien faktisch eine Neubaustrecke mitten durch die | |
Lüneburger Heide. Wir fordern den Bau einer Bahnstrecke entlang der A7 | |
ernsthaft zu prüfen. Die Bündelung von Verkehrswegen ist ressourcenschonend | |
und hat sich bewährt. | |
Insgesamt scheint Ihre Enttäuschung über die Verkehrspolitik der rot-grünen | |
Landesregierung unüberhörbar. | |
Manches ist besser geworden – die FDP-Verkehrsminister Jörg Bode und | |
Philipp Rösler haben überhaupt nicht mit uns geredet. Aber es stimmt: SPD | |
und Grüne haben einige unserer Erwartungen enttäuscht. Die Verkehrswende | |
muss auch in Niedersachsen wichtig werden, gerade durch Ausbau und Erhalt | |
der Bahn. Wir dürfen unsere Infrastruktur nicht verrotten lassen. | |
2 Mar 2017 | |
## AUTOREN | |
Andreas Wyputta | |
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