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# taz.de -- taz-Serie: Gut vorankommen: Höfliche Dubliner
> Die U-Bahn-Pläne fielen der Krise zum Opfer, die Radwege sind Horror. Und
> wer aus dem Bus aussteigt, bedankt sich beim Fahrer. Warum bloß?
Bild: Das übliche Pech. Kein Wunder, dass die Iren ihre Autos und Motorräder …
Dublin taz | Die irische Hauptstadt gehört zu den zehn verstopftesten
Städten der Welt. Weil ein anständiges öffentliches Transportsystem fehlt,
fahren rund drei von fünf Dublinern mit dem Auto zur Arbeit – dreimal so
viele wie in anderen europäischen Städten.
Das sollte eigentlich anders werden. 2006 plante die Regierung eine U-Bahn
für die irische Hauptstadt. Die Wirtschaft boomte, Geld schien keine Rolle
zu spielen. Zwei Jahre später kam der Crash, 2011 wurden die Pläne
offiziell eingemottet.
Meine Fahrt vom Flughafen zum Bahnhof Heuston, wo die Züge in den Westen
und Süden der Insel fahren, dauert deshalb etwas länger. Ich muss einen Bus
nehmen, der sich durch den Dubliner Verkehr schleppt. Die Doppeldecker sind
modern, aber sie haben eine Eigenart: Nur die vordere Tür wird benutzt. Wer
einsteigen will, muss warten, bis die Leute ausgestiegen sind und sich
zuvor beim Busfahrer bedankt haben.
Man zahlt jede Fahrt einzeln, ein Umsteigeticket gibt es nicht. Ich habe
aber eine grüne „Leap Card“, die man in vielen Supermärkten aufladen kann.
Man legt sie auf ein elektronisches Lesegerät, und der Fahrer bucht den
entsprechenden Fahrpreis je nach Entfernung ab. Eine durchschnittliche
Fahrt kostet 2,05 Euro. Bei Barzahlung wären 2,70 Euro fällig. Allerdings
weiß ich nie, wie viel Geld noch auf der Karte ist.
Dieses Mal reicht es nicht, sodass ich bar bezahlen muss – und zwar
passend. Wegen der Überfälle auf Busfahrer fällt das Geld direkt in einen
Tresor unter dem Bus, Wechselgeld gibt es nicht. Wirft man zu viel in den
Schacht, erhält man einen Gutschein vom Fahrer, den man im Büro von „Dublin
Bus“ in der Innenstadt einlösen kann. Da es sich meist nur um ein paar Cent
handelt, macht das kaum jemand. Das Busunternehmen nimmt dadurch mehr als
eine Million Euro zusätzlich ein.
Dublins Zentrum ist kompakt, man kann es mühelos erwandern. Aber der
Bahnhof Heuston liegt etwas außerhalb. Ich nehme vom zentralen Busbahnhof
den Luas, was auf Irisch „Geschwindigkeit“ bedeutet. Der Luas ist eine
Straßenbahn, Dublins neueste Errungenschaft.
Na ja, es gab auch früher Straßenbahnen, und 1904 galt Dublin in dieser
Hinsicht als führend in der Welt. 1959 fuhr die letzte Bahn. Seit 2004 gibt
es wieder zwei Strecken, die aber nicht miteinander verbunden sind. Das
soll erst Ende 2017 geschehen, zurzeit ist die Innenstadt eine riesige
Baustelle. Die rote Linie bringt mich recht schnell nach Heuston, es sind
nur sechs Stationen.
## Radfahren auf braunen Streifen
Ohne die inzwischen aufgeladene Leap Card wäre es jedoch teuer. Manche
Kombi-Tickets gibt es nämlich weder im Automaten noch im Bus oder Luas,
sondern nur an Bahnhöfen, etwa die Kombikarte für den Luas und den Dart.
Letzteres ist die S-Bahn, die um die Dubliner Bucht herumfährt. Günstig für
Menschen, die am Wasser wohnen, und wer das tut, kann sich wohl auch die
Monatskarte für 152 Euro leisten. Legt man noch 30 Euro drauf, darf man
auch den Luas benutzen.
Vom Busbahnhof hätte ich ein Rad nehmen können. Wie in anderen Städten gibt
es auch in Dublin Fahrradstationen, an denen man sich registrieren kann.
Das Jahresticket kostet 20 Euro. Hinzu kommt die Leihgebühr, zwei Stunden
kosten zum Beispiel 1,50 Euro, wobei die erste halbe Stunde frei ist.
Aber man benötigt Mut, um in Dublin Rad zu fahren. Die Fahrradwege sind
schmale braune Streifen mitten auf der Busspur. Manche verlaufen auch auf
dem Bürgersteig, schwenken dann vor Kreuzungen auf die Fahrbahn und danach
wieder zurück, sodass man sich zwischen Autos und Fußgängern
hindurchschlängeln muss.
Also lieber den Bus, zumal das irische Transportwesen noch einen Vorteil
hat: Ab dem 66. Geburtstag fährt man überall kostenlos mit Bahn und Bus. So
weit ist es bei mir aber noch nicht.
2 Feb 2017
## AUTOREN
Ralf Sotscheck
## TAGS
ÖPNV
Irland
Dublin
Schwerpunkt Finanzkrise
Gut vorankommen
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