# taz.de -- Serie zur Alt-Right-Bewegung (1/3): „Hauptsache, Trump gewinnt“ | |
> Eine Undercover-Reise durch die globalen Netzwerke amerikanischer | |
> Neonazis zeigt, was sie mit Trump verbindet. Und was sie wollen. | |
Bild: KKK: Ihr Anführer David Duke sagt, um „die Judenfrage“ müsse er sic… | |
Mandeville, Louisiana, USA: ein schwüler Morgen im Februar 2016. Die | |
Kampagne zur Wahl des republikanischen Präsidentschaftskandidaten hat das | |
ganze Land fest im Griff. In ein paar Tagen wird der Tross sich hierher | |
wälzen, an die Ufer des Lake Pontchartrain. Ein alter Mann mit wirren | |
Haaren sitzt vor einem Monitor, im Radio laufen die Nachrichten: Donald | |
Trump, heißt es, hat es bei CNN abgelehnt, sich von der Unterstützung durch | |
den Ku-Klux-Klan (KKK) zu distanzieren. | |
Der alte Mann grinst, wendet sich zu mir und zeigt auf den Monitor: 2,3 | |
Millionen Menschen sehen sich regelmäßig seine Tweets an. Ich versuche, | |
unbeeindruckt zu bleiben und weiter zu machen mit meinem Interview, das von | |
den Nachrichten unterbrochen wurde. | |
„Der Ku-Klux-Klan war also keine rassistische Organisation?“ – „Nein“… | |
der alte Mann. „Als ich ein kleiner Junge war, da habe ich wirkliche | |
Rassisten kennengelernt: die jüdischen Extremisten und ihre Übernahme der | |
Vereinigten Staaten von Amerika – und die einzige Organisation, die sich | |
dem öffentlich entgegenstellte, war der Ku-Klux-Klan.“ | |
Der Name des alten Mannes ist David Duke, ehemals Grand Wizard des KKK, die | |
höchste Position, die man im Klan erreichen kann; dazu zweimal Kandidat für | |
das Präsidentenamt und jeweils Zweitplatzierter für die Ämter des Senators | |
(1990) und des Gouverneurs (1991) für den Bundesstaat Louisiana. David Duke | |
gilt als der prominenteste Neonazi der USA und hat es geschafft, die | |
White-Supremacy-Bewegung, die für eine weiße Vorherrschaft kämpft, | |
geschlossen zur Unterstützung der Kandidatur von Donald Trump zu bringen. | |
Flashback, Oktober 2015. Erste politische Beobachter halten es für möglich, | |
dass Trump Präsidentschaftskandidat der Republikaner werden könnte. Ich bin | |
undercover am Lake Tansi unterwegs, ungefähr 75 Meilen von Knoxville, | |
mitten im US-Bundesstaat Tennessee. Es ist schnell dunkel geworden, Nebel | |
hängt in den kahlen Ahornbäumen. Ich irre auf halb asphaltierten Straßen | |
herum, mein einziger Anhaltspunkt ist ein Link von Google Maps mit den | |
Koordinaten, die ich in einer anonymen Mail bekommen habe. Wenn mir etwas | |
zustoßen sollte, wäre es kein Problem, meine Leiche hier irgendwo im Wasser | |
zu entsorgen. | |
Ich finde, ich habe allen Grund für solche Gedanken: Denn ich bin gerade | |
dabei, am Jahrestreffen eines der gefährlichsten ultrarechten | |
Onlinenetzwerke teilzunehmen: Stormfront, das berüchtigte Forum, das White | |
Supremacists, Neonazis und Rassisten aller Länder zusammenbringt. Die 1995 | |
online gegangene Website ist eine zentrale Vervielfätigungsplattform für | |
ultrarechte Ideologien. Nach einer Erhebung des Southern Poverty Law Center | |
– einer NGO, die „hate crimes“ dokumentiert – waren Nutzer der Webseite | |
überproportional für Hassverbrechen verantwortlich. | |
Mein Link mit den Koordinaten führt mich zu einem Parkplatz inmitten eines | |
verlassen wirkenden Ferienresorts. Ein älterer Mann steht vor dem | |
Hauptgebäude und raucht. Ich frage vorsichtig, ob hier der Ort des Treffens | |
ist. Er sieht mich nur misstrauisch an. Dann öffnet sich die Tür, und ein | |
Mann im Zweireiher sagt: „Komm ruhig rein, wir fressen dich schon nicht | |
auf!“ | |
Drinnen sieht es weniger nach einer neonazistischen Versammlungsstätte als | |
nach einem Bingo-Abend für Rentner aus. Doch Stück für Stück erkenne ich | |
unter den etwa 50 Anwesenden die Gesichter der Crème de la Crème der | |
US-White-Supremacy-Szene. Da ist der Pastor Thomas Robb, Leader der Knights | |
of the Ku Klux Klan und seine Tochter Rachel; Robert Lloyd, „arischer“ | |
Folksänger und ehemaliges Mitglied der American Nazi Party; Don Black, | |
Gründer und Administrator von Stormfront. | |
An einem Tisch sitzen zwei User des Forums, mit denen ich noch vor ein paar | |
Tagen gechattet habe und die ich von ihren Profilfotos auf stormfront | |
wiedererkenne: „Merk0331“ und „White Crusader“. Im richtigen Leben sind… | |
Fahrscheinkontrolleure. Wir drei sind die Einzigen hier unter 40. | |
Nachdem wir uns vorgestellt und die in den Autos verstauten Waffenarsenale | |
