| # taz.de -- Die Wahrheit: Im Rockstarheim | |
| > Wenn man schon monatlich einen Obolus an die Rockstar-Hilfe zahlt, dann | |
| > sollte man im Freigehege auch ein paar Bewohner bewundern dürfen. | |
| Bild: Vom Iltis als WC benutzt? Das Schneckenschiff aus Storchs Film „Die Rei… | |
| Als ich neulich meine Kontoauszüge durchblätterte, stellte ich zu meinem | |
| großen Erstaunen fest, dass ich offenbar schon seit vier Jahren monatlich | |
| fünfzehn Euro an die Rockstar-Hilfe Karlsruhe e. V. bezahlte, weil ich | |
| damals eine Patenschaft für einen Rockstar namens David Bowie übernommen | |
| hatte. Nun dachte ich mir, wenn ich schon monatlich so viel Piepen für | |
| David Bowie entrichte, dann will ich dafür auch etwas haben und mal ein | |
| bisschen mit ihm spielen. | |
| Also schwang ich mich auf mein Fahrrad und fuhr zur Rockstar-Hilfe | |
| Karlsruhe e. V. Dort angekommen fragte ich die Chefin, Frau Malz, nach | |
| David Bowie. Dramatisch schlug sie die Hände über ihrem Haupt zusammen und | |
| brach in einen Klagegesang aus: Ausgerechnet gerade vorgestern sei David | |
| Bowie verstorben. Ja klar, dachte ich, „ausgerechnet vorgestern“. | |
| Wahrscheinlich ist David Bowie schon seit Jahren tot, und Frau Malz hat es | |
| mir einfach nicht gesagt, um weiterhin Geld von mir kassieren zu können. | |
| Das sind ja feine Methoden! | |
| Aber wo ich nun schon einmal da war, lenkte ich mein Augenmerk auf die | |
| anderen rund vierzig Rockstars in der Wohnung, und Frau Malz sagte, dass | |
| sie draußen im Freigehege noch mal fast hundert Rockstars halte. Ich kam | |
| aus dem Staunen nicht mehr heraus. Überall hockten, hingen und kauerten sie | |
| und tranken Bier, nahmen Drogen und grapschten jungen halbnackten Frauen an | |
| die Brüste – fast hätte ich mich sogar auf einen draufgesetzt, der aber im | |
| letzten Augenblick quietschend davonsprang. Frau Malz lachte: „Das ist | |
| unser Meat Loaf, ein ganz, ganz Lieber, der hat bei mir ein Bleiberecht bis | |
| zu seinem Lebensende.“ | |
| Frau Malz aber pries einen Rockstar nach dem anderen an, sie wollte | |
| unbedingt, dass ich einen mitnähme: „Fast stubenrein sind sie alle!“ Frau | |
| Malz schob mir eine strubbelige Dame entgegen, die sich sofort zutraulich | |
| auf meinen Schoß setzte. „Das ist unsere Suzi Quatro“, sagte sie, „das i… | |
| eine ganz, ganz Liebe.“ Ich fuhr Suzi Quatro zaghaft durch die | |
| Strubbelfrisur, was sie mir mit einem Biss in meine Hand dankte. Ein | |
| Rockstar, der mich beißt? Nein danke! | |
| Und dann sah ich ihn. Er kam beinahe schüchtern um die Ecke, setzte sich | |
| mit im Schoß gefalteten Händen auf einen Sessel und sah mich aus großen, | |
| glänzend blauen Augen schweigend an. Er strahlte eine unfassbare Würde aus | |
| und schien in sich zu ruhen. Frau Malz meinte nur: „Ja, unser Iggy Pop ist | |
| wirklich ein ganz, ganz Lieber, aber …“ – „Nix aber'“, fuhr ich dem | |
| grotesken Weib ins Wort, „ich nehme Iggy Pop! Packen Sie mir bitte sein | |
| Schlagzeug, seine Gitarre und was er sonst noch gern hat ein, ich nehme ihn | |
| gleich mit.“ | |
| Seither hockt Iggy Pop bewegungslos auf dem Hirschgeweih über meinem | |
| Schreibtisch und traut sich nicht runter. Nur wenn ich so tue, als würde | |
| ich schlafen, huscht er manchmal unters Sofa, trinkt Bier, nimmt Drogen und | |
| grapscht jungen halbnackten Frauen an die Brüste. Dabei kichert er dreckig. | |
| Vielleicht hätte ich mir doch Frau Malzens „aber“ anhören sollen, als ich | |
| mich für Iggy Pop entschied! | |
| 23 Dec 2016 | |
| ## AUTOREN | |
| Corinna Stegemann | |
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