# taz.de -- Berliner Straßen werden umbenannt: Aus für Kolonialisten | |
> Im Afrikanischen Viertel in Berlin tragen einige Straßen noch Namen | |
> gefürchteter Unterdrücker. Das soll sich jetzt ändern. | |
Bild: Soll nun aus dem Stadtbild verschwinden: Adolf Lüderitz | |
Berlin taz | Das Bezirksamt Mitte sucht berlinweit nach neuen Namen für | |
zwei Straßen im Afrikanischen Viertel. Jahrelange Diskussionen tobten laut | |
der Bezirksstadträtin von Mitte, Sabine Weißler (Grüne), um die Umbenennung | |
des Nachtigalplatzes und der Lüderitzstraße. Gleichzeitig entbrennt eine | |
neue Diskussion über die nahe gelegene Petersallee, deren Umbenennung | |
ebenfalls auf dem Plan stand. | |
Die Bezirksverordnetenversammlung sei schon im Frühjahr 2016 zu dem Schluss | |
gekommen, dass „Lüderitz und Nachtigal zwei Personen sind, die wir nicht | |
ehren wollen“, so Weißler. Nun beginnt die Umsetzung des Beschlusses. | |
„Straßennamen stehen für die Haltung der ganzen Stadt“, gibt die Stadträ… | |
zu verstehen. Sie wolle nicht eines „Betrügers“ wie Adolf Lüderitz, eines | |
„Abwicklers deutscher Kolonialität“ wie Gustav Nachtigal oder eines | |
„sadistischen Mörders“ wie Carl Peters gedenken. | |
Das Berliner Straßengesetz sieht jedoch für die Umbenennung von Straßen | |
strikte Regeln vor. „Das Geheimnis“ dieses Gesetzes sei laut Weißler, dass | |
Straßennamen vor allem der besseren Orientierung dienen: Eine Straße kann | |
in jedem Fall nach dem Gesetz umbenannt werden, wenn eine andere Straße in | |
der Stadt denselben Namen trägt. Schwieriger wird es in Fällen, die nicht | |
allein der besseren Orientierung dienen: Es gebe nur „drei, vier | |
ideologische Ausnahmen“, so Weißler: beispielsweise, dann, wenn die | |
Namenspatronen der Straßennamen problematische Personen sind, etwa Gegner | |
der Demokratie. | |
## Die Würdigung eines Mörders? | |
Bei der Petersallee sei die Sache nicht so klar: Zwar war auch hier die | |
Umbenennung schon beschlossene Sache, laut Weißler sei sie aber ein | |
„schwieriger Fall“. Denn Anwohner könnten dagegen klagen und seien | |
wahrscheinlich im Recht: Denn die Straße ist seit Mitte der achtziger Jahre | |
nicht mehr Carl, sondern Hans Peters, einem NS-Widerständler, gewidmet. | |
Weißler lässt die Umbenennung der Petersallee nun rechtlich prüfen. Für | |
Tahir Della von der Initiative Schwarze Menschen wäre es ein „totales | |
Desaster“, wenn die Debatte über die Petersallee durch einen rechtlichen | |
Beschluss beendet werden würde. Er könne „die Motivation Weißlers“ nicht | |
verstehen und sieht die rechtliche Prüfung nur als Vorwand: „Bei jeder | |
Umbenennung besteht die Gefahr, dass Anwohner dagegen klagen. Hans Peters | |
vorzuschieben halte ich nicht für gerecht.“ | |
Er weist auf die Wichtigkeit hin: „Die heutige globale Ungerechtigkeit hat | |
mit der Kolonialisierung zu tun“, so Della. „Die Länder sind davon nach wie | |
vor stark geprägt, und wir müssen das entsprechend analysieren.“ Dies | |
erfolge nicht durch die Würdigung von Massenmördern durch Straßennamen. | |
## Frauen- statt Kolonialistennamen | |
Auch die Namen anderer Straßen stehen laut Della in der Kritik. Die | |
Mohrenstraße ist dafür wohl das prominenteste Beispiel. Aber auch die | |
Wissmannstraße in Neukölln oder die Lans- und die Iltisstraße in | |
Steglitz-Zehlendorf sind nach Kolonialisten benannt. | |
Vorschläge für den Nachtigalplatz und die Lüderitzstraße können alle | |
Berliner*innen an das Bezirksamt Mitte senden. Es werden „Persönlichkeiten | |
– insbesondere Frauen – der (post-) kolonialen Befreiungs- und | |
Emanzipationsbewegung aus Ländern Afrikas“ gesucht. Das könnten laut | |
Weißler etwa Politikerinnen oder Schriftstellerinnen sein – „alles, was | |
überzeugt, ist möglich“. | |
Hier spricht wieder das Straßengesetz: Demnach sollen nämlich Frauen bei | |
der Widmung bevorzugt werden, da die meisten Straßen Berlins nach Männern | |
benannt wurden. Tahir Della sitzt ebenfalls in der Jury, die den Namen der | |
beiden Straßen auswählt. Er gehe davon aus, dass die Straßen endgültig 2018 | |
umbenannt werden, sagt er. | |
3 Feb 2017 | |
## AUTOREN | |
Lisbeth Schröder | |
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