# taz.de -- Gedenken an den Holocaust: Ein Plattenspieler als Denkmal | |
> Pink Triangle nannten zwei Briten ihre Marke. Sie deuteten damit ein | |
> abwertendes Symbol für homosexuelle KZ-Häftlinge um. | |
Bild: Gedenktafel am Nollendorfplatz in Berlin: der Rosa Winkel | |
Als Neal Jackson und Arthur Khoubesserian 1979 begannen, in Großbritannien | |
Plattenspieler zu produzieren und einen Namen für ihr Unternehmen suchten, | |
war es eine andere Zeit. Punkrock und Provokationen waren Teil der | |
Alltagskultur. Weder Jackson noch Khoubesserian waren Punks, aber sie waren | |
jung, politisch und wütend. | |
Wütend machte sie auch das Buch „Die Männer mit dem rosa Winkel“ von Hans | |
Heger. In ihm ist das Leiden Josef Kohouts, der von 1939 bis 1945 in | |
Sachsenhausen und Flossenbürg war, dokumentiert. Zwei Konzentrationslager, | |
in die er von den Nazis deportiert wurde, weil er einen Mann liebte. | |
Der rosa Winkel, den Kohout wie alle homosexuellen KZ-Häftlinge an seiner | |
Kleidung trug, wurde nun der Name des gemeinsamen Unternehmens der beiden | |
schwulen Firmengründer. Zwar stellte Pink Triangle 2003 den Betrieb ein, | |
doch stehen der Markenname und das Logo bis heute für hochwertige | |
Plattenspieler. | |
Etwa zeitgleich mit der Gründung von Pink Triangle etablierte die Gay Pride | |
Movement den von den Nazis als Schandmal erdachten, auf der Spitze | |
stehenden rosa Winkel – allerdings um 180 Grad gedreht – als eigenes | |
Symbol. Das mit der Spitze nach oben weisende rosa Dreieck wurde so ein | |
Symbol für den Kampf gegen die fortdauernde Diskriminierung Homosexueller. | |
## Aus einer jungen Liebe ins KZ | |
Doch ein Unternehmen, das so deutlich mit der Schwulenbewegung zu verbinden | |
war, stieß auch auf Ablehnung. So führte Neal Jackson die Weigerung von | |
Händlern an der Ostküste der USA, Pink-Triangle-Produkte zu verkaufen, auf | |
den Firmennamen zurück. Es war ein Teil des Konzepts, die eigene politische | |
Überzeugung in das Geschäft einzubringen. Selbst wenn es zulasten des | |
Gewinns ging. Es wurden keine Produkte in Länder verkauft, die für eine | |
massive Repression ihrer Bevölkerung bekannt waren. Weder in den damaligen | |
Apartheidsstaat Südafrika noch in das von Pinochets Junta regierte Chile. | |
Jackson und Khoubesserian versuchten sogar, das Unternehmen zu | |
kollektivieren, was jedoch am Desinteresse der Mitarbeiter scheiterte. | |
Bereits der Name Pink Triangle wies über die Verbrechen der Nazis hinaus. | |
Denn Hegers Buch machte deutlich, dass die Schwulen in den | |
Konzentrationslagern keineswegs ausschließlich von überzeugten Nazis | |
gepeinigt und gequält wurden. Das Regime der Nazis schuf einen | |
verbrecherischen Staat mit mörderischen Folgen. Doch ein Teil der | |
Misshandlungen, die Josef Kohout erduldete und die Heger beschrieb, | |
begingen die „normalen“ Mitgefangenen. Sie nutzten ihn aus, um sich | |
sexuelle Dienstleistungen zu erkaufen oder erzwangen sie direkt. Danach – | |
sexuell befriedigt – beschimpften sie ihn als Schwulen, den sie selber nur | |
aus Mangel an Frauen benutzt hätten. | |
In diese Welt wurde der Österreicher Josef Kohout in einem Moment des | |
persönlichen Glücks gestoßen: Aufgewachsen in einem humanistisch geprägten | |
Elternhaus und bei einer Mutter, die sein Schwulsein akzeptierte, lebte er | |
gerade in einer jungen glücklichen Beziehung mit einem Mann. | |
Der „Anschluss“ Österreichs, Kohouts folgende Verhaftung und Verurteilung | |
zu sechs Monaten „schweren Kerkers“ setzten dem ein brutales Ende. Doch der | |
wirkliche Horror begann danach. Denn Josef Kohouts Liebe Fred war der Sohn | |
eines Nazifunktionärs. Für diese galt: Hohe Nazis hatten keine schwulen | |
Söhne! Da Kohout zu viel wusste, wurde er nach seiner Kerkerhaft nicht | |
entlassen, sondern kam in die sogenannte Schutzhaft und wurde in das | |
Konzentrationslager Sachsenhausen deportiert. Da er wusste, dass | |
Homosexuelle in den Konzentrationslagern zu Tode gemartert wurden, empfand | |
er den Tag der Entlassung aus dem Kerker als Todesurteil. | |
## Das Unrecht öffentlich machen | |
Unter dem Eindruck der von Heger beschriebenen Erniedrigungen und | |
Folterungen von Schwulen, wollten Jackson und Khoubesserian ursprünglich | |
jedes ihrer Produkte nach einem schwulen Opfer der Nazis benennen, um | |
diesem so ein Denkmal zu setzen. Doch scheiterte diese Idee daran, dass es | |
keine Liste gab. | |
Kurz vor Kriegsende konnte Kohout fliehen und nach Wien zurückkehren, wo er | |
1994 in einem Pflegeheim starb. In 15 Interviews schilderte er Heger sein | |
Martyrium und machte so als erster Schwuler das erlittene Unrecht | |
öffentlich. Dem Erscheinen des Buches 1972 war eine lange Suche nach einem | |
Verlag vorausgegangen. Der Verfasser legte sich aus Angst vor | |
Diskriminierungen das Pseudonym Heinz Heger zu. Sein richtiger Name war | |
Johann Neumann. Josef Kohout selbst blieb im Buch anonym. In seiner | |
Heimatstadt Wien trägt der Park, der dem Gedenken der homosexuellen Opfer | |
des NS-Terrors gewidmet ist, nicht seinen Namen, sondern heißt | |
Hans-Heger-Park. | |
27 Jan 2017 | |
## AUTOREN | |
Ingo Techmeier | |
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