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# taz.de -- Kolumne Warum so ernst?: Sie kriegt nicht genug von mir
> Sie zieht immer aufreizendere Sachen an. Sie sagt: „Bleib du einfach zu
> Hause und ruh dich aus, ich gehe arbeiten und halte dich aus!“
Bild: Sie zieht immer aufreizendere Sachen an. Sie trägt mich auf Händen, wie…
Weder weiß ich, wie, noch wann es passiert ist / Ich weiß nur, dass sie
plötzlich vor mir stand / mich küsste und umarmte und sagte: „Ich liebe
dich!“ Ich grub meine Hand in ihre und ab dann gingen wir immer zusammen /
Sie geht mit mir zusammen einkaufen, und wir kaufen Kartoffeln, Orangen,
Brot und Käse, und sie plaudert mit den Verkäufern / Trotzdem sind wir
immer noch zusammen / Sie hält an mir fest, obwohl ihr auch andere
gefallen. Als wäre ich ihre erste Wahl.
Sie hat mich in die Sekundärstufe begleitet und mit mir Karten gespielt.
Ich schaffte mein Abi und sie ihres. Selbst im Erfolg hält sie zu mir! Ich
sagte ihr: „Ich werde die Ausbildung hinschmeißen und als Schmied
arbeiten“, und es störte sie nicht einmal. Im Gegenteil: Das machte mich in
ihren Augen noch anziehender, und sie hielt noch mehr an mir fest / Als ich
zum ersten Mal in meinem Leben Bier trank, sagte sie: „Meine Eltern haben
kein Problem damit, dass du Alkohol trinkst.“
Wir hörten ein bisschen Elias Khodr, Marcel Khalifeh und Umm Kulthoum/ Sie
lag mir in den Armen und summte ein wenig mit, zu Umm Kulthoums Song:
„Vermiss mich und schau mir fest in die Augen“.
Die Revolution brach aus / Ich sagte: „Nieder mit dem Regime“ / Sie sagte:
„Nieder mit ihm, tausendmal nieder. Ich halte zu dir.“
Ich fürchtete mich vor dem Bombardement und dem Tod, und schließlich floh
ich, und sie ermutigte mich dabei und sah mich nicht als feige an. Ich
lüge, und sie weiß es und sagt: „Schon okay. Ich weiß schon, was du
denkst.“ Ich sitze vorm PC, hänge auf Facebook herum. Sie geht Tee machen
und Nüsse holen und setzt sich neben mich.
Ich quatsche mit anderen Frauen, während sie neben mir sitzt. Ich schreibe
ihnen, dass ich sie liebe, und sie wird kein bisschen eifersüchtig. Sie
lacht einfach und sagt: „Das ist alles virtuell. Du bist real.“
Sie hat sich nie daran gestört, dass ich Vegetarier bin und kein Fleisch
esse, und nie hat sie genervt über meine orientalische Denke gestöhnt. Sie
mag mich einfach mit all meinen Fehlern.
Wir hatten uns kurz getrennt, dann haben wir uns in Deutschland
wiedergetroffen. Plötzlich stand sie vor mir / Sie küsste und umarmte mich
und sagte: „Ich liebe dich noch immer!“ Und sie sagte: „Hier ist unser
Land, nach dem wir immer gesucht haben. Hier werden wir zusammen alt.“
Ich grub meine Hand in ihre, und wir gingen los / Immer zusammen / Mieteten
uns etwas und zogen von Wohnung zu Wohnung. Und immer ist sie bei mir.
Sie trägt mich auf Händen wie einen König und nennt mich: „Mein Herzblatt,
mein Schatz, Krönung auf meinem Kopf, my heart …“ Sie zieht immer
aufreizendere Sachen an, sie kriegt nie genug von mir / Sie sagt: „Bleib du
einfach zu Hause und ruh dich aus, ich gehe arbeiten und halte dich aus!“
Und ich lebe einfach mein Leben und kann es kaum glauben / Was für eine
blinde Liebe ist das nur, die in sie gefahren ist?
Woher nimmst du nur diese ganze Leidenschaft und Geduld? / Wird dir
eigentlich nie langweilig? / Woher nimmst du all diese Selbstlosigkeit? /
Woher, nur, Einsamkeit, woher?
17 Oct 2016
## AUTOREN
Aboud Saeed
## TAGS
Schwerpunkt Syrien
Einsamkeit
Poesie
Warum so ernst?
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Warum so ernst?
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