# taz.de -- Sozialgerichtsurteile zu Hartz IV: Ein Computer für die Schule ist… | |
> Jobcenter müssen die Kosten für einen Computer und eine Brillenreparatur | |
> übernehmen. Das Prinzip „Ansparen“ funktioniert nicht. | |
Bild: Werden in der Schule zum Standard: Tablets und Computer | |
BERLIN taz | SchülerInnen im Hartz-IV-Bezug, die für die Teilnahme am | |
Unterricht einen Computer brauchen, bekommen unter Umständen das Geld dafür | |
vom Jobcenter erstattet. Für die Reparatur einer Brille und die Teilnahme | |
an einer Abiturfeier muss das Jobcenter ebenfalls zahlen. Das geht aus | |
mehreren Urteilen von Sozialgerichten hervor, die der Wuppertaler | |
Beratungsverein Tacheles jetzt publik machte. | |
Tacheles-Berater Harald Thomé bezeichnete das Urteil für die | |
Computeranschaffung als „absolut wichtig“. Das Landessozialgericht | |
Nordrhein-Westfalen hatte vor einigen Jahren die Übernahme der | |
Anschaffungskosten für Computer für Hartz-IV-Empfänger abgelehnt. | |
In Cottbus kam das Sozialgericht zu dem Schluss, bei dem internetfähigen PC | |
für die Schülerin handele es sich um einen „Mehrbedarf“, der „unabweisb… | |
sei, weil er nicht aus dem Regelsatz gedeckt werden könne. Ein Computer im | |
Wert von 350 Euro falle nicht unter einen durchschnittlichen persönlichen | |
Schulbedarf, der schon durch das Bildungspaket für SchülerInnen im | |
Hartz-IV-Bezug berücksichtigt werde. | |
## Hausaufgaben nur via Internet möglich | |
Im genannten Fall führte die Mutter aus, dass das Gymnasium in Cottbus die | |
Hausaufgaben für die Schüler ins Internet stellte. Die Schüler müssten die | |
Aufgaben aus dem Internet herunterladen, erledigen und das Ergebnis wieder | |
auf die Seiten der Schule hochladen. Hausaufgaben, die nicht rechtzeitig | |
auf die Seiten der Schule hochgeladen werden, würden mit null Punkten | |
bewertet, hatte die Klägerin erklärt. | |
Das Gericht urteilte, die Mutter habe überzeugend dargelegt, dass ihrer | |
Tochter am Gymnasium mit seinen speziellen Anforderungen an die Schüler | |
„eine erfolgreiche Ausschöpfung ihrer Potenziale“ nur durch die „ständi… | |
Verfügbarkeit eines internetfähigen Computers“ möglich sei. | |
Das Gericht bezog sich dabei auf das Bundesverfassungsgericht, das vor | |
einigen Jahren ausdrücklich darauf hinwies, dass notwendige Aufwendungen | |
zur Erfüllung schulischer Pflichten zum existenziellen Bedarf von Kindern | |
gehören. Das Urteil (Az.: S 42 AS1914/13) erging schon im Oktober, die | |
Begründung wurde erst kürzlich dem Rechtsanwalt zugestellt. | |
Bisher sind im monatlichen Regelsatz für Hartz-IV-Empfänger geringe Beträge | |
eingerechnet, um damit etwa die Anschaffungen oder Reparaturen von | |
Computern und Handys, Waschmaschinen und Brillen anzusparen oder | |
abzuzahlen. Dass dieses „Ansparmodell“ unrealistisch ist, wird von | |
Wohlfahrtsverbänden, den Grünen und der Linkspartei schon lange gerügt. | |
## Sechs Jahre auf einen Computer sparen | |
Die im Regelsatz enthaltenen Kleinstpauschalen zum Ansparen für notwendige | |
größere Anschaffungen seien eine „Farce“ sagte der Hauptgeschäftsführer… | |
Paritätischen Gesamtverbandes, Ulrich Schneider, am Montag. Im genannten | |
Fall hätten Mutter und Tochter gemeinsam rund sechs Jahre lang auf den für | |
die Schule dringend benötigten Computer sparen müssen. | |
Im Regelsatz seien gerade mal 2,52 Euro monatlich für Computer vorgesehen. | |
„Wer Mangel hat, kann überhaupt nichts sparen“, so Schneider. Der | |
sozialpolitische Sprecher der Grünen, Wolfgang Strengmann-Kuhn, erklärte, | |
Computer zu Lernzwecken müssten genauso wie Brillen und größere | |
Haushaltsgeräte wieder als einmalige Leistungen von den Jobcentern | |
finanziert werden, unabhängig vom Regelsatz. | |
Wie schwer sich die Rechtsprechung mit den besonderen Bedarfen tut, zeigen | |
zwei weitere Urteile, auf die der Verein Tacheles hinwies. Das | |
Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen verurteilte ein Jobcenter in | |
Oldenburg dazu, einem Empfänger die Reparatur seiner Brille in Höhe von 66 | |
Euro zu bezahlen, weil es sich um die Reparatur eines „therapeutischen | |
Geräts“ handele und diese Reparatur nicht im Regelsatz eingerechnet sei. | |
Die Anschaffung einer Brille aber sei bereits im Regelsatz enthalten, so | |
das Gericht. (Az.: L 13 AS 92/15). | |
Auch den Unkostenbeitrag für die Teilnahme an einer Abiturfeier mit | |
Zeugnisüberreichung in Höhe von 100 Euro müsse das Jobcenter übernehmen, | |
urteilte das Sozialgericht für das Saarland. Das Fernbleiben von | |
schulischen Gemeinschaftsveranstaltungen könne Jugendliche nachhaltig | |
prägen und negativ beeinflussen. Im genannten Fall hatten Schüler eine | |
aufwendige Abiturfeier organisiert und einen hohen Unkostenbeitrag | |
verlangt. (Az.: S 12 AS 421/14) | |
23 Jan 2017 | |
## AUTOREN | |
Barbara Dribbusch | |
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