# taz.de -- Nutzung landeseigener Grundstücke: Bezirke wollen Hausherr bleiben | |
> Das Land verkauft derzeit kaum Grundstücke. Das liegt nicht nur an der | |
> Finanzkrise und zögerlichen Investoren. Politiker stemmen sich im | |
> Nachhinein gegen die Geschäfte des Liegenschaftsfonds. | |
Bild: So könnte die Alte Münze nach den Ideen der Riverside Studios aussehen | |
Dem Chef des Liegenschaftsfonds sitzt die Krise im Nacken. Im ersten | |
Quartal dieses Jahres hat die Gesellschaft zur Vermarktung der | |
landeseigenen Grundstücke 60 Millionen Euro weniger Erlös an das Land | |
abgeführt als noch vor einem Jahr. Waren es vor einem Jahr noch knapp 99 | |
Millionen Euro, so sind es seit Jahresbeginn nur noch knapp 40 Millionen | |
Euro. | |
Nicht nur der Verkauf von Immobilienobjekten stagniere, sagt | |
Geschäftsführer Holger Lippmann. Selbst Verträge, die in Sack und Tüten | |
waren, kommen ins Wanken: so bereits geschehen mit der einstigen Geldfabrik | |
"Alte Münze" am Molkenmarkt in Mitte. Dem Investor ist der | |
Eigenkapitalgeber abgesprungen, der Kauf droht zu platzen. Zwar hält der | |
Liegenschaftsfonds an dem Projekt fest - das Gebot war zu verlockend. Doch | |
ob die Verkaufssumme je fließen wird, ist offen. Der Liegenschaftsfonds | |
gibt dem Unternehmer einen Aufschub bis 2010, wenn dieser wenigstens die | |
120.000 Euro Betriebskosten berappen kann. Auch eine Zwischennutzung ist im | |
Gespräch. Bis zum endgültigen Verkauf gilt der Vertrag als "schwebend | |
unwirksam". | |
Aber es sind nicht nur die schlechte wirtschaftliche Lage und die Tatsache, | |
dass derzeit kaum einer wagt zu investieren, die Lippmann zu schaffen | |
machen. Sondern es ist - und das ist viel schlimmer für ihn - die Politik, | |
die ihm die besten Geschäfte versaut. 20 Millionen gingen dem Land Berlin | |
in den vergangenen Monaten flöten, hat Lippmann ausgerechnet, weil immer | |
mehr Verträge im Nachhinein annulliert, verändert und Verkäufe verschoben | |
werden. Seit einem dreiviertel Jahr werde es immer schlimmer, sagt er: | |
Fertige Verträge mit Investoren würden die Parlamentarier des | |
Abgeordnetenhauses nicht absegnen oder die Entscheidung darüber | |
aufschieben. Auch die Bezirke und der Senat wollten das Baurecht verändern, | |
sogar Ausschreibungen müssten neu aufgerollt werden. Weil im Nachhinein | |
doch nicht nur das Geld und der maximale Gewinn zählen soll, sondern auch | |
die Stadt. | |
Zwei Beispiele: Bereits Ende 2007 hatte der spanische Investor und | |
Hotelbetreiber Barceló Group das Grundstück auf dem Hammarskjöldplatz vor | |
dem Messegelände am Funkturm erworben, um ein 90 Meter hohes Hotel zu | |
errichten. Der Liegenschaftsfonds hat einen Vorvertrag mit dem Investor in | |
der Tasche. Doch dann kamen die Denkmalschutz-Bedenken von | |
Stadtentwicklungssenatorin Ingeborg Junge-Reyer (SPD) und der Mehrheit | |
ihrer Partei. Bis heute hat das Parlament dem Verkauf nicht zugestimmt und | |
wird es laut dem baupolitischen Sprecher der SPD, Michael Arndt, auch nicht | |
tun: "Das denkmalgeschützte Ensemble am Messegelände würde mit dem Bau | |
eines Turms an städtebaulichem Wert verlieren." | |
Deshalb soll laut neuem Bebauungsplan gar kein Gebäude auf dem Platz | |
hinzukommen. Laut Arndt liege die Verantwortung für den gescheiterten | |
Verkauf beim Liegenschaftsfonds, schließlich habe dieser voreilig und im | |
Alleingang gehandelt, "ohne sich nach der "Stimmungslage im | |
Abgeordnetenhaus zu erkundigen". | |
Auch im Fall eines Grundstücks an der Wuhlheide in Köpenick muss der | |
Liegenschaftsfonds mitansehen, wie seine Verkaufsträume platzen. Das rund | |
60.000 Quadratmeter große Grundstück wurde vor einem halben Jahr an einen | |
Investor verkauft, der dort Wohnungen errichten will. Weil aber vor allem | |
die Linkspartei und ihr dort ansässiger Bundestagsabgeordneter Gregor Gysi | |
das Areal dem Jugendprojekt Mellowpark zur Verfügung stellen wollen, will | |
der Bezirk das Areal im Nachhinein doch nicht verkaufen. | |
Für Lippmann sind Fälle wie diese klares Politikversagen. Die Konsequenzen | |
für Berlin seien aber fatal: Investoren würden abgeschreckt. Als Erklärung | |
führt Lippmann die Sparmüdigkeit an: Mit der Krise sei die Priorität der | |
Haushaltssanierung abhanden gekommen. Auch dass Finanzsenator Thilo | |
Sarrazin (SPD) seinen Posten Ende April räumt, führe dazu, dass "die Zügel | |
lose" seien. Der Fonds-Chef hofft darauf, dass Sarrazins Nachfolger Ulrich | |
Nußbaum wieder ein strengeres Regiment einführt. Denn: "Man kriegt keine | |
Maximalerlöse, wenn man all die Kriterien - sozialpolitische, | |
stadtentwicklungspolitische und wirtschaftspolitische - erfüllen soll." | |
Wenn die Politiker schon von der bisherigen Linie abkommen, meint Lippmann, | |
dann sollten sie das auch klar ansagen, etwa: "Wir wollen nicht Grundstücke | |
verkaufen, um den Haushalt zu sanieren, sondern Stadtentwicklungs- und | |
Wirtschaftspolitik machen." Das steht zwar bereits im Gesellschaftervertrag | |
des Liegenschaftsfonds festgeschrieben, wurde jedoch selten umgesetzt. | |
Bisher hatte die Finanzverwaltung das Sagen, und deren Maxime hieß: | |
Maximalerlös. | |
16 Apr 2009 | |
## AUTOREN | |
Grit Weirauch | |
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Kreativszene | |
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