Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Kolumne Über Ball und die Welt: Irgendein Promi halt
> Immer wieder werden Fußballspieler und -trainer in die Bundesversammlung
> geschickt: Warum Steinmeier-Wähler Jogi Löw nicht politisch ist.
Bild: Soll Steinmeier ins Amt hieven: Joachim Löw
Jogi Löw ist im Hauptberuf bekanntlich so etwas wie der Bundeskanzler der
Fußballer. Er hat die Richtlinienkompetenz, übernimmt die Verantwortung,
reist durch die ganze Welt, und das personalpolitische Weisungsrecht für
fußballerische Spitzenpositionen obliegt ihm auch.
Am Sonntag aber wird Löw mal etwas anderes, etwas total Verrücktes
unternehmen. Da hilft er mit, aus Frank-Walter Steinmeier den neuen
Bundespräsidenten zu machen. Löw wurde von den Grünen Baden-Württemberg in
die Bundesversammlung geschickt.
Doch die Vorstellung, dass die vereinigten Steinmeier-Unterstützer aus
Grünen, CDU, CSU und SPD der taktischen Expertise des Jogi Löw bedürfen, um
Steinmeier mit högschder Konzentration ganz knapp zum Titelgewinn zu
verhelfen, ist nicht wirklich realistisch. Der wird’s doch eh.
Bei dieser Ausgangslage verbietet sich auch eine wohlmeinende Betrachtung,
ausgerechnet der Teamchef, der für die möglichst positive Repräsentation
des Kickerkollektivs der Deutschen in internationalen Arenen zu sorgen hat,
könnte Prototyp des kritischen politischen Sportlers sein.
Das liegt an vielem: An Löw selbst, von dem eher politisch ernstzunehmende
Aussagen nicht bekannt sind. An den baden-württembergischen Grünen, die
vermutlich auch jeden DFB-Präsidenten wählen würden, immerhin koalieren sie
mit Mayer-Vorfelders Nachfolgern. Und an der Bundesversammlung, die
nominell so tut, als seien in ihr nicht nur die Parlamentarier, sondern
auch ein Querschnitt der Gesellschaft versammelt, eine Art
Volksabstimmungssurrogat, das sich aber realiter als eine Mischung aus
Bundespresseball und „Goldene Kamera“-Verleihung präsentiert – mit einem
kleinen Schuss „Ball des Sports“. Gerade Profifußballer werden gerne
genommen.
## Littbarski, Immel, Kuntz, Rummenigge
1989 ließ die CDU Pierre Littbarski antanzen, um Richard von Weizsäcker zu
wählen. 1994 durfte Eike Immel, auch er für die CDU, Roman Herzog wählen.
Als 1999 mit Stefan Kuntz zum ersten Mal ein Fußballprofi von der SPD
nominiert wurde, geschah das für Johannes Rau. Die CSU nominierte 2004 dann
Karl-Heinz Rummenigge, damit er sein Kreuzchen bei Horst Köhler macht.
Offensichtlich werden Fußballer immer nur in die Bundesversammlung berufen,
um für den schon feststehenden Sieger zu stimmen.
Als etwa 2009 noch offen war, ob Hotte Köhler gegen Gesine Schwan
durchkommt, wurde besser kein Fußballer gefragt. Erst 2012, als sich die
gleiche Koalition, die sich jetzt auf Steinmeier freut, auf Joachim Gauck
geeinigt hatte, als also wirklich nichts schiefgehen konnte, traute sich
das politische Berlin, wieder einen Fußballer ins Wahlvolk zu berufen. Aber
auch hier nur einen sehr erfahrenen: Otto Rehhagel (CDU).
Nun also Jogi Löw. Wieder ein Fußballer. Wieder einer, der zum
Bundespräsidentenkandidaten der überwältigenden Mehrheit nichts anderes
sagen kann, als dass er ihn toll findet. Gewiss keiner, der als kritischer
Kopf oder als politischer Athlet wahrgenommen wird. Sondern irgendein Promi
halt. Bei dieser Bundesversammlung reiht sich Jogi Löw (Grüne) ein zwischen
Hape Kerkeling (CDU), Helmut Markwort (FDP), Peter Maffay (SPD), Veronica
Ferres (CDU), Mariele Millowitsch (SPD) und Olivia Jones (Grüne).
Es gibt keine politischen Athleten in Deutschland, wird oft geklagt und
neidisch in die USA geschaut, wo sich NBA-Profis und Tennisspielerinnen
gegen Donald Trump und gegen Rassismus positionieren. Ach, wenn sie doch
nur fehlen würden, die um ihre Rechte kämpfenden Sportler! Aber es ist doch
noch schlimmer!
11 Feb 2017
## AUTOREN
Martin Krauss
## TAGS
Bundespräsident
Frank-Walter Steinmeier
Joachim Löw
Bundesversammlung
Fußball
Gesine Schwan
Fußball
Lesestück Recherche und Reportage
Joachim Gauck
Bundespräsident
## ARTIKEL ZUM THEMA
Gesine Schwan über Schulz, Merkel & Co.: „Es ist anders als 2013“
Von ihrer Partei fordert die SPD-Politikerin einen klaren linken Kurs.
Gegen Sahra Wagenknecht hat sie keine innere Abwehr, der Kanzlerin
konstatiert sie Müdigkeit.
Fußball-Philosophie: Das Schöne suchen
Dortmunds Trainer Thomas Tuchel tauscht sich sehr inspirierend mit
Professor Hans Ulrich Gumbrecht aus – und wird zum Kulturkritiker.
taz-meinland: Präsidentschaftskandidat: Der Überzeugungstäter
Christoph Butterwegge ist einer der bekanntesten deutschen Wissenschaftler.
Doch an der Politik scheitert er. Am Sonntag noch einmal.
Debatte Joachim Gauck: Der Polterpräsident
Joachim Gauck ging an die Schmerzgrenze und rettete damit die Würde seines
Amts: Denn gute Präsidenten sind schlechte Schleimer.
Kandidat zu Bundespräsidentenwahl: Ein Richter will ins Schloss
In Sachen Beliebtheit kann es kaum einer mit Steinmeier aufnehmen. Außer
vielleicht Exfernsehrichter Alexander Hold. Er tritt für die Freien Wähler
an.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.