# taz.de -- EU-Politikerin zur Flüchtlingspolitik: „Deal ist völkerrechtswi… | |
> Die grüne Europa-Abgeordnete Barbara Lochbihler kritisiert die Grundlage | |
> der geplanten „Migrationspartnerschaften“ der EU mit Afrika. | |
Bild: Natürlich ist kein Mensch illegal – trotzdem werden viele Flüchtende … | |
taz: Frau Lochbihler, beim EU-Gipfel steht die Flüchtlingspolitik in Afrika | |
im Mittelpunkt. Was halten Sie von den geplanten Migrationspartnerschaften? | |
Barbara Lochbihler: Das ist schwer zu sagen, da kaum bekannt ist, was die | |
Mitgliedstaaten gerade verhandeln. Noch schwerer fällt es mir, den | |
geplanten Migrationspartnerschaften allzu viel Positives abzugewinnen. Der | |
EU-Türkei-Deal jedenfalls, der als Grundlage für diese neuen Verträge | |
dienen soll, ist in meinen Augen schlichtweg völkerrechtswidrig, weil er | |
auf der falschen Annahme fußt, die Türkei sei für Asylsuchende sicher. | |
Sie waren gerade im Senegal – einem Land, das ebenfalls eine | |
Migrationspartnerschaft eingehen soll. Was sind Ihre Eindrücke? | |
Im Senegal war ich in erster Linie, um mit Abgeordneten aus aller Welt über | |
Fragen der internationalen Strafjustiz zu beraten. Aber natürlich war auch | |
die geplante Migrationspartnerschaft ein Thema. Dabei fiel auf: Das Thema | |
„Rückführungen“ ist im Senegal besonders heikel, der Widerstand | |
ungewöhnlich groß. Die Finanzhilfen aus der Diaspora sind für viele | |
Familien einfach eine zu wichtige Einnahmequelle. | |
121 Senegalesen, die in Bayern wohnen, haben eine Vorladung zu einer | |
„Sammelanhörung“ auf dem Münchner Flughafen bekommen . . . | |
Ja, und zu allem Überfluss musste ich feststellen: Ich kann nicht mal nach | |
Dakar reisen, ohne von allen Seiten auf die Irrungen der CSU-Asylpolitik | |
angesprochen zu werden. Das nennt sich dann wohl Globalisierung: Aufgrund | |
einer Anordnung in Bayern wendet sich ein Netzwerk senegalesischer | |
Abgeordneter mit dem Vorwurf an die Regierung, sie würde gegen Geld die | |
Abschiebung senegalesischer Staatsbürger in Kauf nehmen – was diese gleich | |
dementiert. | |
Die Bundesregierung will die „Kooperation“ mit Afrika noch ausbauen, sogar | |
Ägypten steht auf der Wunschliste. Ist Deutschland zum Vorreiter der | |
Abschottungspolitik geworden? | |
Der anfängliche Versuch der Bundesregierung, ein solidarisches System der | |
Umverteilung innerhalb der EU durchzusetzen, ist leider gescheitert. | |
Seither geht es auch der Großen Koalition vor allem darum, dass möglichst | |
niemand mehr bei uns ankommt. Nicht ohne Grund ist es im Rahmen des | |
EU-Türkei-Abkommens längst möglich, auch syrische Familien mit unleugbarem | |
Anspruch auf Asyl wieder abzuschieben. Wer „illegal“ einreist, wird | |
schlichtweg zurückgewiesen. Gleichzeitig werden legale Wege der Einreise | |
blockiert und beschnitten, wie zuletzt die Familienzusammenführung. Im | |
Ergebnis droht ein flüchtlingspolitischer Cordon sanitaire rund um Europa, | |
und die Bundesregierung gehört zu den treibenden Kräften. | |
Ungeachtet aller Kritik will nun auch noch die EU-Außenbeauftragte | |
Mogherini nach Kairo reisen. Was sollte sie den Generälen dort sagen? | |
Gesprächsstoff gibt es zur Genüge. Erst vor wenigen Wochen wurde im | |
ägyptischen Parlament ein drakonisches NGO-Gesetz verabschiedet, das manche | |
Aktivisten schon als finalen Angriff auf die Zivilgesellschaft beschreiben. | |
Menschenrechtsverteidiger und kritische Journalisten werden verfolgt, | |
festgenommen und in unfairen Gerichtsverfahren verurteilt. Wenn Federica | |
Mogherini also nach Kairo reist, um deutliche Kritik an derartigen | |
Rückschritten zu äußern, hat sie meine vollste Unterstützung. Verschweigt | |
sie hingegen die katastrophale Menschenrechtslage, um einen weiteren | |
Flüchtlingsdeal nicht zu gefährden, wiederholt sie nur die Fehler des | |
EU-Türkei-Deals. | |
Was müsste die EU tun, um Afrika wirklich zu helfen? | |
Wenn wir Afrika wirklich zu nachhaltiger Entwicklung verhelfen wollen, | |
sollten wir die viel zitierte „Fluchtursachenbekämpfung“ endlich ernst | |
nehmen. Konkret bedeutet das: Keine Rüstungsgüter mehr in Konfliktgebiete, | |
grundlegende Reformen in der europäischen Handels- und Agrarpolitik, viel | |
mehr Radikalität im Klimaschutz. Allerdings sind das langfristige | |
Erwägungen. Die Forderung nach einer menschenwürdigen Flüchtlingspolitik | |
verliert dadurch nicht an Dringlichkeit. | |
15 Dec 2016 | |
## AUTOREN | |
Eric Bonse | |
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