# taz.de -- Kolumne Warum so ernst?: Ein englischer Abend in Deutschland | |
> Mein Freund Hasan liebt die Gesellschaft von Ausländern. Ich leide | |
> darunter, da mein Englisch äußerst bescheiden ist. | |
Bild: Surreal können Gespräche sein, denen man mangels Sprachkenntnisse nicht… | |
Es war abends und ich saß wie immer in perfekt deprimierender Atmosphäre | |
allein zu Hause, hörte leise, melancholische irakische Gesänge beim | |
schwachen Schein einer gelben Lampe. | |
Plötzlich klingelte das Telefon. Auf dem Display sah ich den Namen meines | |
Freundes Hasan. Mein Freund Hasan kommt vom Land in der Nähe Aleppos. Er | |
ist, genau wie ich, als Flüchtling in Deutschland. Er sagte, er spaziere | |
gerade durch meine Straße und habe an mich gedacht, deshalb habe er | |
angerufen: | |
– „Hi. Wie geht’s, Aboud? Was gibt’s Neues bei dir? Bist du allein? Ich… | |
hier, bei dir in der Nähe. Wenn es für dich in okay ist, komme ich hoch.“ | |
– „Ja, klar. Willkommen. Komm hoch.“ | |
– „Ich bin mit Eli!“ | |
– „Eli? Wer ist Eli?“ | |
Hassan antwortete mir auf Englisch: | |
– „My girlfriend!“ | |
Ich sagte zu mir: … Man lernt nie aus! Ich öffnete die Tür, Hasan und die | |
blonde Eli traten ein. | |
Ich schenkte uns Wein ein und Hasan teilte mir mit, Eli sei Amerikanerin. | |
Dann begann er Englisch zu sprechen, denn schließlich hatte er ja in | |
Damaskus Anglistik studiert. | |
Er hatte die Gesellschaft von Ausländern immer geliebt. Und dazu gehört | |
selbstverständlich auch das verehrte amerikanische Schwesterchen. Während | |
ich von nun an darunter leiden muss, da mein Englisch äußerst bescheiden | |
ist. | |
Hasan sprach lange und pausenlos. Ich beteiligte mich mit den wenigen | |
englischen Vokabeln, die ich von früher noch wusste, nur sporadisch am | |
Gespräch. | |
Immerhin unterhielt ich mich mit Eli sogar über die Deutschen. Hasan | |
mischte sich ein und sagte mit verzogenen Mundwinkeln: „Die Deutschen sind | |
kalt! Ich vermisse die gesellschaftliche Wärme hier!“ | |
Und das alles auf Englisch. Ich intervenierte, ebenfalls auf Englisch: | |
„What is Hasan like with you?“ | |
Eli antwortetet: „Wonderful, wonderful“. | |
Ich fragte sie nach ihrem Beruf. Sie sagte, sie sei feministische | |
Aktivistin. | |
Hasan erklärte mir den Begriff und stellte seine Sichtweise der Dinge | |
ausführlich dar. Ich drehte mich zu ihm und fragte ihn: „Du beschäftigst | |
dich zurzeit offensichtlich intensiv mit dem Feminismus. Richtig?“ Er | |
antwortete mir auf Arabisch: „Nein, natürlich nicht. Eli redet nur | |
außerhalb der Wohnung über Feminismus. Zu Hause kocht sie mir sogar Tee.“ | |
Hasan lachte und setzte seinen Monolog auf Englisch fort. Er kritisierte | |
die Deutschen, berichtete über die Schwierigkeiten der Syrer in | |
Deutschland, analysierte die Revolution und die amerikanische Politik unter | |
Trump, beschwerte sich über die Erschwerung der Visabedingungen für die | |
Türkei, und er vergaß dabei nicht, auf die laufenden Syrien-Verhandlungen | |
in Astana und die Situation in Aleppo sowie die Rolle der Milizen des | |
demokratischen Syriens hinzuweisen. | |
Natürlich erzählte er alles auf Englisch, während ich dem Sänger Fouad | |
Salem lauschte, der da sang: „Was habe ich bloß getan, dass die Zeit sich | |
gegen mich wendet?“ | |
Aus dem Arabischen von Mustafa Al-Slaiman | |
20 Feb 2017 | |
## AUTOREN | |
Aboud Saeed | |
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