bewundert haben, kommen wir zur Hauptobsession aller White Supremacists: | |
Wer unter den Anwesenden ist der Spion? Eine etwa sechzigjährige blonde | |
Frau, die sich im Unterschied zu allen anderen so etwas wie Freundlichkeit | |
bewahrt hat, wird zum Sündenbock erklärt. Merk0331 sagt: „Bevor ich sie | |
dazu bringe, zu gestehen, ficke ich sie in den Arsch.“ – „Wie eklig, das | |
ist doch bestimmt ein Judenarsch“, sagt White Crusader. | |
Dann aber lassen sie von der Frau ab. Denn den Raum betritt der | |
Hauptdarsteller der Veranstaltung, begleitet von seinem Assistenten, der | |
ein Malteser-Hündchen in einer Tasche trägt: David Duke, Ex-Grand-Wizard | |
des KKK. Auf den Fotos im Internet sieht er jünger aus, die chirurgischen | |
Eingriffe, denen er sich unterzogen hat, um seinem Gesicht einen | |
„arischeren“ Look zu verleihen, haben bizarre Spuren hinterlassen. Als | |
echter Europäer werde ich von ihm begeistert begrüßt: „Du bist Italiener? | |
Wo stehst du politisch: Faschist oder nationalistischer Patriot?“ | |
Auf Duke stieß ich erstmals während einer Recherche für die taz im Frühjahr | |
2015. Es ging um eine Gruppe italienischer Rechter, die bei den Wahlen für | |
die Vertretung der im Ausland lebenden Italiener in Berlin antraten. Auf | |
der italienischen Version von stormfront fand ich einen Post, der meine | |
Aufmerksamkeit erregte: „Ist der Meister Duke immer noch in Italien?“ | |
In der Tat lebte David Duke drei Jahre in den norditalienischen Dolomiten, | |
und zwar klandestin, seit er 2011 dazu aufgefordert worden war, den | |
Schengen-Raum zu verlassen, weil er verdächtigt wurde, einen europäischen | |
Ableger des KKK aufzubauen. Die Verbindung von Duke zu Europa reicht aber | |
zurück bis in die 1970er Jahre. Dank seiner guten US-Wahlergebnisse in | |
den 1990ern wurde er im Folgenden zur Ikone der Neonazis weltweit. So ist | |
Duke ganz vorne dabei, als es gilt, den besiegten Ostblock zu erschließen. | |
In Moskau wird er nach eigenen Aussagen hofiert – „Ich fuhr mit dem | |
Chauffeur durch die Stadt und hatte drei Wohnungen mit Blick auf den Kreml“ | |
–, aber dann zwingen ihn Vorwürfe des FBI, nach Amerika zurückzukehren: | |
Wäre er in Russland geblieben, hätte das den Einzug seines beträchtlichen | |
Immobilienbesitzes in Louisiana zur Folge gehabt. | |
Die Anklage lautet auf Betrug, Duke soll Wahlkampfspenden in Höhe von | |
mehreren 100.000 US-Dollar in Spielkasinos und mit Prostituierten | |
verschleudert haben. 2002 bringt ihm das 15 Monate Gefängnis in Big | |
Spring/Texas ein. Kaum ist er entlassen, organisiert Duke im Mai 2004 in | |
New Orleans ein Schaulaufen des internationalen Rechtsextremismus. Man | |
verständigt sich auf das sogenannte New Orleans Protokoll, das die Gedanken | |
der White Supremacists und Antisemiten bündelt und ihre Verbreitung in den | |
sozialen Medien sicherstellt. | |
Das Internet hat den Charakter des Rechtsextremismus völlig verändert. Wo | |
vorher vereinzelte Nazisympathisanten immer in Angst vor Gesichts- und | |
Arbeitsplatzverlust leben mussten, wenn sie ihre Gesinnung öffentlich | |
machten, können sie sich nun ganz frei vernetzen. „Das Wichtige ist, | |
überall zu sein“, sagt Duke freudestrahlend, während er mir ein zwei | |
Millionen mal angeklicktes Video zeigt, das von einem angeblichen jüdischen | |
Komplott handelt, mit dem die Flüchtlinge nach Europa getrieben werden. | |
Juli 2016: Trump ist seit ein paar Tagen Kandidat der Republikaner, als ich | |
Duke zu Hause in Mandeville, Louisiana besuche. Er hat eingewilligt, dass | |
ich einen Dokumentarfilm über ihn drehe. Gerade sieht er ein Video eines | |
seiner Wahlkampfauftritte aus den 1990ern, er ist nervös, sagt immer | |
wieder: „Schau, ich habe die gleichen Dinge gesagt wie Trump heute, genau | |
die gleichen.“ Seine Mitbewohnerin, eine ältere Frau, sagt, dass er sich | |
seit einer Woche nicht vom Bildschirm wegbewegt habe. Während sein Name | |
wieder durch die Medien geistert, sitzt Duke wie ein Vampir das frische | |
Blut aufsaugend zu Hause und twittert und postet ununterbrochen. „Es | |
interessiert mich nicht, ob Trump mit oder ohne meine Hilfe gewinnt“, sagt | |
er, „Hauptsache, er gewinnt! Aber die Menschen müssen auch verstehen, dass | |
sich Trump von sich aus nie um die jüdische Frage kümmern wird. Dafür muss | |
ich sorgen.“ | |
17 Feb 2017 | |
## AUTOREN | |
Riccardo Valsecchi | |
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