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# taz.de -- Die Wahrheit: Der Wolkenschieber aus Westfalen
> Anekdoten aus dem schillernden Leben Frank-Walter Steinmeiers.
Bild: Ein Brakelsieker für Bellevue: Frank-Walter Steinmeier
Am Sonntag wird der bisherige Außenminister Frank-Walter Steinmeier zum
zwölften Bundespräsidenten der Bundesrepublik Deutschland gewählt. Dieses
große historische Ereignis nimmt die Wahrheit zum Anlass, ausgewählte
Anekdoten aus dem schillernden Leben des bedeutenden Detmolders zu
erzählen.
Als 14-Jähriger erlebte Frank-Walter Steinmeier mit, wie sein Heimatort
Brakelsiek in die nordrhein-westfälische Stadt Schieder-Schmalenberg
eingemeindet wurde. Der Vorgang löste bei ihm weder Protest noch Traumata
aus. Dass seine spätere Frau Elke nicht Steinmeier-Büdenbender oder
Büdenbender-Steinmeier heißen wollte, obwohl eine Ehe doch auch etwas von
einer Eingemeindung hat, störte ihn jedoch eine Weile lang.
***
Als Oberprimaner stockte Frank-Walter Steinmeier an der örtlichen
Freibadkasse zweimal pro Woche sein Sackgeld auf. Das Freibad war von
überschaubarer Größe und hieß „Naturteich Schwalenberger Wald“. Während
dienstags zwischen 15 und 19 Uhr bei guter Witterung stets ein großes Hallo
unter den Badegästen herrschte und Frank-Walter Steinmeier mit dem
Kartenverkauf alle zwei Hände voll zu tun hatte, schob er freitags ab 17
Uhr eine ruhige Kugel, auch bei Sonnenschein. Dem Grund dafür ist der
gelernte Fahrtenschwimmer bis heute nicht auf den Grund gegangen.
***
Als fleißiger Student in Gießen neidete Frank-Walter Steinmeier seinen
weniger strebsamen Freunden ihre ausgedehnten Reisen in die weite Welt. An
einem Sonntag stieg er deshalb in den Regionalexpress nach Norden und eine
Viertelstunde später in Marburg wieder aus. Heute hat er diesen
ereignislosen Nachmittag im Nieselregen bereits komplett vergessen.
***
An einem freien Abend wollte Frank-Walter Steinmeier mal wieder Vinyl
auflegen. Entsetzt stellte er fest, dass sein Exemplar von Miles Davis’
„Birth Of Cool“ heftiger knisterte als das Feuer im Kamin. Kurzerhand
setzte er sich mit einem guten Rotwein an den Rechner und lud sich das
Album in einer digitalen Version herunter. Vier Wochen später erreichte ihn
eine Abmahnung in Höhe von 800 Euro.
***
Im lippischen Dörfchen Brakelsiek ist das Showgeschäft nicht unbedingt
erfunden worden. Deshalb waren die Beamten in der niedersächsischen
Staatskanzlei schon sehr verblüfft, als der spätere Bundespräsident ihnen
einmal den Humor seiner Heimat nahebringen wollte. Auf einer
Weihnachtsfeier führte der junge „Franky“, wie er damals noch genannt
wurde, einen Sketch auf. Frank-Walter Steinmeier griff sich eine
Haushaltsleiter und erklomm sie mit einem Besen in der Hand. Auf der
obersten Stufe stehend, reckte er das Kehrgerät in die Höhe und rief dann
den Umstehenden zu: „Was ist das?“ Ratlos blickte das Publikum drein. Da
löste Steinmeier das Rätsel auf: „Ein westfälischer Wolkenschieber.“ Die
Kollegen sahen sich schweigend an. Noch Jahre später überlegte der
Ostwestfale, warum niemand seinen heimatlichen Humor verstand.
***
Nicht weit von der Friedenseiche im Zentrum des behaglichen Berliner
Stadtteils Zehlendorf lebte Frank-Walter Steinmeier die längste Zeit seines
Lebens. An manchem Sonntag spazierte der stille Staatsmann neben seiner
Gattin Elke zum sogenannten Hundesee, um die dort herumtollenden Vierbeiner
beim Spiel zu beobachten. Einmal stürmte ein kleiner schmutziger Kläffer
auf ihn zu, baute sich vor ihm auf, wedelte erst mit dem Schwanz und bellte
ihn dann wütend an: „Das Leben ist ein einziger Wechsel der Temperamente“,
sprach der weise Steinmeier daraufhin. Der Hund aber trollte sich eilig
zurück zu seinen Spielkameraden.
