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# taz.de -- Folgen steigender Lebenserwartung: Ende gut, alles gut
> Forschern zufolge steigt die Lebenserwartung der Deutschen bis 2030
> deutlich. Virtual Reality soll Probleme der Altenpflege lösen. Tolle
> Idee!
Bild: DJane Wika aus Breslau legt mit 78 im Altenheim auf
Das Jahr 2030 steht ja fast schon vor der Tür. Und damit, so eine
Erkenntnis, die nicht neu ist, aber gerade neu aufgetischt wird, eine neue
Spezies von Menschen: Hochaltrige. Also Menschen, die älter als 80 Jahre
alt sind. Hat es den Leuten früher gefallen, sich durch schlechte
Ernährung, übermäßiges Rauchen oder Kriege in jüngeren Jahren ins Jenseits
befördern zu lassen, wird der moderne Alte im Jahr 2030 in Deutschland
durchschnittlich locker 86 (Frauen) beziehungsweise 82 (Männer) Jahre alt.
Das ist gegenüber heute ein Zuwachs von drei beziehungsweise vier Jahren.
Eine solche Meldung verbreitet tagesschau.de nicht, ohne dass
augenblicklich nach Staat und Maßnahmen gerufen wird, damit das Ganze nicht
aus den Fugen läuft und die Alten in ihrer Inkontinenz und Demenz die
Gehwege verstopfen und auf den Spielplätzen den Kindern den Platz
wegnehmen.
Von der Notwendigkeit, sich Gedanken zu machen über „alternative
Pflegemodelle“ wie die technologiegestützte Heimpflege, ist im Bericht zur
neuen Studie vom Imperial College London die Rede. Das ist ja gar nicht so
schwer. Man muss nur mal die Augen öffnen, und darf – auch als Linker –
nicht immer gegen das Neue sein. Dann nämlich entdeckt man die ungeahnten
Möglichkeiten, die die neue Technik der Virtual Reality bietet und die die
Problematik von Senioren, die man morgens in einen Stuhl setzt und für die
man bis zum Abendessen keine Zeit hat, auflöst.
Denn warum sollte, was bei durchschnittlichen Bürgern funktioniert, bei
Alten nicht auch funktionieren? Und so malen wir uns eine nahe Zukunft aus,
in der alte Menschen, die vor allem noch gut sitzen können, in großen
Mengen ihre Tage in „View Rooms“ verbringen, wo sie auf ausgebufften
Technostühlen mit virtuellen Brillen auf den Gesichtern durch die Zeit
reisen. Und zwar dorthin, wo sie glücklich waren.
Wer im Jahre 2030 85 alt ist, ist 1945 geboren. Gerade richtig, um die
Anfänge des Rock ’n’ Roll mitbekommen und im Anschluss ordentlich Spaß be…
Hippietum und der freien Liebe gehabt zu haben. Auch das gute, alte
Murmelspiel gehört in den Erinnerungskanon dieser Generation, das Rühren in
der Maikäfersuppe oder der Gang auf das unbeheizte Etagenklo im Winter –
all diese schönen Erlebnisse und Träume sind nun jederzeit wieder
herstellbar. Auch lässt es sich noch einmal mit Dutschke ziehen und eine
Rolle einnehmen, die man damals aus Gründen mangelnder Loslösung vom
schwäbischen Elternhaus nie hatte.
Verbringen würden die Alten diese Tage auf Roboterstühlen aus Japan,
Vorreiter in der technischen Entwicklung und dem Altern von Menschen. Der
Ingenieursraffinesse sei Dank würde alles, was aus so einem Senior
herauskommt, abgewischt und abtransportiert, die Stuhllehne wäre fütternder
Arm. Die afrikanischen Aushilfen, die als Klimaflüchtlinge die Bulgaren vom
Billiglohnmarkt der Altenpflege verdrängt haben, hätten ein beneidenswert
zumutungsfreies Arbeitsleben.
Nein, um diese Alten muss man sich keine Sorgen machen. Dank der neuen
Realität hätten sie wunderbaren Sex, könnten endlich Teil von Bhagwans
Gemeinschaft sein oder bei den Fischer-Chören mitgrölen. Vor allem aber
müsste niemand mehr auf den Eintritt in den Himmel warten, um Elvis zu
treffen.
Natürlich ist so eine paradiesische Versorgung auch eine Frage der Kosten.
Aber auch das ist nichts, um das man sich Sorgen machen müsste. Zum einen
wird die Virtual-Reality-Technik bis dahin deutlich kostengünstiger sein,
zum anderen können wir in Deutschland auf eines setzen: Mengenrabatt.
22 Feb 2017
## AUTOREN
Silke Burmester
## TAGS
Lebenserwartung
Demografie
Altenpflege
Virtual Reality
Barmer GEK
Schwerpunkt Armut
Versicherung
Altersarmut
Fortschritt
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