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# taz.de -- Eiseskälte in den Flüchtlingslagern: Ein Armutszeugnis für Europa
> Zehntausende Flüchtlinge frieren in Zelten. Eine adäquate Versorgung ist
> nicht gewährleistet. Die Kapazitäten reichen nicht aus.
Bild: Diese syrischen Kinder bibbern im Lager Ritsona 90 Kilometer nördlich vo…
Athen taz | Zahlreiche Flüchtlingscamps in Griechenland und auf der
Balkanroute gen Norden sind nicht winterfest. Die Grenzen sind dicht. Und
so müssen Tausende Flüchtlinge und Migranten die Kältewelle in Europa
schutzlos aushalten.
In Serbien an der Grenze zu Ungarn harren Tausende bei Temperaturen von bis
zu minus 20 Grad in Zelten aus. Viele von ihnen sind nicht ausreichend mit
Winterkleidung ausgestattet. Die Frauen und Kinder bleiben in den
überfüllten Camps. Viele der Männer suchen Schutz in leer stehenden
Gebäuden in Belgrad oder etwas außerhalb der Stadt. Dort entzünden sie
Feuer, was in den geschlossenen Räumen zu Rauchvergiftung führen kann.
Auch auf den griechischen Inseln hat sich die Situation durch den
Kälteeinbruch drastisch verschärft.
Mustafa al-Khatib ist einer der etwa 15.000 Flüchtlinge, die auf den
griechischen Inseln festsitzen. Vor einem Jahr flüchtete er aus Aleppo. „Es
ist kaum zu ertragen“, sagt al-Khatib. „In den Zelten hier auf Chios werden
es Nachts bis zu minus 2 Grad, doch wir schlafen auf einfachen Matten auf
dem Boden.“
Hunderte von kleinen Kindern seien der Kälte schutzlos ausgeliefert. Die
Decken und Klamotten seien feucht vom Schnee und Regen. Nachts könne man
daher kaum länger als zwei Stunden durchschlafen. Tagsüber reiche das warme
Wasser nie für alle. Denn es sind zu viele Menschen für zu wenig
Kapazitäten.
## Überfüllte Lager
„Der Kälteeinbruch und die nicht ausreichenden Kapazitäten in den Camps
bedeuten extreme gesundheitliche Risiken für die Menschen hier“, sagt
Sophie Lisa de Vries, Ärztin der Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen auf
der Insel Lesbos. Die Situation in den Camps sei noch nie gut gewesen. Doch
die Menschen – darunter auch Schwangere und Kranke mit Parkinson oder Krebs
– solch einer Situation wie in den letzten Tagen zu überlassen, das sei
verantwortungslos, so de Vries.
Um sich etwas zu wärmen entzünden sie Lagerfeuer.“ Das birgt ein hohes
Sicherheitsrisiko“, sagt de Vries. Denn die Zelte und Planen ringsrum sind
leicht entflammbar. Die meisten der Menschen seien durch Krieg, die
Strapazen der Flucht und die unklare Situation psychisch stark mitgenommen.
Jetzt in der Kälte sitzen gelassen zu werden schüre Verzweiflung.
Nach Vorwürfen mehrerer Hilfsorganisationen, die griechische Regierung
würde sich nicht um die Flüchtlinge in der Kälte kümmern, erreichte am
Mittwoch ein Schiff der Kriegsmarine die Insel Lesbos. Es soll angeblich
etwa 300 allein reisende männliche Flüchtlinge aufnehmen und versorgen.
## Menschenrechte auf dem Prüfstand
Das Problem sei die dreifache Überbelegung der Lager. Dadurch seien die
benötigten Einrichtungen völlig überlastet, so Roland Schönbauer, Sprecher
des UN-Hilfswerks für Flüchtlinge. Zwar evakuierte das UNHCR in den letzten
Tagen besonders schutzbedürftige Flüchtlinge und Migranten von den
griechischen Inseln aufs Festland. Familien mit kleinen Kindern wurden
vorerst in Hotels und Übergangswohnungen untergebracht, so Schönbauer.
Doch noch immer sind Tausende Menschen der Kälte ausgesetzt. „In dieser
Situation steht Europas Menschenrecht auf dem Prüfstand“, sagte der
UNHCR-Sprecher. Die Organisation könne Notsituationen etwas erträglicher
machen. Doch eine humanitäre Flüchtlingspolitik, basierend auf Mitgefühl
und Solidarität, müsse Europa endlich selbst in die Tat umsetzen.
11 Jan 2017
## AUTOREN
Theodora Mavropoulos
## TAGS
Schwerpunkt Flucht
Kältewelle
Serbien
Griechenland
UNHCR
Balkanroute
Lesestück Recherche und Reportage
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Lesbos
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