# taz.de -- Kreativkampf in Berlin: Alte Münze zum Glänzen bringen | |
> Was wird aus der Alten Münze in Mitte? Ein „House of Jazz“? Ein „Haus … | |
> Berlin“? Fest steht nur: Die Spreewerkstätten, die den Bau seit 2013 | |
> bespielen, wollen bleiben. | |
Bild: So könnte die Alte Münze nach den Ideen der Riverside Studios aussehen | |
Ein cooler, in dieser Jahreszeit aber auch ein kühler Ort: die Alte Münze | |
am Molkenmarkt 2, direkt gegenüber vom Nicolaiviertel. Das Haus strahlt | |
nicht gerade Gemütlichkeit aus bei der Führung von Katharin Ahrend und | |
Christian Otto von den Spreewerkstätten. 7.000 Quadratmeter des Hauses | |
werden derzeit von den Spreewerkstätten genutzt, etwa ein Drittel der | |
Flächen, die man dort nutzen könnte. Trotzdem: Es gelingt den beiden, die | |
Räume des Hauses, das 1935 gebaut und in dem bis zum Jahreswechsel | |
2005/2006 Münzen geprägt wurden, mit Begeisterung zu füllen. „Es ging uns | |
immer darum, auch in dieser exponierten Lage Freiräume zu sichern“, sagt | |
Otto. | |
Seit 2013 erschließen die Spreewerkstätten mit jeweils einjährigen | |
Mietverträgen immer mehr Räume in der Alten Münze – und die Hausführung | |
beweist, wie viel Gespür sie dabei beweisen. So vermieten sie das Haus an | |
etwa 30 Künstler und Start-ups, darunter die US-amerikanische | |
Neon-Künstlerin Olivia Steele und die nachhaltige Getränkefirma Lemonaid. | |
Sie bieten auch Ausstellungsräume und Event-Locations an. Doch nun könnte | |
es sein, dass die Spreewerkstätten auf einen anderen Ort ausweichen müssen. | |
Sie sind in einen Kreativkampf hineingeraten, an dessen Ende sie leer | |
ausgehen könnten. | |
Um die Alte Münze, die der landeseigenen Berliner-Immobilien-Management | |
GmbH (BIM) gehört, lange Zeit verkauft und nun vermietet werden soll, | |
konkurrieren derzeit zwei Initiativen. Bereits Mitte November wurde | |
bekannt, dass der ehemalige Kulturstaatssekretär Tim Renner (SPD) gemeinsam | |
mit Trompeter Till Brönner auf zirka 4.000 Quadratmetern ein „House of | |
Jazz“ in der Alten Münze planen. Von Zusammenarbeit mit den derzeitigen | |
Zwischennutzern Spreewerkstätten war keine Rede, die sich dementsprechend | |
überrumpelt fühlten – auch wenn Renner damals beschwichtigte, keiner habe | |
vor, „Vorhandenes zu zerstören“. Kulturstaatsministerin Monika Grütters | |
(CDU) stellte spontan 12,5 Millionen zur Verfügung – Insider wunderten | |
sich, wie einfach kulturpolitische Förderung manchmal sein kann. | |
Schließlich war Brönner einst bei Renners ehemaliger Plattenfirma unter | |
Vertrag. | |
## Kampf um Konzepte | |
Doch wenig später die Irritation, eine Presseerklärung der Berliner | |
Riverside Studios mit Architekturbüro uno Partner aus Zürich: Man plane | |
schon seit einem Jahr gemeinsam mit den Spreewerkstätten auf 18.000 | |
Quadratmetern eine Neukonzeption der Alten Münze unter dem Namen „Haus of | |
Berlin“ – und zwar ohne Fördergelder. „Wir haben unser Konzept schon im | |
Sommer 2016 Tim Renner vorgestellt“, sagt Martin Eyerer, Mitinhaber der | |
Riverside Studios, Produzent und DJ. Wie Renner dazu Stellung nimmt, war | |
bis Redaktionsschluss nicht in Erfahrung zu bringen. | |
Martin Eyerer schwebt ein Haus vor mit Büros, Film-, Foto- und | |
Musikstudios, Proberäumen, Restaurants, Bars und einem Hotel – eine | |
Infrastruktur mit öffentlich zugänglicher Hoffläche und Öffnung zum | |
Spreeufer hin. Weil Eyerer dem Gebäude aber ebenso wenig ein geschlossenes | |
Konzept überstülpen will wie die Macher der Spreewerkstätten, soll | |
integriert werden, was schon da ist. Die Spreewerkstätten bleiben, es soll | |
eine faire Mischung aus wirtschaftsstarken sowie auch schwächeren, dafür | |
„kreativ hochwertigen Mietern“ geben. | |
Die Spreewerkstätten, Riverside Studios und das Architekturbüro in der | |
Schweiz haben sich inhaltlich längst zusammengetan, man zieht an einem | |
Strang: „Uns schwebt sogar ein Community Management vor“, sagt Martin | |
Eyerer, um die Qualität dieser Durchmischung zu garantieren. Er freut sich | |
auf die Machbarkeitsstudien und Konzeptfindungsverfahren, die der neue | |
Kultursenat verspricht. „In diesem Komplex kann viel mehr statt finden als | |
zwei Konzepte“, sagt Pressesprecher Christian Bartsch. | |
Durchmischung ist auch das Konzept, das die Spreewerkstätten bei ihrer | |
Arbeit bislang verfolgen und damit interessante Ergebnisse hervorgebracht | |
haben. Katharin Ahrend führt durch die Hieronymos-Bosch-Ausstellung im | |
Produktionshaus der Alten Münze – eine multimediale Show, die im August | |
2016 eröffnet wurde und gerade bis zum Juni 2017 verlängert wurde. Andere | |
Räume wie das Atelier der eingangs erwähnten Neon-Künstlerin Olivia Steele | |
gehen stärker den Dialog mit dem Charme der Alten Münze ein und setzen sich | |
wohltuend ab von der Großveranstaltung: überall die schönen | |
Neon-Schriftzüge der Künstlerin, aber auch viel vom Flohmarkt – Dinge, die | |
über den Umgang der Berliner mit jenem Teil der Vergangenheit erzählen, den | |
sie gern loswerden wollen. | |
Loswerden wollen Katharin Ahrend und Christian Otto nichts von der Alten | |
Münze. Deshalb haben sie die Räume bislang höchstens minimal verändert, mit | |
Gefundenem gespielt, zum Beispiel Waschbecken umgedreht und als Lampen | |
umfunktioniert. Selbst noch die repräsentativen Treppenaufgänge, die ganz | |
der Ästhetik des Dritten Reichs entsprechen, allerdings an diesem Ort nicht | |
freistehen konnten und daher seltsam eingezwängt wirken, sind den beiden | |
ans Herz gewachsen. | |
„Ach, wir haben so viele Ideen, was man aus diesen Räumen noch machen | |
könnte“, sagt Ahrend. Darum würden sich die Macher der Spreewerkstätten so | |
freuen, wenn es tatsächlich zur Zusammenarbeit mit den Riverside Studios | |
käme. Kommerziell erfolgreiche Unternehmen neben kleiner Kreativwirtschaft, | |
Gegenwart neben Geschichte: Da hätten sich wirklich zwei Akteure gefunden. | |
5 Jan 2017 | |
## AUTOREN | |
Susanne Messmer | |
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