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# taz.de -- Buch über die Gülen-Bewegung: Gegen den Putsch
> Ercan Karakoyun, Sprecher der Gülen-Bewegung, zeigt sich in seinem Buch
> reumütig. Er sei für Demokratie, ein Putsch sei nicht demokratisch.
Bild: Fethullah Gülen, Oberhaupt der Gülen-Bewegung
Die Gülen-Bewegung polarisiert. Die einen sehen sie als für Bildung
engagierte Vertreter eines modernen Islam, der mit demokratischen Werten
kompatibel ist. Ihre Gegner stilisieren sie zur globalen
Terrororganisation. Die türkische Regierung macht das Netzwerk für den
Putschversuch vom Sommer 2016 verantwortlich, bislang ohne dafür Belege zu
liefern. Zehntausende Gülenisten in der Türkei wurden verhaftet.
Die Vertreter der Bewegung suchen inzwischen die Öffentlichkeit. Ercan
Karakoyun, Gülen-Sprecher und Mitbegründer der Stiftung Dialog und Bildung,
hat ein Buch geschrieben, in dem er die Bewegung aus der Innensicht
schildert und auch auf Vorwürfe der Kritiker eingeht.
Fakt ist, dass die Gülen-Bewegung lange Zeit eng mit der AKP vernetzt war,
ihre Mitglieder wichtige Posten in Staat und Verwaltung innehatten. Der
Höhepunkt dieser Kooperation war der gemeinsame Kampf gegen das Militär,
gegen die alten kemalistischen Eliten, die das Land seit Atatürk
kontrolliert hatten. Im Ergenekon-Prozess sollte 2008 eine Verschwörung
gegen die Regierung aufgedeckt werden. Am Ende wurde es ein Schauprozess,
eine Inszenierung mit fingierten Beweisen, bei der auch Journalisten und
zivile Aktivisten ins Visier gerieten. Die Gülenisten mischten dabei als
Richter, Staatsanwälte, Polizisten kräftig mit.
Ein Fehler sei das gewesen, aus heutiger Sicht ein „Tiefpunkt“, schreibt
Karakoyun reumütig und beklagt, dass es bis heute keine unabhängige
Untersuchung der Ereignisse gab. Es ist ein erster Schritt, immerhin. Aber
es wird noch viel Überzeugungsarbeit zu leisten sein. Das ist, man spürt es
zwischen den Zeilen immer wieder, auch Karakoyun bewusst.
Er müht sich, die Geschichte der Bewegung von den anatolischen Anfängen bis
heute nachzuzeichnen. Und obwohl er ein positives Bild von engagierten
Menschen zeichnet, schreckt er vor Selbstkritik nicht zurück. Man sei an
manchen Stellen nicht transparent genug gewesen.
Die Gülen-Bewegung – oder „Hizmet“, wie sie sich selbst nennt – ist
religiös-konservativ. Auf problematische Aspekte im Denken und Wirken
Fethullah Gülens, wie etwa die radikale Haltung zur Abkehr vom Islam, geht
er allerdings nicht ein. Der Gründer erscheint zu sehr als Heilsbringer,
als vergötterte Vaterfigur. Trotz allem erzählt Karakoyun überzeugend von
seiner Biografie, von seiner Position als Deutschtürke, der an Demokratie
und Rechtsstaatlichkeit glaubt und Bildung als Schlüssel zur Integration
sieht.
Zur Gülen-Bewegung gehören in Deutschland Vereine, Nachhilfezentren und
Schulen, die denselben Regeln wie staatliche Schulen unterliegen. In der
Türkei sind sämtliche Hizmet-Schulen inzwischen geschlossen. Karakoyun
steht nach zahlreichen Morddrohungen aus der AKP-Ecke unter Polizeischutz.
Von den Ereignissen des 15. Juli 2016 war er nicht weniger betroffen und
schockiert als seine Gegner: „Mein erster Gedanke“, schreibt er: „Lieber
eine schlechte Demokratie als ein Putsch! Ich poste den Satz auf Twitter
und Facebook. Oft habe ich Erdoğan kritisiert, aber ein Putsch gehört nicht
zur Demokratie.“ Diese Nacht habe sein Leben verändert.
Die Gülen-Bewegung wird weiterhin Anlass kritischer Auseinandersetzungen
sein. Es wäre aber ein Fehler, sie im Licht der Erdoğan-Propaganda
einzuordnen. Das wird der Realität nicht gerecht. Karakoyuns Buch ist ein
erster Schritt, diese Auseinandersetzung öffentlich zu führen.
26 Feb 2017
## AUTOREN
Gerrit Wustmann
## TAGS
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