# taz.de -- Krieg in Syrien: Waffenruhe steht auf der Kippe | |
> Die UN haben die Friedensgespräche von Russland und der Türkei | |
> abgesegnet. Aber dass alle zur Verhandlung kommen, scheint fraglich. | |
Bild: Vertriebene aus Aleppo suchen sich eine Matratze im Dorf al-Kamounah bei … | |
Kairo taz | Die schlechte Nachricht lautet: Die Rebellen in Syrien haben | |
angekündigt, ihre Teilnahme an Gesprächen einzufrieren, bei denen die von | |
Russland und der Türkei gesponserten Friedensverhandlungen Ende des Monats | |
in Kasachstan vorbereitet werden sollten. Die gute Nachricht: Sie haben den | |
Waffenstillstand bisher noch nicht aufgekündigt. | |
Genau das könne aber als nächsten geschehen. Denn in der Erklärung heißt es | |
weiter, dass sich die Rebellen nicht mehr an den Waffenstillstand halten | |
wollen, „wenn das Regime weiter schießt und fortfährt, den Waffenstillstand | |
im großen Stil zu verletzen“. | |
Jede weitere Gebietseroberung seitens der Armee und den vom Iran | |
unterstützen Milizen, bedeute ein Ende der Waffenruhe, warnen sie in einem | |
Statement, das von Gruppen unter der Schirmherrschaft der Freien Syrischen | |
Armee unterzeichnet ist. | |
Konkret geht es laut der Erklärung um die Kämpfe in Wadi Barada, einem | |
Gebiet 15 Kilometer von der Hauptstadt Damaskus entfernt, wo die | |
Regimetruppen, unterstützt von Hisbollah-Kämpfern aus dem Libanon, | |
versuchen vorzurücken. Laut Rebellen soll Wadi Barada trotz | |
Waffenstillstand weiter mit Fassbomben bombardiert worden sein. | |
## Es geht ums Trinkwasser für Damaskus | |
Das Gebiet ist von großer strategischer Bedeutung, denn von dort kommt das | |
Trinkwasser für vier Millionen Menschen in Damaskus. Wadi-el-Barada liegt | |
auch in unmittelbarer Nähe eines wichtigen Versorgungsweges zwischen Syrien | |
und dem Libanon, über den der Nachschub der Hisbollahmilizen läuft. | |
Das von den Rebellen kontrollierte Wadi Barada ist seit Mitte 2015 relativ | |
isoliert. Im Dezember haben die Regierungstruppen den Belagerungsring enger | |
gezogen mit dem Ziel, dort einen ähnlichen Deal wie in Ost-Aleppo | |
durchzusetzen. Dem kam dann der landesweite Waffenstillstand zuvor, der | |
nach der Evakuierung Ost-Aleppos in Kraft getreten ist. | |
Mit den Kämpfen um Wadi Barada ist die gesamte Waffenruhe in Gefahr. Das | |
Regime und seine iranischen Unterstützer scheinen dieses Risiko eingehen zu | |
wollen, um das Kräftegleichgewicht rund um Damaskus in ihrem Sinne zu | |
verändern. Die Frage ist, wie sich Russland und die Türkei verhalten, die | |
eigentlich die Garanten für diesen Deal sind. | |
In jedem Fall ist jetzt Russlands großer diplomatischer Erfolg als | |
„Friedensmacher“ in Syrien gefährdet, nachdem der UN-Sicherheitsrat am | |
Wochenende den Waffenstillstandsdeal und die geplanten Friedensgespräch in | |
Astana, der Hauptstadt Kasachstans, abgesegnet hatte. Offen bleibt auch, | |
wie lange die Türkei die von ihnen unterstützten Rebellengruppen noch davon | |
abhalten kann, den Waffenstillstandsdeal, wie von ihnen angekündigt für | |
null und nichtig erklären, wenn die Kämpfe um Wadi Barada weitergehen. | |
## Russland im syrischen Minenfeld | |
Der Waffenstillstandsdeal hatte von Anfang an zwei Schwachpunkte: Das | |
Regime, das sich militärisch im Aufwind sieht, hat ein großes Interesse, | |
die Gunst der Stunde zu nutzen und die Lage rund um die Hauptstadt in | |
seinem Sinne militärisch zu „bereinigen“. | |
Der zweite Schwachpunkt liegt darin, dass die Waffenruhe zwar theoretisch | |
landesweit gilt, dass aber Gruppierungen wie der IS, der kurdische | |
PKK-Ableger YPG und die Jabha Fath-al-Sham (JSF), die | |
Nachfolge-Organisation der al-Qaida-nahen Nusra-Front explizit davon | |
ausgeschlossen sind. | |
Während sich die von IS und von den Kurden kontrollierten Gebiete relativ | |
einfach geografisch eingrenzen lassen, ist es an manchen Orten schwer, die | |
JSF und die anderen Rebellengruppen, die nicht angegriffen werden dürfen, | |
auseinander zu dividieren. | |
Moskau hat sich die Prämisse des Assad-Regimes zu eigen gemacht, die alle | |
Gegner als Terroristen bezeichnet. Nun steht Russland als Garant des | |
Waffenstillstands mit sieben moderaten Rebellengruppen, die das russische | |
Verteidigungsministerium selbst benannt hat, in der Pflicht. | |
Auch Russland weiß, dass sich die syrischen Widersprüche am Ende nicht | |
allein militärisch, sondern nur politisch lösen lassen und dass man dafür | |
Gesprächspartner braucht. Den kann man aber nicht gleichzeitig als | |
„Terroristen“ diskreditieren. Damit steht Russland mitten im syrischen | |
Minenfeld. | |
3 Jan 2017 | |
## AUTOREN | |
Karim El-Gawhary | |
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