# taz.de -- Spielfilm „Una mujer fantástica“: Nicht Salsa, nicht Merengue | |
> In Sebastián Lelios „Una mujer fantástica“ stellt sich eine | |
> Transgender-Frau gegen die Ignoranz der chilenischen Gesellschaft. | |
Bild: Daniela Vega in action | |
Orlando ist verliebt in Marina. Beim Dinner überrascht der | |
Textilunternehmer die Transgender-Frau mit einer Reise zu den Wasserfällen | |
von Iguazu im Länderdreieck von Argentinien, Brasilien und Paraguay. Noch | |
auf der Bühne singt die junge Geliebte Héctor Lavoes Salsa-Song „Deine | |
Liebe ist eine Zeitung von gestern“. | |
Und in derselben Nacht erliegt der 57-Jährige einer Hirnblutung. Durch | |
seinen Tod ist auch Marinas Existenz als Frau in Gefahr. Orlandos Familie, | |
seine Exfrau und der erwachsene Sohn, begegnen der illegitimen Konkurrentin | |
mit Abscheu und Klassendünkel. Auch die Polizei beobachtet sie | |
misstrauisch. | |
In seinem Spielfilm „Una mujer fantástica“ (Eine fantastische Frau) | |
inszeniert der chilenische Regisseur Sebastián Lelio das Ringen Marinas um | |
sexuelle Selbstbestimmung in einer modernen, aber nicht toleranten | |
Gesellschaft Südamerikas. | |
Facettenreich gelingt es der chilenischen Sängerin und Schauspielerin | |
Daniela Vega, Marinas Suche nach einer eigenen Identität den Anfeindungen | |
zum Trotz auszudrücken. Die junge transsexuelle Darstellerin bildet das | |
Kraftzentrum des Films. | |
## Abgestimmte Orte | |
Auch die Ausstattung und die Drehorte in Santiago de Chile sind auffallend | |
sorgfältig auf die Handlung abgestimmt und bemühen sich, bekannte | |
Stereotype zu unterlaufen. Mehrmals durchbricht Sebastián Lelio die | |
Handlung mit fantastischen Visionen – einer glamourösen Bühnenshow oder | |
Orlandos Wiederauferstehung. Die Traumszenen deuten an, wie schwer die | |
realen Verhältnisse wiegen. | |
Marinas Differenz fordert Orlandos Exfrau, den erwachsenen Sohn und seinen | |
Onkel Gabriel (wie so oft im chilenischen Kino mit Luis Gnecco besetzt) | |
heraus. Sie wollen den Volvo, die Eigentumswohnung und den guten Ruf der | |
Familie zurück. | |
Mit Hass und Unverständnis reagieren sie posthum auf die „Abweichung“ des | |
Verstorbenen. Mit Demütigungen und einer verletzenden Sprache begegnen sie | |
seiner Geliebten. Doch bleibt ihre Ablehnung reflexartig, sodass der | |
Verlauf der Geschichte vorhersehbar ist. | |
Und so deutet sich die positive Wende und ein Weg aus dem Abseits für | |
Marina vor allem in Gestalt des aufgeklärten Gesanglehrers an. In ihrem | |
Schmerz und ihrer Wut erinnert er sie an ihr besonderes Talent: | |
„Klassischer Gesang! Nicht Salsa, nicht Merengue.“ | |
19 Feb 2017 | |
## AUTOREN | |
Eva-Christina Meier | |
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