***
Als Mitarbeiter an „Hartz IV“, dereinst „Agenda 2010“ genannt, konnte s…
Steinmeier nie mit den Bezeichnungen anfreunden. Sein Favorit war die
„Brakelsieg-Schieder-Schmalenberg-Steinmeier-Agenda“.
***
Nur kurze Zeit, nachdem der damalige Bundesaußenminister Frank-Walter
Steinmeier im Jahre 2007 zusammen mit seinem französischen Amtskollegen
einen Song gegen Gewalt aufgenommen und veröffentlicht hatte, begab es sich
einmal, dass er während eines Kurzurlaubs über den Londoner Piccadilly
Circus spazierte, und sich plötzlich von einer Gruppe junger Frauen umringt
fand. Keck kichernd reckten diese ihm Arme, Beine, Postkarten und
Notizbüchlein entgegen, und baten ihn beherzt um Autogramme. Sehr
geschmeichelt, aber etwas verwundert über den durchschlagenden Erfolg des
doch noch so neuen Songs, kam der große alte Mann der Weltpolitik den
Wünschen der jungen Damen lachend und jovial nach. Als er allerdings die
letzte Unterschrift ausgehändigt hatte und aufsah, da blickte er nur in
traurige und enttäuschte Gesichter. Wie sich herausstellte, hatten die
Backfische Frank-Walter Steinmeier mit dem berühmten Musiker Elvis
Costello verwechselt. Kein Wunder, schließlich waren schon damals beide
Tonkünstler Brillenträger. Nun war es an Frank-Walter Steinmeier, ein
bisschen enttäuscht zu sein, hatte er sich doch ein paar Glücksmomente lang
eine schillernde Zukunft als Rockstar vorgestellt. Wenige Wochen später
aber konnte er über diese kleine charmante Episode herzhaft schmunzeln.
***
Fragt man Frank-Walter Steinmeier, wie er sich denn selbst bezeichnen
würde, kommt die Antwort ohne Zögern. „Ich bin ein leidenschaftlicher
Brötchenholer“, sagt er dann und verrät, dass er immer ein Brötchen mehr
kauft, als ihm aufgetragen wurde, auf dass niemand sich beschwere, wenn er
auf dem Heimweg aus lauter Lust einfach schon mal eines esse.
***
Frank-Walter Steinmeier beherrscht die Kunst des Fahrradfahrens seit seiner
frühen Jugend. Über die Jahre ist ihm nichts von seinem Können abhanden
gekommen und so reitet er seinen Drahtesel, sofern es die Zeit zulässt,
gerne durch die Landschaften, in denen Pressevertreter warten, um ihn als
Radler in den Fokus zu nehmen. Einmal war der Sommer schon vorbei, als er
unterwegs war und der wackere Steinmeier erblickte am Wegesrand einen
Apfelbaum voller reifer Früchte. Er betätigte die Bremsen seines Gefährts,
stellte das Rad ab, pflückte eine der zu voller Röte gereiften Früchte,
zeigte sie den mitgeradelten Pressevertretern und biss hinein. Als er kurz
darauf bei einem Treffen des Normandie-Formats zur Lösung des kriegerischen
Konflikts in der Ostukraine seinem russischen Amtskollegen Sergei Lawrow
von diesem kleinen Abenteuer berichtete, schien für einen Moment alles Böse
aus dem Gesicht des kühlen Russen gewichen zu sein. Lawrow lächelte. Sogar
die sonst so finsteren Vertreter der selbsternannten Republiken in der
Ostukraine, die dem Gespräch gelauscht hatten, waren da ganz angetan vom
deutschen Außenminister.
***
Aus Sicherheitsgründen ist immer noch nicht bekannt, ob Steinmeier an der
heutigen „Grünkohlwanderung“ in Brakelsiek teilnimmt. Zeit wäre schon.
11 Feb 2017
## AUTOREN
Arno Frank
Harriet Wolff
Michael Ringel
Carola Rönneburg
Corinna Stegemann
Andreas Rüttenauer
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